Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Meine Hausverwaltung wird mir oft
freylich ziemlich lästig, allein ich halte mich
für verpflichtet, sie so lange zu besorgen, als
ich noch irgend Kraft in mir spüre. Nicht-
gebrauch ist oft so schädlich wie Mißbrauch.
Wer wollte sich durchs Schwachwerden der
Augen verleiten lassen, sie auf immer zu ver-
binden? *) Und obgleich der Zustand eines

*) Jm 71sten Bande der Bibliothek der schönen
Wissenschaften etc., fand ich Seite 141 folgende
Stelle aus La Harpe, die meine Meinung be-
stätigt: "La vie humaine n'a point asses de
"plaisirs, pour se passer du travail, et les
"plaisirs eux memes ne peuvent se diversifier
"asses en se repetant, pour se perpetuer sans
"degout,"
der ich noch ein Paar andere, eine
aus Herder und eine von Wieland, über die
menschliche Unsterblichkeit beifügen will: "Theil-
"nehmen müssen wir, wir stehen im Strome der
"Zeit, wo eine Welle die andre treibt; nützlich
"oder schädlich müssen wir also auf die Zukunft
"wirken, wie die Vergangenheit auf uns wirkte.
"Der Kampfpreiß des Lebens ist, daß wir auch
"in Nacht und Nebel das Ziel treffen, wo der
"Kranz hängt, das wir die Seite treffen, wo
"wohlklingende Consonanzen ins Unendliche hinauf
"und hinunter tönen, wären diese gleich dem ge-
"meinen Ohr unhörbar, sie sind dennoch da, sie
C c

Meine Hausverwaltung wird mir oft
freylich ziemlich laͤſtig, allein ich halte mich
fuͤr verpflichtet, ſie ſo lange zu beſorgen, als
ich noch irgend Kraft in mir ſpuͤre. Nicht-
gebrauch iſt oft ſo ſchaͤdlich wie Mißbrauch.
Wer wollte ſich durchs Schwachwerden der
Augen verleiten laſſen, ſie auf immer zu ver-
binden? *) Und obgleich der Zuſtand eines

