Himmel gebe nur, daß seine Leser nicht des Verfassers langes Liegen auf Gänsefedern ihm ansehen mögen.
Undank wäre es, wenn ich hier nicht des Fräuleins von Ostau gedächte, die mir viele Abende auf eine Art vorlas, wie es hier wohl viele Männer und Frauen nicht nachthun würden. Schon vor vielen Jah- ren hatt' ich dieses liebe, in allen weiblichen Hand- und Geistes-Künsten ausgebildete Mädchen kennen gelernt, und war ihr, als sie durch die Zeitumstände auch in Nah- rungssorgen gerieth und sich zur Gesellschafts- Fräuleinschaft durchaus nicht entschliessen wollte, anräthig, eine kleine Schule einzu- richten, wider welches Gedankens Ausfüh- rung ihre altadelige Familie so vieles aus- zusetzen fand, als ich darauf zu bestehen Ursach hatte, indem ich dem Adel, zu dessen Widersachern ich keinesweges gehöre, so viele Vorurtheile ich vielen seiner Mitglieder noch ankleben sehe, zu zeigen wünschte, daß das Schulmeistern den 16 Ahnen nicht den min- desten Abbruch thue, wie ich denn über- haupt der Meinung bin, daß der geistliche Stand der Protestanten gewinnen würde, wenn sich junge Edelleute zum theologischen
Himmel gebe nur, daß ſeine Leſer nicht des Verfaſſers langes Liegen auf Gaͤnſefedern ihm anſehen moͤgen.
Undank waͤre es, wenn ich hier nicht des Fraͤuleins von Ostau gedaͤchte, die mir viele Abende auf eine Art vorlas, wie es hier wohl viele Maͤnner und Frauen nicht nachthun wuͤrden. Schon vor vielen Jah- ren hatt’ ich dieſes liebe, in allen weiblichen Hand- und Geiſtes-Kuͤnſten ausgebildete Maͤdchen kennen gelernt, und war ihr, als ſie durch die Zeitumſtaͤnde auch in Nah- rungsſorgen gerieth und ſich zur Geſellſchafts- Fraͤuleinſchaft durchaus nicht entſchlieſſen wollte, anraͤthig, eine kleine Schule einzu- richten, wider welches Gedankens Ausfuͤh- rung ihre altadelige Familie ſo vieles aus- zuſetzen fand, als ich darauf zu beſtehen Urſach hatte, indem ich dem Adel, zu deſſen Widerſachern ich keinesweges gehoͤre, ſo viele Vorurtheile ich vielen ſeiner Mitglieder noch ankleben ſehe, zu zeigen wuͤnſchte, daß das Schulmeiſtern den 16 Ahnen nicht den min- deſten Abbruch thue, wie ich denn uͤber- haupt der Meinung bin, daß der geiſtliche Stand der Proteſtanten gewinnen wuͤrde, wenn ſich junge Edelleute zum theologiſchen
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Himmel gebe nur, daß ſeine Leſer nicht des
Verfaſſers langes Liegen auf Gaͤnſefedern ihm
anſehen moͤgen.
Undank waͤre es, wenn ich hier nicht
des Fraͤuleins von Ostau gedaͤchte, die mir
viele Abende auf eine Art vorlas, wie es
hier wohl viele Maͤnner und Frauen nicht
nachthun wuͤrden. Schon vor vielen Jah-
ren hatt’ ich dieſes liebe, in allen weiblichen
Hand- und Geiſtes-Kuͤnſten ausgebildete
Maͤdchen kennen gelernt, und war ihr,
als ſie durch die Zeitumſtaͤnde auch in Nah-
rungsſorgen gerieth und ſich zur Geſellſchafts-
Fraͤuleinſchaft durchaus nicht entſchlieſſen
wollte, anraͤthig, eine kleine Schule einzu-
richten, wider welches Gedankens Ausfuͤh-
rung ihre altadelige Familie ſo vieles aus-
zuſetzen fand, als ich darauf zu beſtehen
Urſach hatte, indem ich dem Adel, zu deſſen
Widerſachern ich keinesweges gehoͤre, ſo viele
Vorurtheile ich vielen ſeiner Mitglieder noch
ankleben ſehe, zu zeigen wuͤnſchte, daß das
Schulmeiſtern den 16 Ahnen nicht den min-
deſten Abbruch thue, wie ich denn uͤber-
haupt der Meinung bin, daß der geiſtliche
Stand der Proteſtanten gewinnen wuͤrde,
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/469>, abgerufen am 22.11.2024.
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