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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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der Dinge an sich darzustellen, welches in Ansehung der Musik geleistet
worden ist.

Ehe ich weiter gehe, erinnere ich folgendes Allgemeine.

Unsere gegenwärtige Aufgabe ist Construktion der besonderen
Kunstformen
. Da Stoff und Form im Absoluten und also auch im
Princip der Kunst eins ist, so kann nur dasselbe, was in dem Stoff
oder Wesen ist, auch wieder zur Form werden; die Unterscheidung von
Stoff und Form aber kann nur darauf beruhen, daß, was in dem
Stoff als absolute Identität gesetzt ist, in der Form als relative gesetzt
werde.

Nun ist schon in dem Absoluten an und für sich das Allgemeine
und Besondere eins, dadurch, daß in ihm die besonderen Einheiten oder
Formen der Einheit als absolut gesetzt sind. Aber eben deßwegen, weil
sie in ihm selbst absolut, in Ansehung einer jeden also die Form auch
das Wesen, das Wesen die Form ist, -- eben deßwegen, sage ich, sind
sie in ihm ununterscheidbar und ununterschieden, und jene Einheiten oder
ewigen Ideen können als solche nur dadurch wahrhaft objektiv werden,
daß sie in ihrer Besonderheit, als besondere Formen, sich selbst
zum Symbol werden. Das, was durch sie erscheint, ist nur die
absolute Einheit, die Idee an und für sich; die Form ist nur der Leib,
mit dem sie sich bekleidet, und in dem sie objektiv wird.

Die erste Einheit in dem absoluten Wesen ist nun allgemein die,
wodurch es seine Subjektivität und ewige Einheit in die Objektivität
oder Vielheit gebiert, und diese Einheit in ihrer Absolutheit oder als
die eine Seite des absoluten Producirens aufgefaßt, ist die ewige Ma-
terie oder ewige Natur selbst. Ohne diese würde das Absolute eine in
sich verschlossene Subjektivität seyn und bleiben ohne Erkennbarkeit und
Unterscheidbarkeit. Nur durch die Subjekt-Objektivirung gibt es sich
selbst in der Objektivität zu erkennen, und führt sich selbst als Erkann-
tes aus der Objektivität in sein Selbsterkennen zurück. Diese Zurück-
bildung der Objektivität in sich selbst ist die andere Einheit, die in ihm
von der ersten ungetrennt ist. Denn wie wir die vollendete Einbildung
der Subjektivität in die Objektivität im Organismus unmittelbar in die

der Dinge an ſich darzuſtellen, welches in Anſehung der Muſik geleiſtet
worden iſt.

Ehe ich weiter gehe, erinnere ich folgendes Allgemeine.

Unſere gegenwärtige Aufgabe iſt Conſtruktion der beſonderen
Kunſtformen
. Da Stoff und Form im Abſoluten und alſo auch im
Princip der Kunſt eins iſt, ſo kann nur daſſelbe, was in dem Stoff
oder Weſen iſt, auch wieder zur Form werden; die Unterſcheidung von
Stoff und Form aber kann nur darauf beruhen, daß, was in dem
Stoff als abſolute Identität geſetzt iſt, in der Form als relative geſetzt
werde.

Nun iſt ſchon in dem Abſoluten an und für ſich das Allgemeine
und Beſondere eins, dadurch, daß in ihm die beſonderen Einheiten oder
Formen der Einheit als abſolut geſetzt ſind. Aber eben deßwegen, weil
ſie in ihm ſelbſt abſolut, in Anſehung einer jeden alſo die Form auch
das Weſen, das Weſen die Form iſt, — eben deßwegen, ſage ich, ſind
ſie in ihm ununterſcheidbar und ununterſchieden, und jene Einheiten oder
ewigen Ideen können als ſolche nur dadurch wahrhaft objektiv werden,
daß ſie in ihrer Beſonderheit, als beſondere Formen, ſich ſelbſt
zum Symbol werden. Das, was durch ſie erſcheint, iſt nur die
abſolute Einheit, die Idee an und für ſich; die Form iſt nur der Leib,
mit dem ſie ſich bekleidet, und in dem ſie objektiv wird.

