den Oeuvres de Gresset etc. bekannt und führte mich zum erstenmal ins Schauspiel- haus, wo ich Moliere's Geizigen vom da- mals sehr berühmten Ackermann, dem Vater der in Hamburg sich sehr auszeichnenden Demoiselle Ackermann, vorstellen sah. So lebhaft nun auch der Eindruck war, den die- ses Spiel auf mich machte, so hinderte mich doch der curta supellex meiner Casse am öftern Besuch des Theaters und an der dar- aus entspringenden, der Jugend mehren- theils nachtheilig werdenden, nähern Bekannt- schaft mit Schauspielern und Aktrizen.
Was mir das Entbehren dieser Sinnen- lust ziemlich erleichterte, war mein großer Abscheu vor allem Schuldenmachen, der mich auch so wirthlich machte, daß ich mit den sechs Thalern, die mir mein Vater monat- lich zu Bestreitung meines Tisches, Früh- stücks, meiner Wäsche und Feurung gab, auslangte. Freylich bedeuteten diese sechs Tha- ler damals mehr, wie jetzt zwölf. Meine Mut- ter hat mir nur einmal einen Friedrichd'or geschenkt, schickte indessen manchmal etwas zur Abendverpflegung. Reichte dieß Monats- geld nun auch bisweilen nicht bis zum 31sten, so entschloß ich mich lieber zu vier und zwan-
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den Oeuvres de Greſſet etc. bekannt und fuͤhrte mich zum erſtenmal ins Schauſpiel- haus, wo ich Moliere’s Geizigen vom da- mals ſehr beruͤhmten Ackermann, dem Vater der in Hamburg ſich ſehr auszeichnenden Demoiſelle Ackermann, vorſtellen ſah. So lebhaft nun auch der Eindruck war, den die- ſes Spiel auf mich machte, ſo hinderte mich doch der curta ſupellex meiner Caſſe am oͤftern Beſuch des Theaters und an der dar- aus entſpringenden, der Jugend mehren- theils nachtheilig werdenden, naͤhern Bekannt- ſchaft mit Schauſpielern und Aktrizen.
Was mir das Entbehren dieſer Sinnen- luſt ziemlich erleichterte, war mein großer Abſcheu vor allem Schuldenmachen, der mich auch ſo wirthlich machte, daß ich mit den ſechs Thalern, die mir mein Vater monat- lich zu Beſtreitung meines Tiſches, Fruͤh- ſtuͤcks, meiner Waͤſche und Feurung gab, auslangte. Freylich bedeuteten dieſe ſechs Tha- ler damals mehr, wie jetzt zwoͤlf. Meine Mut- ter hat mir nur einmal einen Friedrichd’or geſchenkt, ſchickte indeſſen manchmal etwas zur Abendverpflegung. Reichte dieß Monats- geld nun auch bisweilen nicht bis zum 31ſten, ſo entſchloß ich mich lieber zu vier und zwan-
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den Oeuvres de Greſſet etc. bekannt und
fuͤhrte mich zum erſtenmal ins Schauſpiel-
haus, wo ich Moliere’s Geizigen vom da-
mals ſehr beruͤhmten Ackermann, dem Vater
der in Hamburg ſich ſehr auszeichnenden
Demoiſelle Ackermann, vorſtellen ſah. So
lebhaft nun auch der Eindruck war, den die-
ſes Spiel auf mich machte, ſo hinderte mich
doch der curta ſupellex meiner Caſſe am
oͤftern Beſuch des Theaters und an der dar-
aus entſpringenden, der Jugend mehren-
theils nachtheilig werdenden, naͤhern Bekannt-
ſchaft mit Schauſpielern und Aktrizen.
Was mir das Entbehren dieſer Sinnen-
luſt ziemlich erleichterte, war mein großer
Abſcheu vor allem Schuldenmachen, der mich
auch ſo wirthlich machte, daß ich mit den
ſechs Thalern, die mir mein Vater monat-
lich zu Beſtreitung meines Tiſches, Fruͤh-
ſtuͤcks, meiner Waͤſche und Feurung gab,
auslangte. Freylich bedeuteten dieſe ſechs Tha-
ler damals mehr, wie jetzt zwoͤlf. Meine Mut-
ter hat mir nur einmal einen Friedrichd’or
geſchenkt, ſchickte indeſſen manchmal etwas
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geld nun auch bisweilen nicht bis zum 31ſten,
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/68>, abgerufen am 24.11.2024.
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