Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht beobachtet. Ebensowenig die Maler aus dem vierzehnten und
fünfzehnten Jahrhundert, z. B. Pietro Perugino, Raphaels Lehrer,
(Gemälde in Dresden). Auch in Raphaels Gemälden ist die Luftper-
spektive nur mäßig beobachtet.

Das Helldunkel bezieht sich auf die Flächenwirkungen des allge-
meinen Lichts, die den Schein des Körperlichen hervorbringen. Das
Licht ist in dem Helldunkel noch immer das bloß Beleuchtende des
Körpers, und macht bloß die Wirkung des Körpers, ohne er selbst
wahrhaft zu seyn. Die dritte Form ist also, wie immer, so auch
hier diejenige, welche die dritte Dimension bestimmt, oder das Licht
verkörpert, Licht und Körper also als wahrhaft eins darstellt. Diese
Form ist das Colorit. Das Colorit bezieht sich nicht auf das all-
gemeine, hellere oder dunklere, Licht des Ganzen; seine Grundlage
sind die Localfarben der Gegenstände, obgleich, wie schon bei dem
Helldunkel bemerkt wurde, diese auch wieder auf das allgemeine Licht
zurückwirken und auf die Erscheinungen des Helldunkels einen bestim-
menden Einfluß haben.

Wir werden die Stufen, in welchen das Licht sich dem Körper
vermählt, in der Folge noch genauer bestimmen müssen. Hier will ich
eben deßhalb bloß das Allgemeine davon angeben.

An den unorganischen Körpern, den Mineralien, finden sich
großentheils noch die ursprünglichsten, einfachsten und reinsten Farben.
Das allgemeinste Färbungsmittel der Natur scheinen die Metalle zu seyn;
da aber, wo der Charakter der Metallität am vollkommensten verschwin-
det, geht sie zur völligen Durchsichtigkeit über. Eigenthümliches Colorit
und lebendige Farbengebung erscheint erst an den Blüthen und manchen
Früchten der Pflanzen, dann an den Federn der Vögel, welche
selbst ein pflanzenartiges Gewächs sind, in den farbigen Bedeckungen
der Thiere u. s. w. So einfach die Kunst des Colorits bei einfär-
bigen Körpern scheint, so schwierig ist doch die Hervorbringung desselben
mit allen möglichen Bestimmungen der Individualität, indem außer der
Farbe auch noch die Affektionen z. B. der Mattheit und des Glanzes
ausgedrückt seyn wollen.

nicht beobachtet. Ebenſowenig die Maler aus dem vierzehnten und
fünfzehnten Jahrhundert, z. B. Pietro Perugino, Raphaels Lehrer,
(Gemälde in Dresden). Auch in Raphaels Gemälden iſt die Luftper-
ſpektive nur mäßig beobachtet.

Das Helldunkel bezieht ſich auf die Flächenwirkungen des allge-
meinen Lichts, die den Schein des Körperlichen hervorbringen. Das
Licht iſt in dem Helldunkel noch immer das bloß Beleuchtende des
Körpers, und macht bloß die Wirkung des Körpers, ohne er ſelbſt
wahrhaft zu ſeyn. Die dritte Form iſt alſo, wie immer, ſo auch
hier diejenige, welche die dritte Dimenſion beſtimmt, oder das Licht
verkörpert, Licht und Körper alſo als wahrhaft eins darſtellt. Dieſe
Form iſt das Colorit. Das Colorit bezieht ſich nicht auf das all-
gemeine, hellere oder dunklere, Licht des Ganzen; ſeine Grundlage
ſind die Localfarben der Gegenſtände, obgleich, wie ſchon bei dem
Helldunkel bemerkt wurde, dieſe auch wieder auf das allgemeine Licht
zurückwirken und auf die Erſcheinungen des Helldunkels einen beſtim-
menden Einfluß haben.

