unterliege, und umgekehrt die Freiheit überwinde, ohne daß der Gang der Nothwendigkeit unterbrochen werde. Denn dieselbe Person, welche durch die Nothwendigkeit unterliegt, kann sich durch die Gesinnung wieder über sie erheben, so daß beide, besiegt und siegend zugleich, in ihrer höchsten Indifferenz erscheinen.
Im Allgemeinen also ist die menschliche Natur das einzige Mittel der Darstellung jenes Verhältnisses. Es fragt sich aber, in welchen Verhältnissen die menschliche Natur selbst fähig sey jene Macht der Freiheit zu zeigen, die, unabhängig von der Nothwendigkeit, zugleich, indem diese triumphirt, siegreich ihr Haupt erhebt.
Ueber alles Günstige, dem Subjekt Angemessene wird die Freiheit mit der Nothwendigkeit einig seyn. Im Glück kann also die Freiheit weder im wahren Widerstreit noch in der wahren Gleichheit mit der Nothwendigkeit erscheinen. Nur dann wird sie auf diese Weise offenbar, wenn die Nothwendigkeit das Ueble verhängt, und die Freiheit, sich über diesen Sieg erhebend, freiwillig das Uebel übernimmt, sofern es nothwendig ist, sich also als Freiheit dennoch der Nothwendigkeit gleichstellt.
Jene höchste Erscheinung der menschlichen Natur durch die Kunst wird also nie möglich seyn, als wo die Tapferkeit und Größe der Ge- sinnung über das Unglück siegt, und aus dem Kampf, welcher das Subjekt zu vernichten droht, die Freiheit als absolute Freiheit, für die es keinen Widerstreit gibt, hervorgeht.
Aber ferner: welcher Art und Form wird die Darstellung dieser Erhebung der Freiheit zur vollkommenen Gleichheit mit der Nothwen- digkeit seyn müssen? -- Im epischen Gedicht wird die reine Noth- wendigkeit, die deßwegen selbst nicht als Nothwendigkeit erscheint, weil Nothwendigkeit nur ein durch Gegensatz bestimmbarer Begriff ist -- es wird die reine Identität als solche dargestellt. Die Nothwen- digkeit aber ist sich selbst gleich und beständig, so daß auch der Ge- danke der Nothwendigkeit in dem Sinn, in welchem sie im epischen Gedicht herrschend ist, als einer ewig gleichmäßig fließenden Iden- tität, keine Bewegung der Seele verursacht, sondern sie ganz ruhig
unterliege, und umgekehrt die Freiheit überwinde, ohne daß der Gang der Nothwendigkeit unterbrochen werde. Denn dieſelbe Perſon, welche durch die Nothwendigkeit unterliegt, kann ſich durch die Geſinnung wieder über ſie erheben, ſo daß beide, beſiegt und ſiegend zugleich, in ihrer höchſten Indifferenz erſcheinen.
Im Allgemeinen alſo iſt die menſchliche Natur das einzige Mittel der Darſtellung jenes Verhältniſſes. Es fragt ſich aber, in welchen Verhältniſſen die menſchliche Natur ſelbſt fähig ſey jene Macht der Freiheit zu zeigen, die, unabhängig von der Nothwendigkeit, zugleich, indem dieſe triumphirt, ſiegreich ihr Haupt erhebt.
Ueber alles Günſtige, dem Subjekt Angemeſſene wird die Freiheit mit der Nothwendigkeit einig ſeyn. Im Glück kann alſo die Freiheit weder im wahren Widerſtreit noch in der wahren Gleichheit mit der Nothwendigkeit erſcheinen. Nur dann wird ſie auf dieſe Weiſe offenbar, wenn die Nothwendigkeit das Ueble verhängt, und die Freiheit, ſich über dieſen Sieg erhebend, freiwillig das Uebel übernimmt, ſofern es nothwendig iſt, ſich alſo als Freiheit dennoch der Nothwendigkeit gleichſtellt.
