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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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Folgesatz 3. Die Malerei hat außer den Gegenständen noch
den Raum als solchen darzustellen.

Folgesatz 4. Wie die Musik im Ganzen der Reflexion, ist die
Malerei der Subsumtion untergeordnet. Es wird in der Philosophie
bewiesen, daß das, was an dem Körper Umriß und Gestalt bestimmt,
eben dasjenige ist, wodurch er der Subsumtion eignet. Bloß durch
seine Begrenzung hebt er sich als Besonderes ab, und ist als solches
der Aufnahme unter das Allgemeine fähig. Man hat schon längst be-
merkt, daß die Malerei vorzugsweise eine Kunst des Geschmacks und
des Urtheils sey. Nothwendig: weil sie am meisten von der Realität
sich entfernt und ganz ideal ist. Das Reale ist nur Gegenstand der
Reflexion oder der Anschauung. Das Reale aber im Idealen zu
schauen, ist Gegenstand des Urtheils.

Folgesatz 5. Die Malerei ist im Ganzen eine qualitative Kunst,
wie die Musik im Ganzen eine quantitative. Denn jene beruht auf
den rein qualitativen Gegensätzen der Realität und Negation.

§. 87. In der Malerei wiederholen sich alle Formen
der Einheit, die reale, ideale und die Indifferenz beider
.
-- Folgt aus dem allgemeinen Princip, daß jede besondere Kunstform
wieder die ganze Kunst.

Zusatz. Die besonderen Formen der Einheit, sofern sie in der
Malerei zurückkehren, sind: Zeichnung, Helldunkel und Colorit.
-- Diese drei Formen sind also gleichsam die allgemeinen Kategorien
der Malerei. Ich werde die Bedeutung jeder dieser besonderen Formen
für sich und ihre Vereinigung und Zusammenwirkung zum Ganzen an-
geben. -- Ich erinnere auch hier, daß ich nicht in der technischen Be-
ziehung davon handle, sondern die absolute Bedeutung einer jeden an-
geben werde.

Die Zeichnung ist innerhalb der Malerei als der idealen Kunst
die reale Form, die erste Einfassung der Identität in die Besonderheit.
Diese Besonderheit als Differenz wieder in die Identität zu verschmel-
zen und als Differenz aufzuheben, ist die eigentliche Kunst des Hell-
dunkels, welche demnach die Malerei in der Malerei ist. Allein da

Folgeſatz 3. Die Malerei hat außer den Gegenſtänden noch
den Raum als ſolchen darzuſtellen.

Folgeſatz 4. Wie die Muſik im Ganzen der Reflexion, iſt die
Malerei der Subſumtion untergeordnet. Es wird in der Philoſophie
bewieſen, daß das, was an dem Körper Umriß und Geſtalt beſtimmt,
eben dasjenige iſt, wodurch er der Subſumtion eignet. Bloß durch
ſeine Begrenzung hebt er ſich als Beſonderes ab, und iſt als ſolches
der Aufnahme unter das Allgemeine fähig. Man hat ſchon längſt be-
merkt, daß die Malerei vorzugsweiſe eine Kunſt des Geſchmacks und
des Urtheils ſey. Nothwendig: weil ſie am meiſten von der Realität
ſich entfernt und ganz ideal iſt. Das Reale iſt nur Gegenſtand der
Reflexion oder der Anſchauung. Das Reale aber im Idealen zu
ſchauen, iſt Gegenſtand des Urtheils.

Folgeſatz 5. Die Malerei iſt im Ganzen eine qualitative Kunſt,
wie die Muſik im Ganzen eine quantitative. Denn jene beruht auf
den rein qualitativen Gegenſätzen der Realität und Negation.

§. 87. In der Malerei wiederholen ſich alle Formen
der Einheit, die reale, ideale und die Indifferenz beider
.
— Folgt aus dem allgemeinen Princip, daß jede beſondere Kunſtform
wieder die ganze Kunſt.

Zuſatz. Die beſonderen Formen der Einheit, ſofern ſie in der
Malerei zurückkehren, ſind: Zeichnung, Helldunkel und Colorit.
— Dieſe drei Formen ſind alſo gleichſam die allgemeinen Kategorien
der Malerei. Ich werde die Bedeutung jeder dieſer beſonderen Formen
für ſich und ihre Vereinigung und Zuſammenwirkung zum Ganzen an-
geben. — Ich erinnere auch hier, daß ich nicht in der techniſchen Be-
ziehung davon handle, ſondern die abſolute Bedeutung einer jeden an-
geben werde.

Die Zeichnung iſt innerhalb der Malerei als der idealen Kunſt
die reale Form, die erſte Einfaſſung der Identität in die Beſonderheit.
Dieſe Beſonderheit als Differenz wieder in die Identität zu verſchmel-
zen und als Differenz aufzuheben, iſt die eigentliche Kunſt des Hell-
dunkels, welche demnach die Malerei in der Malerei iſt. Allein da

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[519/0195] Folgeſatz 3. Die Malerei hat außer den Gegenſtänden noch den Raum als ſolchen darzuſtellen. Folgeſatz 4. Wie die Muſik im Ganzen der Reflexion, iſt die Malerei der Subſumtion untergeordnet. Es wird in der Philoſophie bewieſen, daß das, was an dem Körper Umriß und Geſtalt beſtimmt, eben dasjenige iſt, wodurch er der Subſumtion eignet. Bloß durch ſeine Begrenzung hebt er ſich als Beſonderes ab, und iſt als ſolches der Aufnahme unter das Allgemeine fähig. Man hat ſchon längſt be- merkt, daß die Malerei vorzugsweiſe eine Kunſt des Geſchmacks und des Urtheils ſey. Nothwendig: weil ſie am meiſten von der Realität ſich entfernt und ganz ideal iſt. Das Reale iſt nur Gegenſtand der Reflexion oder der Anſchauung. Das Reale aber im Idealen zu ſchauen, iſt Gegenſtand des Urtheils. Folgeſatz 5. Die Malerei iſt im Ganzen eine qualitative Kunſt, wie die Muſik im Ganzen eine quantitative. Denn jene beruht auf den rein qualitativen Gegenſätzen der Realität und Negation. §. 87. In der Malerei wiederholen ſich alle Formen der Einheit, die reale, ideale und die Indifferenz beider. — Folgt aus dem allgemeinen Princip, daß jede beſondere Kunſtform wieder die ganze Kunſt. Zuſatz. Die beſonderen Formen der Einheit, ſofern ſie in der Malerei zurückkehren, ſind: Zeichnung, Helldunkel und Colorit. — Dieſe drei Formen ſind alſo gleichſam die allgemeinen Kategorien der Malerei. Ich werde die Bedeutung jeder dieſer beſonderen Formen für ſich und ihre Vereinigung und Zuſammenwirkung zum Ganzen an- geben. — Ich erinnere auch hier, daß ich nicht in der techniſchen Be- ziehung davon handle, ſondern die abſolute Bedeutung einer jeden an- geben werde. Die Zeichnung iſt innerhalb der Malerei als der idealen Kunſt die reale Form, die erſte Einfaſſung der Identität in die Beſonderheit. Dieſe Beſonderheit als Differenz wieder in die Identität zu verſchmel- zen und als Differenz aufzuheben, iſt die eigentliche Kunſt des Hell- dunkels, welche demnach die Malerei in der Malerei iſt. Allein da

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/195>, abgerufen am 21.11.2024.