Wir werden die Stufen, in welchen das Licht ſich dem Körper
vermählt, in der Folge noch genauer beſtimmen müſſen. Hier will ich
eben deßhalb bloß das Allgemeine davon angeben.

An den unorganiſchen Körpern, den Mineralien, finden ſich
großentheils noch die urſprünglichſten, einfachſten und reinſten Farben.
Das allgemeinſte Färbungsmittel der Natur ſcheinen die Metalle zu ſeyn;
da aber, wo der Charakter der Metallität am vollkommenſten verſchwin-
det, geht ſie zur völligen Durchſichtigkeit über. Eigenthümliches Colorit
und lebendige Farbengebung erſcheint erſt an den Blüthen und manchen
Früchten der Pflanzen, dann an den Federn der Vögel, welche
ſelbſt ein pflanzenartiges Gewächs ſind, in den farbigen Bedeckungen
der Thiere u. ſ. w. So einfach die Kunſt des Colorits bei einfär-
bigen Körpern ſcheint, ſo ſchwierig iſt doch die Hervorbringung deſſelben
mit allen möglichen Beſtimmungen der Individualität, indem außer der
Farbe auch noch die Affektionen z. B. der Mattheit und des Glanzes
ausgedrückt ſeyn wollen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0215" n="539"/>
nicht beobachtet. Eben&#x017F;owenig die Maler aus dem vierzehnten und<lb/>
fünfzehnten Jahrhundert, z. B. Pietro Perugino, Raphaels Lehrer,<lb/>
(Gemälde in Dresden). Auch in Raphaels Gemälden i&#x017F;t die Luftper-<lb/>
&#x017F;pektive nur mäßig beobachtet.</p><lb/>
            <p>Das Helldunkel bezieht &#x017F;ich auf die Flächenwirkungen des allge-<lb/>
meinen Lichts, die den Schein des Körperlichen hervorbringen. Das<lb/>
Licht i&#x017F;t in dem Helldunkel noch immer das bloß <hi rendition="#g">Beleuchtende</hi> des<lb/>
Körpers, und macht bloß die <hi rendition="#g">Wirkung</hi> des Körpers, ohne er &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
wahrhaft zu &#x017F;eyn. Die <hi rendition="#g">dritte</hi> Form i&#x017F;t al&#x017F;o, wie immer, &#x017F;o auch<lb/>
hier diejenige, welche die dritte Dimen&#x017F;ion be&#x017F;timmt, oder das Licht<lb/>
verkörpert, Licht und Körper al&#x017F;o als wahrhaft eins dar&#x017F;tellt. Die&#x017F;e<lb/>
Form i&#x017F;t das <hi rendition="#g">Colorit</hi>. Das Colorit bezieht &#x017F;ich nicht auf das all-<lb/>
gemeine, hellere oder dunklere, Licht des Ganzen; &#x017F;eine Grundlage<lb/>
&#x017F;ind die Localfarben der Gegen&#x017F;tände, obgleich, wie &#x017F;chon bei dem<lb/>
Helldunkel bemerkt wurde, die&#x017F;e auch wieder auf das allgemeine Licht<lb/>
zurückwirken und auf die Er&#x017F;cheinungen des Helldunkels einen be&#x017F;tim-<lb/>
menden Einfluß haben.</p><lb/>
            <p>Wir werden die Stufen, in welchen das Licht &#x017F;ich dem Körper<lb/>
vermählt, in der Folge noch genauer be&#x017F;timmen mü&#x017F;&#x017F;en. Hier will ich<lb/>
eben deßhalb bloß das Allgemeine davon angeben.</p><lb/>
            <p>An den unorgani&#x017F;chen Körpern, den <hi rendition="#g">Mineralien</hi>, finden &#x017F;ich<lb/>
großentheils noch die ur&#x017F;prünglich&#x017F;ten, einfach&#x017F;ten und rein&#x017F;ten Farben.<lb/>
Das allgemein&#x017F;te Färbungsmittel der Natur &#x017F;cheinen die Metalle zu &#x017F;eyn;<lb/>
da aber, wo der Charakter der Metallität am vollkommen&#x017F;ten ver&#x017F;chwin-<lb/>
