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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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wie ein alter Epigrammatist sagt, weil die Liebe dem Harpokrates, dem
Gott des Stillschweigens, die Rose gab, damit die Ausschweifungen
der Venus möchten verschwiegen bleiben. Daher bei den Alten eine
Rose bei Fröhlichkeiten über die Tische aufgehängt wurde zum Zeichen,
daß, was gesprochen würde, als unter Freunden geheim bleiben sollte.

Unter die moralischen Allegorien rechne ich alle, welche allge-
mein menschliche Verhältnisse andeuteten. So wurde das Schicksal vor-
gestellt durch die Lachesis, welche die Spindel drehend auf einer komi-
schen Larve sitzt und vor sich die tragische stehen hat, um die vermischten
Spiele auf der Schaubühne des Lebens anzudeuten. Ein frühzeitiger
Tod wurde durch das Bild der Aurora vorgestellt, die ein Kind in
den Armen fortträgt.

Vermittelst der Allegorie, wie des Sinnbildlichen, kann sich die
Malerei bis in die Region des Uebersinnlichen erheben. Die Belebung
des Körpers durch Einflößung der Seele ist ohne Zweifel einer
von den abgesondertsten Begriffen, der aber doch allegorisch-dichterisch
versinnlicht ist. Prometheus bildet einen Menschen von Thon, und
Minerva hält einen Schmetterling auf den Kopf desselben als Bild der
Seele, welches zugleich alle die verschiedenartigen Vorstellungen zu-
sammenfaßt, welche die Metamorphose dieses Geschöpfes erwecken kann.

Die historische Allegorie ist vorzüglich von neueren Künstlern
gebraucht, z. B. französischen (Rubens), zur Verherrlichung von Thaten
ihrer Könige, z. B. das Wiederaufleben einer Stadt durch Begünsti-
gung eines Fürsten auf alten Münzen vorgestellt durch eine weib-
liche Figur, die durch eine männliche von der Erde aufgehoben wird.
Vom höchsten Styl war das Bild des Aristides, welcher das athe-
nische Volk nach seinem ganzen Charakter zugleich als leichtsinnig und
ernst, tapfer und feig, klug und unweise darstellte, obgleich man ge-
stehen muß, daß wir uns von diesem keinen deutlichen Begriff machen
können.

Nun ist noch vom symbolischen Gemälde zu reden. Da aber
hievon bei der Plastik gesprochen wird, so beschränke ich mich hier auf
das Allgemeinste. Symbolisch ist ein Bild, dessen Gegenstand die Idee

wie ein alter Epigrammatiſt ſagt, weil die Liebe dem Harpokrates, dem
Gott des Stillſchweigens, die Roſe gab, damit die Ausſchweifungen
der Venus möchten verſchwiegen bleiben. Daher bei den Alten eine
Roſe bei Fröhlichkeiten über die Tiſche aufgehängt wurde zum Zeichen,
daß, was geſprochen würde, als unter Freunden geheim bleiben ſollte.

Unter die moraliſchen Allegorien rechne ich alle, welche allge-
mein menſchliche Verhältniſſe andeuteten. So wurde das Schickſal vor-
geſtellt durch die Lacheſis, welche die Spindel drehend auf einer komi-
ſchen Larve ſitzt und vor ſich die tragiſche ſtehen hat, um die vermiſchten
Spiele auf der Schaubühne des Lebens anzudeuten. Ein frühzeitiger
Tod wurde durch das Bild der Aurora vorgeſtellt, die ein Kind in
den Armen fortträgt.

Vermittelſt der Allegorie, wie des Sinnbildlichen, kann ſich die
Malerei bis in die Region des Ueberſinnlichen erheben. Die Belebung
des Körpers durch Einflößung der Seele iſt ohne Zweifel einer
von den abgeſondertſten Begriffen, der aber doch allegoriſch-dichteriſch
verſinnlicht iſt. Prometheus bildet einen Menſchen von Thon, und
Minerva hält einen Schmetterling auf den Kopf deſſelben als Bild der
Seele, welches zugleich alle die verſchiedenartigen Vorſtellungen zu-
ſammenfaßt, welche die Metamorphoſe dieſes Geſchöpfes erwecken kann.