*) Jm 71ſten Bande der Bibliothek der ſchoͤnen
Wiſſenſchaften ꝛc., fand ich Seite 141 folgende
Stelle aus La Harpe, die meine Meinung be-
ſtaͤtigt: „La vie humaine n’a point assés de
„plaisirs, pour se passer du travail, et les
„plaisirs eux mêmes ne peuvent se diversifier
„assés en se repetant, pour se perpetuer sans
„degout,“
der ich noch ein Paar andere, eine
aus Herder und eine von Wieland, uͤber die
menſchliche Unſterblichkeit beifuͤgen will: „Theil-
„nehmen muͤſſen wir, wir ſtehen im Strome der
„Zeit, wo eine Welle die andre treibt; nuͤtzlich
„oder ſchaͤdlich muͤſſen wir alſo auf die Zukunft
„wirken, wie die Vergangenheit auf uns wirkte.
„Der Kampfpreiß des Lebens iſt, daß wir auch
„in Nacht und Nebel das Ziel treffen, wo der
„Kranz haͤngt, das wir die Seite treffen, wo
„wohlklingende Conſonanzen ins Unendliche hinauf
„und hinunter toͤnen, waͤren dieſe gleich dem ge-
„meinen Ohr unhoͤrbar, ſie ſind dennoch da, ſie
C c
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0418" n="401"/>
          <p>Meine Hausverwaltung wird mir oft<lb/>
freylich ziemlich la&#x0364;&#x017F;tig, allein ich halte mich<lb/>
fu&#x0364;r verpflichtet, &#x017F;ie &#x017F;o lange zu be&#x017F;orgen, als<lb/>
ich noch irgend Kraft in mir &#x017F;pu&#x0364;re. Nicht-<lb/>
gebrauch i&#x017F;t oft &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;dlich wie Mißbrauch.<lb/>
Wer wollte &#x017F;ich durchs Schwachwerden der<lb/>
Augen verleiten la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ie auf immer zu ver-<lb/>
binden? <note xml:id="seg2pn_36_1" next="#seg2pn_36_2" place="foot" n="*)">Jm 71&#x017F;ten Bande der Bibliothek der &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften &#xA75B;c., fand ich Seite 141 folgende<lb/>
Stelle aus La Harpe, die meine Meinung be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;tigt: <cit><quote><hi rendition="#aq">&#x201E;La vie humaine n&#x2019;a point assés de<lb/>
&#x201E;plaisirs, pour se passer du travail, et les<lb/>
&#x201E;plaisirs eux mêmes ne peuvent se diversifier<lb/>
&#x201E;assés en se repetant, pour se perpetuer sans<lb/>
&#x201E;degout,&#x201C;</hi></quote></cit> der ich noch ein Paar andere, eine<lb/>
aus <hi rendition="#g">Herder</hi> und eine von <hi rendition="#g">Wieland,</hi> u&#x0364;ber die<lb/>
men&#x017F;chliche Un&#x017F;terblichkeit beifu&#x0364;gen will: <cit><quote>&#x201E;Theil-<lb/>
&#x201E;nehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir, wir &#x017F;tehen im Strome der<lb/>
&#x201E;Zeit, wo eine Welle die andre treibt; nu&#x0364;tzlich<lb/>
&#x201E;oder &#x017F;cha&#x0364;dlich mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir al&#x017F;o auf die Zukunft<lb/>
&#x201E;wirken, wie die Vergangenheit auf uns wirkte.<lb/>
&#x201E;Der Kampfpreiß des Lebens i&#x017F;t, daß wir auch<lb/>
&#x201E;in Nacht und Nebel das Ziel treffen, wo der<lb/>
&#x201E;Kranz ha&#x0364;ngt, das wir die Seite treffen, wo<lb/>
&#x201E;wohlklingende Con&#x017F;onanzen ins Unendliche hinauf<lb/>
&#x201E;und hinunter to&#x0364;nen, wa&#x0364;ren die&#x017F;e gleich dem ge-<lb/>
&#x201E;meinen Ohr unho&#x0364;rbar, &#x017F;ie &#x017F;ind dennoch da, &#x017F;ie</quote></cit></note> Und obgleich der Zu&#x017F;tand eines<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[401/0418] Meine Hausverwaltung wird mir oft freylich ziemlich laͤſtig, allein ich halte mich fuͤr verpflichtet, ſie ſo lange zu beſorgen, als ich noch irgend Kraft in mir ſpuͤre. Nicht- gebrauch iſt oft ſo ſchaͤdlich wie Mißbrauch. Wer wollte ſich durchs Schwachwerden der Augen verleiten laſſen, ſie auf immer zu ver- binden? *) Und obgleich der Zuſtand eines *) Jm 71ſten Bande der Bibliothek der ſchoͤnen Wiſſenſchaften ꝛc., fand ich Seite 141 folgende Stelle aus La Harpe, die meine Meinung be- ſtaͤtigt: „La vie humaine n’a point assés de „plaisirs, pour se passer du travail, et les „plaisirs eux mêmes ne peuvent se diversifier „assés en se repetant, pour se perpetuer sans „degout,“ der ich noch ein Paar andere, eine aus Herder und eine von Wieland, uͤber die menſchliche Unſterblichkeit beifuͤgen will: „Theil- „nehmen muͤſſen wir, wir ſtehen im Strome der „Zeit, wo eine Welle die andre treibt; nuͤtzlich „oder ſchaͤdlich muͤſſen wir alſo auf die Zukunft „wirken, wie die Vergangenheit auf uns wirkte. „Der Kampfpreiß des Lebens iſt, daß wir auch „in Nacht und Nebel das Ziel treffen, wo der „Kranz haͤngt, das wir die Seite treffen, wo „wohlklingende Conſonanzen ins Unendliche hinauf „und hinunter toͤnen, waͤren dieſe gleich dem ge- „meinen Ohr unhoͤrbar, ſie ſind dennoch da, ſie C c

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/418
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/418>, abgerufen am 22.11.2024.