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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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daß ein ungebildeter Finanzbedienter dem
Staat im Frieden oft eben so nachtheilig
werden könne, als ein feiger Officier im
Kriege.

Mein akademischer Umgang war sehr
eingeschränkt, doch hielt ich mich lieber zu
den offnen, etwas rohen Curländern, als
den in Allem feinzierlichen Liefländern, die
immer sanft und süß thaten und andere
Studirende nicht recht für voll anzusehen
schienen. Was ich in neuern Zeiten im
Merkel über die Letten und in andern
ortskundigen Schriftstellern las, besonders
auch, daß die armen Letten oft mehr von
den Zwingherrinnen, als den Zwingherren
auszustehen hätten, befremdete mich daher
nicht sehr, denn ich hatte aus eigner Erfah-
rung und aus Reisebeschreibungen gelernt,
daß Weichlichkeit und Grausamkeit näher
verwandt sind, als man es beym ersten An-
blick vermuthen sollte.

Aus der metaphysischen Stunde von 4
bis 5 im Winter schrieb sich indessen eine
Freundschaft her, die bis zum Tode des einen
Theils währte. Um mein Bankplätzchen
beym Herrn Magister Lindner unbesetzt zu
finden, stellt' ich mich jedesmal sehr zeitig ein.

Eines

daß ein ungebildeter Finanzbedienter dem
Staat im Frieden oft eben ſo nachtheilig
werden koͤnne, als ein feiger Officier im
Kriege.

Mein akademiſcher Umgang war ſehr
eingeſchraͤnkt, doch hielt ich mich lieber zu
den offnen, etwas rohen Curlaͤndern, als
den in Allem feinzierlichen Lieflaͤndern, die
immer ſanft und ſuͤß thaten und andere
Studirende nicht recht fuͤr voll anzuſehen
ſchienen. Was ich in neuern Zeiten im
Merkel uͤber die Letten und in andern
ortskundigen Schriftſtellern las, beſonders
auch, daß die armen Letten oft mehr von
den Zwingherrinnen, als den Zwingherren
auszuſtehen haͤtten, befremdete mich daher
nicht ſehr, denn ich hatte aus eigner Erfah-
rung und aus Reiſebeſchreibungen gelernt,
daß Weichlichkeit und Grauſamkeit naͤher
verwandt ſind, als man es beym erſten An-
blick vermuthen ſollte.

Aus der metaphyſiſchen Stunde von 4
bis 5 im Winter ſchrieb ſich indeſſen eine
Freundſchaft her, die bis zum Tode des einen
Theils waͤhrte. Um mein Bankplaͤtzchen
beym Herrn Magiſter Lindner unbeſetzt zu
finden, ſtellt’ ich mich jedesmal ſehr zeitig ein.

Eines
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[48/0065] daß ein ungebildeter Finanzbedienter dem Staat im Frieden oft eben ſo nachtheilig werden koͤnne, als ein feiger Officier im Kriege. Mein akademiſcher Umgang war ſehr eingeſchraͤnkt, doch hielt ich mich lieber zu den offnen, etwas rohen Curlaͤndern, als den in Allem feinzierlichen Lieflaͤndern, die immer ſanft und ſuͤß thaten und andere Studirende nicht recht fuͤr voll anzuſehen ſchienen. Was ich in neuern Zeiten im Merkel uͤber die Letten und in andern ortskundigen Schriftſtellern las, beſonders auch, daß die armen Letten oft mehr von den Zwingherrinnen, als den Zwingherren auszuſtehen haͤtten, befremdete mich daher nicht ſehr, denn ich hatte aus eigner Erfah- rung und aus Reiſebeſchreibungen gelernt, daß Weichlichkeit und Grauſamkeit naͤher verwandt ſind, als man es beym erſten An- blick vermuthen ſollte. Aus der metaphyſiſchen Stunde von 4 bis 5 im Winter ſchrieb ſich indeſſen eine Freundſchaft her, die bis zum Tode des einen Theils waͤhrte. Um mein Bankplaͤtzchen beym Herrn Magiſter Lindner unbeſetzt zu finden, ſtellt’ ich mich jedesmal ſehr zeitig ein. Eines

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/65>, abgerufen am 24.11.2024.