Die hiſtoriſche Allegorie iſt vorzüglich von neueren Künſtlern
gebraucht, z. B. franzöſiſchen (Rubens), zur Verherrlichung von Thaten
ihrer Könige, z. B. das Wiederaufleben einer Stadt durch Begünſti-
gung eines Fürſten auf alten Münzen vorgeſtellt durch eine weib-
liche Figur, die durch eine männliche von der Erde aufgehoben wird.
Vom höchſten Styl war das Bild des Ariſtides, welcher das athe-
niſche Volk nach ſeinem ganzen Charakter zugleich als leichtſinnig und
ernſt, tapfer und feig, klug und unweiſe darſtellte, obgleich man ge-
ſtehen muß, daß wir uns von dieſem keinen deutlichen Begriff machen
können.

Nun iſt noch vom ſymboliſchen Gemälde zu reden. Da aber
hievon bei der Plaſtik geſprochen wird, ſo beſchränke ich mich hier auf
das Allgemeinſte. Symboliſch iſt ein Bild, deſſen Gegenſtand die Idee

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[554/0230] wie ein alter Epigrammatiſt ſagt, weil die Liebe dem Harpokrates, dem Gott des Stillſchweigens, die Roſe gab, damit die Ausſchweifungen der Venus möchten verſchwiegen bleiben. Daher bei den Alten eine Roſe bei Fröhlichkeiten über die Tiſche aufgehängt wurde zum Zeichen, daß, was geſprochen würde, als unter Freunden geheim bleiben ſollte. Unter die moraliſchen Allegorien rechne ich alle, welche allge- mein menſchliche Verhältniſſe andeuteten. So wurde das Schickſal vor- geſtellt durch die Lacheſis, welche die Spindel drehend auf einer komi- ſchen Larve ſitzt und vor ſich die tragiſche ſtehen hat, um die vermiſchten Spiele auf der Schaubühne des Lebens anzudeuten. Ein frühzeitiger Tod wurde durch das Bild der Aurora vorgeſtellt, die ein Kind in den Armen fortträgt. Vermittelſt der Allegorie, wie des Sinnbildlichen, kann ſich die Malerei bis in die Region des Ueberſinnlichen erheben. Die Belebung des Körpers durch Einflößung der Seele iſt ohne Zweifel einer von den abgeſondertſten Begriffen, der aber doch allegoriſch-dichteriſch verſinnlicht iſt. Prometheus bildet einen Menſchen von Thon, und Minerva hält einen Schmetterling auf den Kopf deſſelben als Bild der Seele, welches zugleich alle die verſchiedenartigen Vorſtellungen zu- ſammenfaßt, welche die Metamorphoſe dieſes Geſchöpfes erwecken kann. Die hiſtoriſche Allegorie iſt vorzüglich von neueren Künſtlern gebraucht, z. B. franzöſiſchen (Rubens), zur Verherrlichung von Thaten ihrer Könige, z. B. das Wiederaufleben einer Stadt durch Begünſti- gung eines Fürſten auf alten Münzen vorgeſtellt durch eine weib- liche Figur, die durch eine männliche von der Erde aufgehoben wird. Vom höchſten Styl war das Bild des Ariſtides, welcher das athe- niſche Volk nach ſeinem ganzen Charakter zugleich als leichtſinnig und ernſt, tapfer und feig, klug und unweiſe darſtellte, obgleich man ge- ſtehen muß, daß wir uns von dieſem keinen deutlichen Begriff machen können. Nun iſt noch vom ſymboliſchen Gemälde zu reden. Da aber hievon bei der Plaſtik geſprochen wird, ſo beſchränke ich mich hier auf das Allgemeinſte. Symboliſch iſt ein Bild, deſſen Gegenſtand die Idee

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/230>, abgerufen am 21.11.2024.