Die erſte Einheit in dem abſoluten Weſen iſt nun allgemein die,
wodurch es ſeine Subjektivität und ewige Einheit in die Objektivität
oder Vielheit gebiert, und dieſe Einheit in ihrer Abſolutheit oder als
die eine Seite des abſoluten Producirens aufgefaßt, iſt die ewige Ma-
terie oder ewige Natur ſelbſt. Ohne dieſe würde das Abſolute eine in
ſich verſchloſſene Subjektivität ſeyn und bleiben ohne Erkennbarkeit und
Unterſcheidbarkeit. Nur durch die Subjekt-Objektivirung gibt es ſich
ſelbſt in der Objektivität zu erkennen, und führt ſich ſelbſt als Erkann-
tes aus der Objektivität in ſein Selbſterkennen zurück. Dieſe Zurück-
bildung der Objektivität in ſich ſelbſt iſt die andere Einheit, die in ihm
von der erſten ungetrennt iſt. Denn wie wir die vollendete Einbildung
der Subjektivität in die Objektivität im Organismus unmittelbar in die

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[505/0181] der Dinge an ſich darzuſtellen, welches in Anſehung der Muſik geleiſtet worden iſt. Ehe ich weiter gehe, erinnere ich folgendes Allgemeine. Unſere gegenwärtige Aufgabe iſt Conſtruktion der beſonderen Kunſtformen. Da Stoff und Form im Abſoluten und alſo auch im Princip der Kunſt eins iſt, ſo kann nur daſſelbe, was in dem Stoff oder Weſen iſt, auch wieder zur Form werden; die Unterſcheidung von Stoff und Form aber kann nur darauf beruhen, daß, was in dem Stoff als abſolute Identität geſetzt iſt, in der Form als relative geſetzt werde. Nun iſt ſchon in dem Abſoluten an und für ſich das Allgemeine und Beſondere eins, dadurch, daß in ihm die beſonderen Einheiten oder Formen der Einheit als abſolut geſetzt ſind. Aber eben deßwegen, weil ſie in ihm ſelbſt abſolut, in Anſehung einer jeden alſo die Form auch das Weſen, das Weſen die Form iſt, — eben deßwegen, ſage ich, ſind ſie in ihm ununterſcheidbar und ununterſchieden, und jene Einheiten oder ewigen Ideen können als ſolche nur dadurch wahrhaft objektiv werden, daß ſie in ihrer Beſonderheit, als beſondere Formen, ſich ſelbſt zum Symbol werden. Das, was durch ſie erſcheint, iſt nur die abſolute Einheit, die Idee an und für ſich; die Form iſt nur der Leib, mit dem ſie ſich bekleidet, und in dem ſie objektiv wird. Die erſte Einheit in dem abſoluten Weſen iſt nun allgemein die, wodurch es ſeine Subjektivität und ewige Einheit in die Objektivität oder Vielheit gebiert, und dieſe Einheit in ihrer Abſolutheit oder als die eine Seite des abſoluten Producirens aufgefaßt, iſt die ewige Ma- terie oder ewige Natur ſelbſt. Ohne dieſe würde das Abſolute eine in ſich verſchloſſene Subjektivität ſeyn und bleiben ohne Erkennbarkeit und Unterſcheidbarkeit. Nur durch die Subjekt-Objektivirung gibt es ſich ſelbſt in der Objektivität zu erkennen, und führt ſich ſelbſt als Erkann- tes aus der Objektivität in ſein Selbſterkennen zurück. Dieſe Zurück- bildung der Objektivität in ſich ſelbſt iſt die andere Einheit, die in ihm von der erſten ungetrennt iſt. Denn wie wir die vollendete Einbildung der Subjektivität in die Objektivität im Organismus unmittelbar in die

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/181>, abgerufen am 21.11.2024.