Unmittelbar aus der Idee des Lichts folgt, daß es als die be- sondere Einheit nur unter der Bedingung eines Gegensatzes erscheinen könne. Es ist die im Realen durchbrechende ideale Einheit. Soll es als diese erscheinen, so muß es als Zurückbildung der Differenz in die Identität erscheinen, aber nicht als absolute (denn in der Abso- lutheit wird die Einheit nicht als die besondere unterschieden), demnach bloß in relativer Identität. -- Nun ist aber das Besondere oder die Differenz für sich nichts als die Negation des Allgemeinen oder der Identität. Nur inwiefern sich das Allgemeine, die Identität selbst in das Besondere verwandelt, ist es reell (deßwegen die Einformung der Einheit in die Vielheit die reale Einheit ist). Wenn also in der idealen Einheit oder in der Zurückbildung des Besonderen ins Absolute das Besondere noch als solches unterschieden werden soll, kann es nur als Negation unterschieden werden. Demnach wird sich das Allge- meine und Besondere in der Erscheinung der idealen Einheit nur als Realität und Privation, also, weil das Allgemeine Licht ist, nur als Licht und Nicht-Licht verhalten können, oder die Besonderheit wird in dem Allgemeinen nur als Privation oder Begrenzung der Realität dar- gestellt werden können.
§. 85. Die Kunstform, welche die ideale Einheit in ihrer Unterscheidbarkeit zum Symbol nimmt, ist die Ma- lerei. -- Folgt unmittelbar aus den vorhergehenden Sätzen. Denn die ideale Einheit in ihrer Relativität erscheint innerhalb der Natur durch den Gegensatz des Lichts und Nicht-Lichts. Aber eben desselben bedient sich die Malerei zum Mittel ihrer Darstellung.
Anmerkung. Die ferneren Bestimmungen der Malerei folgen von selbst aus dem ersten Begriff.
§. 86. Die nothwendige Form der Malerei ist die auf- gehobene Succession. -- Dieser Satz fließt unmittelbar aus dem schon in §. 77 bewiesenen Begriff der Zeit. Die Einbildung der Ein- heit in die Vielheit ist Zeit. Da nun Malerei vielmehr auf der ent- gegengesetzten Einheit, der Einbildung der Vielheit in die Einheit beruht, so ist die nothwendige Form derselben die aufgehobene Succession.
Unmittelbar aus der Idee des Lichts folgt, daß es als die be- ſondere Einheit nur unter der Bedingung eines Gegenſatzes erſcheinen könne. Es iſt die im Realen durchbrechende ideale Einheit. Soll es als dieſe erſcheinen, ſo muß es als Zurückbildung der Differenz in die Identität erſcheinen, aber nicht als abſolute (denn in der Abſo- lutheit wird die Einheit nicht als die beſondere unterſchieden), demnach bloß in relativer Identität. — Nun iſt aber das Beſondere oder die Differenz für ſich nichts als die Negation des Allgemeinen oder der Identität. Nur inwiefern ſich das Allgemeine, die Identität ſelbſt in das Beſondere verwandelt, iſt es reell (deßwegen die Einformung der Einheit in die Vielheit die reale Einheit iſt). Wenn alſo in der idealen Einheit oder in der Zurückbildung des Beſonderen ins Abſolute das Beſondere noch als ſolches unterſchieden werden ſoll, kann es nur als Negation unterſchieden werden. Demnach wird ſich das Allge- meine und Beſondere in der Erſcheinung der idealen Einheit nur als Realität und Privation, alſo, weil das Allgemeine Licht iſt, nur als Licht und Nicht-Licht verhalten können, oder die Beſonderheit wird in dem Allgemeinen nur als Privation oder Begrenzung der Realität dar- geſtellt werden können.
§. 85. Die Kunſtform, welche die ideale Einheit in ihrer Unterſcheidbarkeit zum Symbol nimmt, iſt die Ma- lerei. — Folgt unmittelbar aus den vorhergehenden Sätzen. Denn die ideale Einheit in ihrer Relativität erſcheint innerhalb der Natur durch den Gegenſatz des Lichts und Nicht-Lichts. Aber eben deſſelben bedient ſich die Malerei zum Mittel ihrer Darſtellung.
Anmerkung. Die ferneren Beſtimmungen der Malerei folgen von ſelbſt aus dem erſten Begriff.
