Poesie und den Dichtarten werde ich sogar bis zur Charakteristik ein- zelner Werke der vorzüglichsten Dichter, z. B. Shakespeares, Cervantes, Goethes herabsteigen, um so die gegenwärtige Anschauung, die uns bei jenen fehlt, hier zu ersetzen.
In der allgemeinen Philosophie freuen wir uns, das strenge Ant- litz der Wahrheit an und für sich selbst zu sehen, in dieser besondern Sphäre der Philosophie, welche die Philosophie der Kunst begrenzt, ge- langen wir zur Anschauung der ewigen Schönheit und der Urbilder alles Schönen.
Die Philosophie ist die Grundlage von allem und befaßt alles; sie erstreckt ihre Construktion auf alle Potenzen und Gegenstände des Wissens; nur durch sie gelangt man zum Höchsten. Durch die Kunstlehre bildet sich innerhalb der Philosophie selbst ein engerer Kreis, in dem wir unmittelbarer das Ewige gleichsam in sichtbarer Gestalt schauen, und so steht diese richtig verstanden mit der Philosophie selbst im vollkommensten Einklang.
Schon in dem bisher Vorgetragenen lag zum Theil die Andeutung dessen, was Philosophie der Kunst sey; es ist aber nöthig, mich jetzt ausdrücklicher darüber zu erklären. Ich werde die Frage in der größten Allgemeinheit so stellen: Wie ist Philosophie der Kunst mög- lich? (denn Beweis der Möglichkeit in Ansehung der Wissenschaft auch Wirklichkeit).
Jeder sieht ein, daß in dem Begriff einer Philosophie der Kunst Entgegengesetztes verbunden werde. Die Kunst ist das Reale, Objek- tive, die Philosophie das Ideale, Subjektive. Man könnte also die Aufgabe der Philosophie der Kunst zum voraus schon so bestimmen: das Reale, welches in der Kunst ist, im Idealen darzustellen. Allein die Frage ist nun eben, was es heiße: ein Reales im Idea- len darzustellen, und ehe wir dieß wissen, sind wir über den Begriff der Philosophie der Kunst noch nicht im Reinen. Wir haben also die ganze Untersuchung noch tiefer anzufassen. -- Da Darstellung im Idealen überhaupt = Construiren, auch die Philosophie der Kunst = Construktion der Kunst seyn soll, so wird diese Untersuchung
Poeſie und den Dichtarten werde ich ſogar bis zur Charakteriſtik ein- zelner Werke der vorzüglichſten Dichter, z. B. Shakeſpeares, Cervantes, Goethes herabſteigen, um ſo die gegenwärtige Anſchauung, die uns bei jenen fehlt, hier zu erſetzen.
In der allgemeinen Philoſophie freuen wir uns, das ſtrenge Ant- litz der Wahrheit an und für ſich ſelbſt zu ſehen, in dieſer beſondern Sphäre der Philoſophie, welche die Philoſophie der Kunſt begrenzt, ge- langen wir zur Anſchauung der ewigen Schönheit und der Urbilder alles Schönen.
Die Philoſophie iſt die Grundlage von allem und befaßt alles; ſie erſtreckt ihre Conſtruktion auf alle Potenzen und Gegenſtände des Wiſſens; nur durch ſie gelangt man zum Höchſten. Durch die Kunſtlehre bildet ſich innerhalb der Philoſophie ſelbſt ein engerer Kreis, in dem wir unmittelbarer das Ewige gleichſam in ſichtbarer Geſtalt ſchauen, und ſo ſteht dieſe richtig verſtanden mit der Philoſophie ſelbſt im vollkommenſten Einklang.
Schon in dem bisher Vorgetragenen lag zum Theil die Andeutung deſſen, was Philoſophie der Kunſt ſey; es iſt aber nöthig, mich jetzt ausdrücklicher darüber zu erklären. Ich werde die Frage in der größten Allgemeinheit ſo ſtellen: Wie iſt Philoſophie der Kunſt mög- lich? (denn Beweis der Möglichkeit in Anſehung der Wiſſenſchaft auch Wirklichkeit).
Jeder ſieht ein, daß in dem Begriff einer Philoſophie der Kunſt Entgegengeſetztes verbunden werde. Die Kunſt iſt das Reale, Objek- tive, die Philoſophie das Ideale, Subjektive. Man könnte alſo die Aufgabe der Philoſophie der Kunſt zum voraus ſchon ſo beſtimmen: das Reale, welches in der Kunſt iſt, im Idealen darzuſtellen. Allein die Frage iſt nun eben, was es heiße: ein Reales im Idea- len darzuſtellen, und ehe wir dieß wiſſen, ſind wir über den Begriff der Philoſophie der Kunſt noch nicht im Reinen. Wir haben alſo die ganze Unterſuchung noch tiefer anzufaſſen. — Da Darſtellung im Idealen überhaupt = Conſtruiren, auch die Philoſophie der Kunſt = Conſtruktion der Kunſt ſeyn ſoll, ſo wird dieſe Unterſuchung
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Poeſie und den Dichtarten werde ich ſogar bis zur Charakteriſtik ein-
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Goethes herabſteigen, um ſo die gegenwärtige Anſchauung, die uns bei
jenen fehlt, hier zu erſetzen.
In der allgemeinen Philoſophie freuen wir uns, das ſtrenge Ant-
litz der Wahrheit an und für ſich ſelbſt zu ſehen, in dieſer beſondern
Sphäre der Philoſophie, welche die Philoſophie der Kunſt begrenzt, ge-
langen wir zur Anſchauung der ewigen Schönheit und der Urbilder
alles Schönen.
Die Philoſophie iſt die Grundlage von allem und befaßt alles;
ſie erſtreckt ihre Conſtruktion auf alle Potenzen und Gegenſtände
des Wiſſens; nur durch ſie gelangt man zum Höchſten. Durch die
Kunſtlehre bildet ſich innerhalb der Philoſophie ſelbſt ein engerer Kreis,
in dem wir unmittelbarer das Ewige gleichſam in ſichtbarer Geſtalt
ſchauen, und ſo ſteht dieſe richtig verſtanden mit der Philoſophie ſelbſt
im vollkommenſten Einklang.
Schon in dem bisher Vorgetragenen lag zum Theil die Andeutung
deſſen, was Philoſophie der Kunſt ſey; es iſt aber nöthig, mich jetzt
ausdrücklicher darüber zu erklären. Ich werde die Frage in der größten
Allgemeinheit ſo ſtellen: Wie iſt Philoſophie der Kunſt mög-
lich? (denn Beweis der Möglichkeit in Anſehung der Wiſſenſchaft auch
Wirklichkeit).
Jeder ſieht ein, daß in dem Begriff einer Philoſophie der Kunſt
Entgegengeſetztes verbunden werde. Die Kunſt iſt das Reale, Objek-
tive, die Philoſophie das Ideale, Subjektive. Man könnte alſo die
Aufgabe der Philoſophie der Kunſt zum voraus ſchon ſo beſtimmen: das
Reale, welches in der Kunſt iſt, im Idealen darzuſtellen.
Allein die Frage iſt nun eben, was es heiße: ein Reales im Idea-
len darzuſtellen, und ehe wir dieß wiſſen, ſind wir über den Begriff
der Philoſophie der Kunſt noch nicht im Reinen. Wir haben alſo die
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Idealen überhaupt = Conſtruiren, auch die Philoſophie der Kunſt
= Conſtruktion der Kunſt ſeyn ſoll, ſo wird dieſe Unterſuchung
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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