Jene höchſte Erſcheinung der menſchlichen Natur durch die Kunſt wird alſo nie möglich ſeyn, als wo die Tapferkeit und Größe der Ge- ſinnung über das Unglück ſiegt, und aus dem Kampf, welcher das Subjekt zu vernichten droht, die Freiheit als abſolute Freiheit, für die es keinen Widerſtreit gibt, hervorgeht.
Aber ferner: welcher Art und Form wird die Darſtellung dieſer Erhebung der Freiheit zur vollkommenen Gleichheit mit der Nothwen- digkeit ſeyn müſſen? — Im epiſchen Gedicht wird die reine Noth- wendigkeit, die deßwegen ſelbſt nicht als Nothwendigkeit erſcheint, weil Nothwendigkeit nur ein durch Gegenſatz beſtimmbarer Begriff iſt — es wird die reine Identität als ſolche dargeſtellt. Die Nothwen- digkeit aber iſt ſich ſelbſt gleich und beſtändig, ſo daß auch der Ge- danke der Nothwendigkeit in dem Sinn, in welchem ſie im epiſchen Gedicht herrſchend iſt, als einer ewig gleichmäßig fließenden Iden- tität, keine Bewegung der Seele verurſacht, ſondern ſie ganz ruhig
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unterliege, und umgekehrt die Freiheit überwinde, ohne daß der Gang
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wieder über ſie erheben, ſo daß beide, beſiegt und ſiegend zugleich, in
ihrer höchſten Indifferenz erſcheinen.
Im Allgemeinen alſo iſt die menſchliche Natur das einzige Mittel
der Darſtellung jenes Verhältniſſes. Es fragt ſich aber, in welchen
Verhältniſſen die menſchliche Natur ſelbſt fähig ſey jene Macht der
Freiheit zu zeigen, die, unabhängig von der Nothwendigkeit, zugleich,
indem dieſe triumphirt, ſiegreich ihr Haupt erhebt.
Ueber alles Günſtige, dem Subjekt Angemeſſene wird die Freiheit
mit der Nothwendigkeit einig ſeyn. Im Glück kann alſo die Freiheit
weder im wahren Widerſtreit noch in der wahren Gleichheit mit der
Nothwendigkeit erſcheinen. Nur dann wird ſie auf dieſe Weiſe offenbar,
wenn die Nothwendigkeit das Ueble verhängt, und die Freiheit, ſich
über dieſen Sieg erhebend, freiwillig das Uebel übernimmt, ſofern
es nothwendig iſt, ſich alſo als Freiheit dennoch der Nothwendigkeit
gleichſtellt.
Jene höchſte Erſcheinung der menſchlichen Natur durch die Kunſt
wird alſo nie möglich ſeyn, als wo die Tapferkeit und Größe der Ge-
ſinnung über das Unglück ſiegt, und aus dem Kampf, welcher das
Subjekt zu vernichten droht, die Freiheit als abſolute Freiheit, für die
es keinen Widerſtreit gibt, hervorgeht.
Aber ferner: welcher Art und Form wird die Darſtellung dieſer
Erhebung der Freiheit zur vollkommenen Gleichheit mit der Nothwen-
digkeit ſeyn müſſen? — Im epiſchen Gedicht wird die reine Noth-
wendigkeit, die deßwegen ſelbſt nicht als Nothwendigkeit erſcheint,
weil Nothwendigkeit nur ein durch Gegenſatz beſtimmbarer Begriff iſt
— es wird die reine Identität als ſolche dargeſtellt. Die Nothwen-
digkeit aber iſt ſich ſelbſt gleich und beſtändig, ſo daß auch der Ge-
danke der Nothwendigkeit in dem Sinn, in welchem ſie im epiſchen
Gedicht herrſchend iſt, als einer ewig gleichmäßig fließenden Iden-
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/367>, abgerufen am 22.11.2024.
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