sind, eine Beichte (Confession) soll diese Selbstdarstel- lung nicht seyn, jene gehört Gott und dem Beichtiger. Voll lüsterner Begier nach verlebten Jugend-Jahren ist sie eben als Beichte unanständig und häßlich. Wer über sich spricht, soll ein reifer Mann seyn, der zwar, wie Franklin es nennt, die Jrrthümer und Abwege seines Lebens nicht verschweiget, sie aber auch nicht wiederholen mögte, und linde nur an ihren Platz stellt. Dafür bedarf er auch keiner Bußthränen, noch weniger jenes ewigen Murrens gegen Gott und sich selbst, das uns in frommen Tagebüchern so sehr zur Last fällt. Der Selbstbeschreiber habe sein Tagebuch geendigt, und rede über sich, wie über einen dritten, oder, da dies nicht leicht möglich ist, wie ein Wieder- kommender, der sein Leben, wie es auch ausfiel, geen- digt hat, und es jetzt seinen Mitgeschöpfen, als ein verlebtes Naturproduct darlegt. Weder ärgern will er, noch prangen, aber lehren, nutzen, dies ist seine wohlthätige Absicht.
Kein Leser wird so leicht seyn, der in Erinnrung dessen, was ihm auch mangelhafte Lebensbeschrei- bungen gewährten, dergleichen nicht in diesem reinen Umriß, in dieser seelenvollen Gestalt wünschte. Wohlan! er greife selbst zum Werk, denn auch Er hat gelebt; nicht dem Publicum, aber Sich ist er diese Recapitulation, dies zweyte geistige und schönste Leben seines Lebens schuldig; es wird ihm hie und da Reue, vielleicht süße oder bittre Thrä- nen, durchaus aber eine mannichfaltige Belehrung über sich selbst, und am Ende eine staunende Verwun- derung gewähren, die sich in heitern Dank auflöset. Jeder wird sein Leben unter einem eignen Bilde anse- hen, alle aber werden darin übereinkommen, daß es
ſind, eine Beichte (Confeſſion) ſoll dieſe Selbſtdarſtel- lung nicht ſeyn, jene gehoͤrt Gott und dem Beichtiger. Voll luͤſterner Begier nach verlebten Jugend-Jahren iſt ſie eben als Beichte unanſtaͤndig und haͤßlich. Wer uͤber ſich ſpricht, ſoll ein reifer Mann ſeyn, der zwar, wie Franklin es nennt, die Jrrthuͤmer und Abwege ſeines Lebens nicht verſchweiget, ſie aber auch nicht wiederholen moͤgte, und linde nur an ihren Platz ſtellt. Dafuͤr bedarf er auch keiner Bußthraͤnen, noch weniger jenes ewigen Murrens gegen Gott und ſich ſelbſt, das uns in frommen Tagebuͤchern ſo ſehr zur Laſt faͤllt. Der Selbſtbeſchreiber habe ſein Tagebuch geendigt, und rede uͤber ſich, wie uͤber einen dritten, oder, da dies nicht leicht moͤglich iſt, wie ein Wieder- kommender, der ſein Leben, wie es auch ausfiel, geen- digt hat, und es jetzt ſeinen Mitgeſchoͤpfen, als ein verlebtes Naturproduct darlegt. Weder aͤrgern will er, noch prangen, aber lehren, nutzen, dies iſt ſeine wohlthaͤtige Abſicht.
Kein Leſer wird ſo leicht ſeyn, der in Erinnrung deſſen, was ihm auch mangelhafte Lebensbeſchrei- bungen gewaͤhrten, dergleichen nicht in dieſem reinen Umriß, in dieſer ſeelenvollen Geſtalt wuͤnſchte. Wohlan! er greife ſelbſt zum Werk, denn auch Er hat gelebt; nicht dem Publicum, aber Sich iſt er dieſe Recapitulation, dies zweyte geiſtige und ſchoͤnſte Leben ſeines Lebens ſchuldig; es wird ihm hie und da Reue, vielleicht ſuͤße oder bittre Thraͤ- nen, durchaus aber eine mannichfaltige Belehrung uͤber ſich ſelbſt, und am Ende eine ſtaunende Verwun- derung gewaͤhren, die ſich in heitern Dank aufloͤſet. Jeder wird ſein Leben unter einem eignen Bilde anſe- hen, alle aber werden darin uͤbereinkommen, daß es
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ſind, eine Beichte (Confeſſion) ſoll dieſe Selbſtdarſtel-
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Voll luͤſterner Begier nach verlebten Jugend-Jahren
iſt ſie eben als Beichte unanſtaͤndig und haͤßlich. Wer
uͤber ſich ſpricht, ſoll ein reifer Mann ſeyn, der zwar,
wie Franklin es nennt, die Jrrthuͤmer und Abwege
ſeines Lebens nicht verſchweiget, ſie aber auch nicht
wiederholen moͤgte, und linde nur an ihren Platz ſtellt.
Dafuͤr bedarf er auch keiner Bußthraͤnen, noch
weniger jenes ewigen Murrens gegen Gott und ſich
ſelbſt, das uns in frommen Tagebuͤchern ſo ſehr zur
Laſt faͤllt. Der Selbſtbeſchreiber habe ſein Tagebuch
geendigt, und rede uͤber ſich, wie uͤber einen dritten,
oder, da dies nicht leicht moͤglich iſt, wie ein Wieder-
kommender, der ſein Leben, wie es auch ausfiel, geen-
digt hat, und es jetzt ſeinen Mitgeſchoͤpfen, als ein
verlebtes Naturproduct darlegt. Weder aͤrgern will er,
noch prangen, aber lehren, nutzen, dies iſt ſeine
wohlthaͤtige Abſicht.
Kein Leſer wird ſo leicht ſeyn, der in Erinnrung
deſſen, was ihm auch mangelhafte Lebensbeſchrei-
bungen gewaͤhrten, dergleichen nicht in dieſem reinen
Umriß, in dieſer ſeelenvollen Geſtalt wuͤnſchte.
Wohlan! er greife ſelbſt zum Werk, denn auch Er
hat gelebt; nicht dem Publicum, aber Sich iſt er
dieſe Recapitulation, dies zweyte geiſtige und
ſchoͤnſte Leben ſeines Lebens ſchuldig; es wird
ihm hie und da Reue, vielleicht ſuͤße oder bittre Thraͤ-
nen, durchaus aber eine mannichfaltige Belehrung
uͤber ſich ſelbſt, und am Ende eine ſtaunende Verwun-
derung gewaͤhren, die ſich in heitern Dank aufloͤſet.
Jeder wird ſein Leben unter einem eignen Bilde anſe-
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/543>, abgerufen am 22.11.2024.
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