Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.weil es ihnen in der Regel an der Idee der Kunst und der Schönheit Noch mehr ist ein ernster, aus Ideen geschöpfter Unterricht über Nur die Philosophie kann die für die Produktion großentheils ver- Ich halte nicht für unnöthig die Gründe noch anzugeben, welche Vor allem bitte ich Sie, diese Wissenschaft der Kunst mit nichts Vor Kant war alle Kunstlehre in Deutschland ein bloßer Abkömm- weil es ihnen in der Regel an der Idee der Kunſt und der Schönheit Noch mehr iſt ein ernſter, aus Ideen geſchöpfter Unterricht über Nur die Philoſophie kann die für die Produktion großentheils ver- Ich halte nicht für unnöthig die Gründe noch anzugeben, welche Vor allem bitte ich Sie, dieſe Wiſſenſchaft der Kunſt mit nichts Vor Kant war alle Kunſtlehre in Deutſchland ein bloßer Abkömm- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0037" n="361"/> weil es ihnen in der Regel an der Idee der Kunſt und der Schönheit<lb/> gebricht. Und eben dieſe, ſelbſt unter denen, welche die Kunſt aus-<lb/> üben, herrſchende Uneinigkeit iſt ein dringender Beſtimmungsgrund, die<lb/> wahre Idee und die Principien der Kunſt in der Wiſſenſchaft zu<lb/> ſuchen.</p><lb/> <p>Noch mehr iſt ein ernſter, aus Ideen geſchöpfter Unterricht über<lb/> Kunſt nöthig in dieſem Zeitalter des literariſchen Bauernkriegs, der<lb/> gegen alles Hohe, Große, auf Ideen Gegründete, ja gegen die Schön-<lb/> heit in der Poeſie und Kunſt ſelbſt geführt wird, wo das Frivole,<lb/> Sinnenreizende oder auf niederträchtige Art Edele die Götzen ſind,<lb/> welchen die größte Verehrung gezollt wird.</p><lb/> <p>Nur die Philoſophie kann die für die Produktion großentheils ver-<lb/> ſiegten Urquellen der Kunſt für die Reflexion wieder öffnen. Nur<lb/> durch Philoſophie können wir hoffen, eine wahre Wiſſenſchaft der Kunſt<lb/> zu erlangen, nicht als ob die Philoſophie den Sinn geben könnte, den<lb/> nur ein Gott geben kann, nicht als ob ſie das Urtheil demjenigen ver-<lb/> leihen könnte, dem es die Natur verſagt hat, ſondern daß ſie auf eine<lb/> unveränderliche Weiſe in Ideen ausſpricht, was der wahre Kunſt-<lb/> ſinn im Concreten anſchaut, und wodurch das ächte Urtheil beſtimmt<lb/> wird.</p><lb/> <p>Ich halte nicht für unnöthig die Gründe noch anzugeben, welche<lb/> mich <hi rendition="#g">insbeſondere</hi> beſtimmt haben, ſowohl dieſe Wiſſenſchaft zu<lb/> bearbeiten, als dieſe Vorträge darüber zu halten.</p><lb/> <p>Vor allem bitte ich <hi rendition="#g">Sie</hi>, dieſe Wiſſenſchaft der Kunſt mit nichts<lb/> von all dem zu verwechſeln, was man bisher unter dieſem Namen oder<lb/> irgend einem andern als Aeſthetik oder Theorie der ſchönen Künſte<lb/> und Wiſſenſchaften vorgetragen hat. Noch exiſtirt überall keine wiſſen-<lb/> ſchaftliche und philoſophiſche Kunſtlehre; höchſtens exiſtiren Bruchſtücke<lb/> einer ſolchen, und auch dieſe ſind noch wenig verſtanden, und können<lb/> nicht anders als im Zuſammenhang eines Ganzen verſtanden werden.</p><lb/> <p>Vor Kant war alle Kunſtlehre in Deutſchland ein bloßer Abkömm-<lb/> ling der Baumgartenſchen Aeſthetik — denn dieſer Ausdruck wurde<lb/> zuerſt von Baumgarten gebraucht. Zur Beurtheilung derſelben reicht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [361/0037]
weil es ihnen in der Regel an der Idee der Kunſt und der Schönheit
gebricht. Und eben dieſe, ſelbſt unter denen, welche die Kunſt aus-
üben, herrſchende Uneinigkeit iſt ein dringender Beſtimmungsgrund, die
wahre Idee und die Principien der Kunſt in der Wiſſenſchaft zu
ſuchen.
Noch mehr iſt ein ernſter, aus Ideen geſchöpfter Unterricht über
Kunſt nöthig in dieſem Zeitalter des literariſchen Bauernkriegs, der
gegen alles Hohe, Große, auf Ideen Gegründete, ja gegen die Schön-
heit in der Poeſie und Kunſt ſelbſt geführt wird, wo das Frivole,
Sinnenreizende oder auf niederträchtige Art Edele die Götzen ſind,
welchen die größte Verehrung gezollt wird.
Nur die Philoſophie kann die für die Produktion großentheils ver-
ſiegten Urquellen der Kunſt für die Reflexion wieder öffnen. Nur
durch Philoſophie können wir hoffen, eine wahre Wiſſenſchaft der Kunſt
zu erlangen, nicht als ob die Philoſophie den Sinn geben könnte, den
nur ein Gott geben kann, nicht als ob ſie das Urtheil demjenigen ver-
leihen könnte, dem es die Natur verſagt hat, ſondern daß ſie auf eine
unveränderliche Weiſe in Ideen ausſpricht, was der wahre Kunſt-
ſinn im Concreten anſchaut, und wodurch das ächte Urtheil beſtimmt
wird.
Ich halte nicht für unnöthig die Gründe noch anzugeben, welche
mich insbeſondere beſtimmt haben, ſowohl dieſe Wiſſenſchaft zu
bearbeiten, als dieſe Vorträge darüber zu halten.
Vor allem bitte ich Sie, dieſe Wiſſenſchaft der Kunſt mit nichts
von all dem zu verwechſeln, was man bisher unter dieſem Namen oder
irgend einem andern als Aeſthetik oder Theorie der ſchönen Künſte
und Wiſſenſchaften vorgetragen hat. Noch exiſtirt überall keine wiſſen-
ſchaftliche und philoſophiſche Kunſtlehre; höchſtens exiſtiren Bruchſtücke
einer ſolchen, und auch dieſe ſind noch wenig verſtanden, und können
nicht anders als im Zuſammenhang eines Ganzen verſtanden werden.
Vor Kant war alle Kunſtlehre in Deutſchland ein bloßer Abkömm-
ling der Baumgartenſchen Aeſthetik — denn dieſer Ausdruck wurde
zuerſt von Baumgarten gebraucht. Zur Beurtheilung derſelben reicht
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