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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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und schläft, ihm selbst keine Leiden verur-
sachen mag, so hat doch dieser Anblick jeder-
zeit soviel Herzzerreißendes für mich gehabt,
daß ich mir das Beibehalten der Besonnen-
heit bis zum letzten Lebensaugenblick, stets
als eine wahre Glückseligkeit gewünscht habe,
wo möglich verbunden mit etwas Kraft zu

"jedem Augenblick vorüber ist, aufs fortgesetzte
"Jetzt, die Zukunft, richtig anwendet.
Herders Werke über Philosophie und Ge-
schichte, 12r. Bd. S. 101. 102.
112 und 304.

"Es ist etwas so menschliches und herzerheben-
"des in der Vorstellung, auch dann, wenn uns
"der Tod den Augen und dem Umgang entrückt
"hat, im Gedächtniß einer ungebornen Welt fort-
"zuleben, ihr noch werth und durch das, was
"das Beste von uns war, noch nützlich oder an-
"genehm zu seyn! Ganz gewiß haben die edelsten
"und besten Menschen diesen Gedanken gehegt
"und gebilligt, und da es blos von uns abhängt,
"ob er blos Täuschung gewesen sein soll, oder
"ob wir ihm Wirklichkeit geben wollen, warum
"sollten wir ihren Geistern eine Befriedigung ver-
"sagen, die uns selbst nützlich werden kann?
Lucians sämmtl. Werke, übersetzt von
Wieland 3r. Bd. Beylage zum
Demonax S. 266.
C c 2

und ſchlaͤft, ihm ſelbſt keine Leiden verur-
ſachen mag, ſo hat doch dieſer Anblick jeder-
zeit ſoviel Herzzerreißendes fuͤr mich gehabt,
daß ich mir das Beibehalten der Beſonnen-
heit bis zum letzten Lebensaugenblick, ſtets
als eine wahre Gluͤckſeligkeit gewuͤnſcht habe,
wo moͤglich verbunden mit etwas Kraft zu

„jedem Augenblick voruͤber iſt, aufs fortgeſetzte
Jetzt, die Zukunft, richtig anwendet.
Herders Werke uͤber Philoſophie und Ge-
ſchichte, 12r. Bd. S. 101. 102.
112 und 304.

„Es iſt etwas ſo menſchliches und herzerheben-
„des in der Vorſtellung, auch dann, wenn uns
„der Tod den Augen und dem Umgang entruͤckt
„hat, im Gedaͤchtniß einer ungebornen Welt fort-
„zuleben, ihr noch werth und durch das, was
„das Beſte von uns war, noch nuͤtzlich oder an-
„genehm zu ſeyn! Ganz gewiß haben die edelſten
„und beſten Menſchen dieſen Gedanken gehegt
„und gebilligt, und da es blos von uns abhaͤngt,
„ob er blos Taͤuſchung geweſen ſein ſoll, oder
„ob wir ihm Wirklichkeit geben wollen, warum
„ſollten wir ihren Geiſtern eine Befriedigung ver-
„ſagen, die uns ſelbſt nuͤtzlich werden kann?
Lucians ſaͤmmtl. Werke, uͤberſetzt von
Wieland 3r. Bd. Beylage zum
Demonax S. 266.
C c 2
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[403/0420] und ſchlaͤft, ihm ſelbſt keine Leiden verur- ſachen mag, ſo hat doch dieſer Anblick jeder- zeit ſoviel Herzzerreißendes fuͤr mich gehabt, daß ich mir das Beibehalten der Beſonnen- heit bis zum letzten Lebensaugenblick, ſtets als eine wahre Gluͤckſeligkeit gewuͤnſcht habe, wo moͤglich verbunden mit etwas Kraft zu *) *) „jedem Augenblick voruͤber iſt, aufs fortgeſetzte „Jetzt, die Zukunft, richtig anwendet. Herders Werke uͤber Philoſophie und Ge- ſchichte, 12r. Bd. S. 101. 102. 112 und 304. „Es iſt etwas ſo menſchliches und herzerheben- „des in der Vorſtellung, auch dann, wenn uns „der Tod den Augen und dem Umgang entruͤckt „hat, im Gedaͤchtniß einer ungebornen Welt fort- „zuleben, ihr noch werth und durch das, was „das Beſte von uns war, noch nuͤtzlich oder an- „genehm zu ſeyn! Ganz gewiß haben die edelſten „und beſten Menſchen dieſen Gedanken gehegt „und gebilligt, und da es blos von uns abhaͤngt, „ob er blos Taͤuſchung geweſen ſein ſoll, oder „ob wir ihm Wirklichkeit geben wollen, warum „ſollten wir ihren Geiſtern eine Befriedigung ver- „ſagen, die uns ſelbſt nuͤtzlich werden kann? Lucians ſaͤmmtl. Werke, uͤberſetzt von Wieland 3r. Bd. Beylage zum Demonax S. 266. C c 2

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/420>, abgerufen am 22.11.2024.