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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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besserem helfen würde, *) Gott Lob nur,
daß von einer andern Denkungsart dieser

*) Als ich einst im Tristram Shandy las: es kom-
me in der Welt viel auf die Taufnamen an, schien
diese Bemerkung mir ein bloß launigter Einfall:
seit dem ich aber wahrgenommen, daß die Töchter
höherer und niederer Abkunft andre Gesinnungen
an Worten und Werken angenommen, soitdem
jene nicht mehr Anna, Elisabeth etc. sondern
Bertha, Thekla etc. und diese Carolina,
Hanchen
etc. getauft werden, fang ich an sie für
eine Wahrheit zu halten.
Zu Completirung der Akten muß ich indessen
eine vor Kurzem gelesene Stelle aus Göthes Dich-
tung und Wahrheit (3. Bd. S. 39,) anführen,
die die Meinung über die Bedeutsamkeit der Na-
men mir zu bestätigen scheint: "Auch der Trieb,
"sein Kind durch einen wohlbedeutenden Namen,
"wenn er auch sonst weiter nichts hinter sich hätte,
"zu adeln, ist löblich, und diese Verknüpfung ei-
"ner eingebildeten Welt mit der wirklichen ver-
"breitet sogar über das ganze Lehen der Person
"einen anmuthigen Schimmer. Ein schönes Kind,
"welches wir mit Wohlgefallen Bertha nennen,
"würden wir zu beleidigen glauben, wenn wir es
"Urselblandine nennen sollten. Gewiß ei-
"nem gebildeten Menschen, geschweige denn einem
"Liebhaber, würde ein solcher Name auf den Lip-
"pen stocken, der kalt und einseitig urtheilenden
"Welt ist nicht zu verargen, wenn sie alles, was
"phantastisch hervortritt, für lächerlich und ver-

beſſerem helfen wuͤrde, *) Gott Lob nur,
daß von einer andern Denkungsart dieſer

*) Als ich einſt im Triſtram Shandy las: es kom-
me in der Welt viel auf die Taufnamen an, ſchien
dieſe Bemerkung mir ein bloß launigter Einfall:
ſeit dem ich aber wahrgenommen, daß die Toͤchter
hoͤherer und niederer Abkunft andre Geſinnungen
an Worten und Werken angenommen, ſoitdem
jene nicht mehr Anna, Eliſabeth ꝛc. ſondern
Bertha, Thekla ꝛc. und dieſe Carolina,
Hanchen
ꝛc. getauft werden, fang ich an ſie fuͤr
eine Wahrheit zu halten.
Zu Completirung der Akten muß ich indeſſen
eine vor Kurzem geleſene Stelle aus Goͤthes Dich-
tung und Wahrheit (3. Bd. S. 39,) anfuͤhren,
die die Meinung uͤber die Bedeutſamkeit der Na-
men mir zu beſtaͤtigen ſcheint: „Auch der Trieb,
„ſein Kind durch einen wohlbedeutenden Namen,
„wenn er auch ſonſt weiter nichts hinter ſich haͤtte,
„zu adeln, iſt loͤblich, und dieſe Verknuͤpfung ei-
„ner eingebildeten Welt mit der wirklichen ver-
„breitet ſogar uͤber das ganze Lehen der Perſon
„einen anmuthigen Schimmer. Ein ſchoͤnes Kind,
„welches wir mit Wohlgefallen Bertha nennen,
„wuͤrden wir zu beleidigen glauben, wenn wir es
Urſelblandine nennen ſollten. Gewiß ei-
„nem gebildeten Menſchen, geſchweige denn einem
„Liebhaber, wuͤrde ein ſolcher Name auf den Lip-
„pen ſtocken, der kalt und einſeitig urtheilenden
„Welt iſt nicht zu verargen, wenn ſie alles, was
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[68/0085] beſſerem helfen wuͤrde, *) Gott Lob nur, daß von einer andern Denkungsart dieſer *) Als ich einſt im Triſtram Shandy las: es kom- me in der Welt viel auf die Taufnamen an, ſchien dieſe Bemerkung mir ein bloß launigter Einfall: ſeit dem ich aber wahrgenommen, daß die Toͤchter hoͤherer und niederer Abkunft andre Geſinnungen an Worten und Werken angenommen, ſoitdem jene nicht mehr Anna, Eliſabeth ꝛc. ſondern Bertha, Thekla ꝛc. und dieſe Carolina, Hanchen ꝛc. getauft werden, fang ich an ſie fuͤr eine Wahrheit zu halten. Zu Completirung der Akten muß ich indeſſen eine vor Kurzem geleſene Stelle aus Goͤthes Dich- tung und Wahrheit (3. Bd. S. 39,) anfuͤhren, die die Meinung uͤber die Bedeutſamkeit der Na- men mir zu beſtaͤtigen ſcheint: „Auch der Trieb, „ſein Kind durch einen wohlbedeutenden Namen, „wenn er auch ſonſt weiter nichts hinter ſich haͤtte, „zu adeln, iſt loͤblich, und dieſe Verknuͤpfung ei- „ner eingebildeten Welt mit der wirklichen ver- „breitet ſogar uͤber das ganze Lehen der Perſon „einen anmuthigen Schimmer. Ein ſchoͤnes Kind, „welches wir mit Wohlgefallen Bertha nennen, „wuͤrden wir zu beleidigen glauben, wenn wir es „Urſelblandine nennen ſollten. Gewiß ei- „nem gebildeten Menſchen, geſchweige denn einem „Liebhaber, wuͤrde ein ſolcher Name auf den Lip- „pen ſtocken, der kalt und einſeitig urtheilenden „Welt iſt nicht zu verargen, wenn ſie alles, was „phantaſtiſch hervortritt, fuͤr laͤcherlich und ver-

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/85>, abgerufen am 25.11.2024.