baldigen Vergessenheit frey zu erhalten und bey Fremden dem Glauben vorzu- beugen suchen, daß die reiche Erbschaft sie über den Verlust des großen Todten hinläng- lich tröste?
Aeußerungen, die mir bey Gelegenheit dieses Todesfalles zu Ohren gekommen, ha- ben mir neue Beweise von der Nichtigkeit der Vorkehrungen über die Behandlung, be- sonders schriftstellerischer Nachlässe gegeben.
Oft werden selbst testamentarische ver- mittelst der interpretatio doctrinalis der Erben, da sie vor der strafenden interpre- tatio autentica des Testators sicher sind, ganz bey Seite gesetzt, wie viel freyere Hand bleibt also in Fällen, wo es nur auf ungestempelte Papiere ankommt!
Wer über das Schicksal solcher Nachlässe nicht gleichgültig ist, oder zum Voraus über die Nichtigkeit seiner Vorkehrungen zu ihrer Behandlung lachen will -- hat kein andres Mittel, als ihr durch Vernichtung derselben zuvor zu kommen, oder sie mit einem gut- müthigen transeant cum reliquis etc. ihrem Schicksal zu überlassen. --
Den 26sten July 1815.
Vor einiger Zeit entschloß ich mich, alles was ich seit 1806 gereimt habe, drucken zu las- sen, ein herzoglicher politischer Zionswächter versagte aber das Imprimatur aus Gründen die nur ein irrendes Gewissen konnte gelten
baldigen Vergeſſenheit frey zu erhalten und bey Fremden dem Glauben vorzu- beugen ſuchen, daß die reiche Erbſchaft ſie uͤber den Verluſt des großen Todten hinlaͤng- lich troͤſte?
Aeußerungen, die mir bey Gelegenheit dieſes Todesfalles zu Ohren gekommen, ha- ben mir neue Beweiſe von der Nichtigkeit der Vorkehrungen uͤber die Behandlung, be- ſonders ſchriftſtelleriſcher Nachlaͤſſe gegeben.
Oft werden ſelbſt teſtamentariſche ver- mittelſt der interpretatio doctrinalis der Erben, da ſie vor der ſtrafenden interpre- tatio autentica des Teſtators ſicher ſind, ganz bey Seite geſetzt, wie viel freyere Hand bleibt alſo in Faͤllen, wo es nur auf ungeſtempelte Papiere ankommt!
Wer uͤber das Schickſal ſolcher Nachlaͤſſe nicht gleichguͤltig iſt, oder zum Voraus uͤber die Nichtigkeit ſeiner Vorkehrungen zu ihrer Behandlung lachen will — hat kein andres Mittel, als ihr durch Vernichtung derſelben zuvor zu kommen, oder ſie mit einem gut- muͤthigen tranſeant cum reliquis etc. ihrem Schickſal zu uͤberlaſſen. —
Den 26ſten July 1815.
Vor einiger Zeit entſchloß ich mich, alles was ich ſeit 1806 gereimt habe, drucken zu laſ- ſen, ein herzoglicher politiſcher Zionswaͤchter verſagte aber das Imprimatur aus Gruͤnden die nur ein irrendes Gewiſſen konnte gelten
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baldigen Vergeſſenheit frey zu erhalten
und bey Fremden dem Glauben vorzu-
beugen ſuchen, daß die reiche Erbſchaft ſie
uͤber den Verluſt des großen Todten hinlaͤng-
lich troͤſte?
Aeußerungen, die mir bey Gelegenheit
dieſes Todesfalles zu Ohren gekommen, ha-
ben mir neue Beweiſe von der Nichtigkeit
der Vorkehrungen uͤber die Behandlung, be-
ſonders ſchriftſtelleriſcher Nachlaͤſſe gegeben.
Oft werden ſelbſt teſtamentariſche ver-
mittelſt der interpretatio doctrinalis der
Erben, da ſie vor der ſtrafenden interpre-
tatio autentica des Teſtators ſicher ſind,
ganz bey Seite geſetzt, wie viel freyere
Hand bleibt alſo in Faͤllen, wo es nur auf
ungeſtempelte Papiere ankommt!
Wer uͤber das Schickſal ſolcher Nachlaͤſſe
nicht gleichguͤltig iſt, oder zum Voraus uͤber
die Nichtigkeit ſeiner Vorkehrungen zu ihrer
Behandlung lachen will — hat kein andres
Mittel, als ihr durch Vernichtung derſelben
zuvor zu kommen, oder ſie mit einem gut-
muͤthigen tranſeant cum reliquis etc. ihrem
Schickſal zu uͤberlaſſen. —
Den 26ſten July 1815.
Vor einiger Zeit entſchloß ich mich, alles
was ich ſeit 1806 gereimt habe, drucken zu laſ-
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verſagte aber das Imprimatur aus Gruͤnden
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/501>, abgerufen am 22.11.2024.
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