det, geht &#x017F;ie zur völligen Durch&#x017F;ichtigkeit über. Eigenthümliches Colorit<lb/>
und lebendige Farbengebung er&#x017F;cheint er&#x017F;t an den Blüthen und manchen<lb/>
Früchten der <hi rendition="#g">Pflanzen</hi>, dann an den Federn der <hi rendition="#g">Vögel</hi>, welche<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ein pflanzenartiges Gewächs &#x017F;ind, in den farbigen Bedeckungen<lb/>
der <hi rendition="#g">Thiere</hi> u. &#x017F;. w. So einfach die Kun&#x017F;t des Colorits bei einfär-<lb/>
bigen Körpern &#x017F;cheint, &#x017F;o &#x017F;chwierig i&#x017F;t doch die Hervorbringung de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
mit allen möglichen Be&#x017F;timmungen der Individualität, indem außer der<lb/>
Farbe auch noch die Affektionen z. B. der Mattheit und des Glanzes<lb/>
ausgedrückt &#x017F;eyn wollen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[539/0215] nicht beobachtet. Ebenſowenig die Maler aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert, z. B. Pietro Perugino, Raphaels Lehrer, (Gemälde in Dresden). Auch in Raphaels Gemälden iſt die Luftper- ſpektive nur mäßig beobachtet. Das Helldunkel bezieht ſich auf die Flächenwirkungen des allge- meinen Lichts, die den Schein des Körperlichen hervorbringen. Das Licht iſt in dem Helldunkel noch immer das bloß Beleuchtende des Körpers, und macht bloß die Wirkung des Körpers, ohne er ſelbſt wahrhaft zu ſeyn. Die dritte Form iſt alſo, wie immer, ſo auch hier diejenige, welche die dritte Dimenſion beſtimmt, oder das Licht verkörpert, Licht und Körper alſo als wahrhaft eins darſtellt. Dieſe Form iſt das Colorit. Das Colorit bezieht ſich nicht auf das all- gemeine, hellere oder dunklere, Licht des Ganzen; ſeine Grundlage ſind die Localfarben der Gegenſtände, obgleich, wie ſchon bei dem Helldunkel bemerkt wurde, dieſe auch wieder auf das allgemeine Licht zurückwirken und auf die Erſcheinungen des Helldunkels einen beſtim- menden Einfluß haben. Wir werden die Stufen, in welchen das Licht ſich dem Körper vermählt, in der Folge noch genauer beſtimmen müſſen. Hier will ich eben deßhalb bloß das Allgemeine davon angeben. An den unorganiſchen Körpern, den Mineralien, finden ſich großentheils noch die urſprünglichſten, einfachſten und reinſten Farben. Das allgemeinſte Färbungsmittel der Natur ſcheinen die Metalle zu ſeyn; da aber, wo der Charakter der Metallität am vollkommenſten verſchwin- det, geht ſie zur völligen Durchſichtigkeit über. Eigenthümliches Colorit und lebendige Farbengebung erſcheint erſt an den Blüthen und manchen Früchten der Pflanzen, dann an den Federn der Vögel, welche ſelbſt ein pflanzenartiges Gewächs ſind, in den farbigen Bedeckungen der Thiere u. ſ. w. So einfach die Kunſt des Colorits bei einfär- bigen Körpern ſcheint, ſo ſchwierig iſt doch die Hervorbringung deſſelben mit allen möglichen Beſtimmungen der Individualität, indem außer der Farbe auch noch die Affektionen z. B. der Mattheit und des Glanzes ausgedrückt ſeyn wollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/215
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/215>, abgerufen am 18.12.2024.