§. 86. Die nothwendige Form der Malerei iſt die auf- gehobene Succeſſion. — Dieſer Satz fließt unmittelbar aus dem ſchon in §. 77 bewieſenen Begriff der Zeit. Die Einbildung der Ein- heit in die Vielheit iſt Zeit. Da nun Malerei vielmehr auf der ent- gegengeſetzten Einheit, der Einbildung der Vielheit in die Einheit beruht, ſo iſt die nothwendige Form derſelben die aufgehobene Succeſſion.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0193"n="517"/><p>Unmittelbar aus der Idee des Lichts folgt, daß es als die <hirendition="#g">be-<lb/>ſondere</hi> Einheit nur unter der Bedingung eines Gegenſatzes erſcheinen<lb/>
könne. Es iſt die im Realen durchbrechende ideale Einheit. Soll es<lb/><hirendition="#g">als dieſe</hi> erſcheinen, ſo muß es als Zurückbildung der Differenz in<lb/>
die Identität erſcheinen, aber nicht <hirendition="#g">als abſolute</hi> (denn in der Abſo-<lb/>
lutheit wird die Einheit nicht als die beſondere unterſchieden), demnach<lb/>
bloß in relativer Identität. — Nun iſt aber das Beſondere oder die<lb/>
Differenz <hirendition="#g">für ſich</hi> nichts als die Negation des Allgemeinen oder der<lb/>
Identität. Nur inwiefern ſich das Allgemeine, die Identität ſelbſt in<lb/>
das Beſondere verwandelt, iſt es <hirendition="#g">reell</hi> (deßwegen die Einformung der<lb/>
Einheit in die Vielheit die <hirendition="#g">reale</hi> Einheit iſt). Wenn alſo in der<lb/>
idealen Einheit oder in der Zurückbildung des Beſonderen ins Abſolute<lb/>
das Beſondere noch als ſolches unterſchieden werden ſoll, kann es nur<lb/><hirendition="#g">als Negation</hi> unterſchieden werden. Demnach wird ſich das Allge-<lb/>
meine und Beſondere in der Erſcheinung der idealen Einheit nur als<lb/>
Realität und Privation, alſo, weil das Allgemeine Licht iſt, nur als<lb/>
Licht und Nicht-Licht verhalten können, oder die Beſonderheit wird in<lb/>
dem Allgemeinen nur als Privation oder Begrenzung der Realität dar-<lb/>
geſtellt werden können.</p><lb/><p>§. 85. <hirendition="#g">Die Kunſtform, welche die ideale Einheit in<lb/>
ihrer Unterſcheidbarkeit zum Symbol nimmt, iſt die Ma-<lb/>
lerei</hi>. — Folgt unmittelbar aus den vorhergehenden Sätzen. Denn<lb/>
die ideale Einheit in ihrer Relativität erſcheint innerhalb der Natur<lb/>
durch den Gegenſatz des Lichts und Nicht-Lichts. Aber eben deſſelben<lb/>
bedient ſich die Malerei zum <hirendition="#g">Mittel</hi> ihrer Darſtellung.</p><lb/><p><hirendition="#g">Anmerkung</hi>. Die ferneren Beſtimmungen der Malerei folgen<lb/>
von ſelbſt aus dem erſten Begriff.</p><lb/><p>§. 86. <hirendition="#g">Die nothwendige Form der Malerei iſt die auf-<lb/>
gehobene Succeſſion</hi>. — Dieſer Satz fließt unmittelbar aus dem<lb/>ſchon in §. 77 bewieſenen Begriff der Zeit. Die Einbildung der Ein-<lb/>
heit in die Vielheit iſt Zeit. Da nun Malerei vielmehr auf der ent-<lb/>
gegengeſetzten Einheit, der Einbildung der Vielheit in die Einheit beruht,<lb/>ſo iſt die nothwendige Form derſelben die aufgehobene Succeſſion.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[517/0193]
Unmittelbar aus der Idee des Lichts folgt, daß es als die be-
ſondere Einheit nur unter der Bedingung eines Gegenſatzes erſcheinen
könne. Es iſt die im Realen durchbrechende ideale Einheit. Soll es
als dieſe erſcheinen, ſo muß es als Zurückbildung der Differenz in
die Identität erſcheinen, aber nicht als abſolute (denn in der Abſo-
lutheit wird die Einheit nicht als die beſondere unterſchieden), demnach
bloß in relativer Identität. — Nun iſt aber das Beſondere oder die
Differenz für ſich nichts als die Negation des Allgemeinen oder der
Identität. Nur inwiefern ſich das Allgemeine, die Identität ſelbſt in
das Beſondere verwandelt, iſt es reell (deßwegen die Einformung der
Einheit in die Vielheit die reale Einheit iſt). Wenn alſo in der
idealen Einheit oder in der Zurückbildung des Beſonderen ins Abſolute
das Beſondere noch als ſolches unterſchieden werden ſoll, kann es nur
als Negation unterſchieden werden. Demnach wird ſich das Allge-
meine und Beſondere in der Erſcheinung der idealen Einheit nur als
Realität und Privation, alſo, weil das Allgemeine Licht iſt, nur als
Licht und Nicht-Licht verhalten können, oder die Beſonderheit wird in
dem Allgemeinen nur als Privation oder Begrenzung der Realität dar-
geſtellt werden können.
§. 85. Die Kunſtform, welche die ideale Einheit in
ihrer Unterſcheidbarkeit zum Symbol nimmt, iſt die Ma-
lerei. — Folgt unmittelbar aus den vorhergehenden Sätzen. Denn
die ideale Einheit in ihrer Relativität erſcheint innerhalb der Natur
durch den Gegenſatz des Lichts und Nicht-Lichts. Aber eben deſſelben
bedient ſich die Malerei zum Mittel ihrer Darſtellung.
Anmerkung. Die ferneren Beſtimmungen der Malerei folgen
von ſelbſt aus dem erſten Begriff.
§. 86. Die nothwendige Form der Malerei iſt die auf-
gehobene Succeſſion. — Dieſer Satz fließt unmittelbar aus dem
ſchon in §. 77 bewieſenen Begriff der Zeit. Die Einbildung der Ein-
heit in die Vielheit iſt Zeit. Da nun Malerei vielmehr auf der ent-
gegengeſetzten Einheit, der Einbildung der Vielheit in die Einheit beruht,
ſo iſt die nothwendige Form derſelben die aufgehobene Succeſſion.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/193>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.