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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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das warme innere Leben der Natur unsere Sinne erfüllt, in das Bild
der Vesta. Auch die ungeheuren Erzeugungen der noch nicht gemäßigten,
aber durch Jupiters Macht gebändigten Natur ziehen sich in den Ti-
tanen zusammen, deren sich noch regende Glieder Erschütterungen der
festen Erde bewirken. Die Ansicht der Natur als eines unter vielfach
wechselnden Gestalten doch immer sich selbst gleichen Ganzen ist in der
Gestalt des Proteus fixirt, der nur denen, die unter jeder Verwand-
lung ihn mit starken Armen festhielten, zuletzt in der Urgestalt erschien
und ihnen das Wahre entdeckte. Die Göttlichkeit, welche auch die
Natur in dieser Phantasiewelt erhält, erlaubt auch Verwandlungen der
Götter in Thiergestalten, obgleich die griechische Phantasie niemals,
wie die ägyptische, die Götter in lauter Thiergestalten verhüllen konnte.
Die Totalität forderte, daß in keiner Umgebung etwas der Phantasie-
welt Widersprechendes wäre, deßhalb mußte die Vergötterung der
Naturdinge nothwendig bis ins Einzelnste fortgesetzt werden, Bäume,
Felsen, Berge, Flüsse, auch einzelne Quellen von göttlichen Naturen
bewohnt seyn (Genien als Mittelglieder). Die kühnen Spiele der
Natur selbst, indem sie nicht selten ihr eignes Ideal auf den Kopf
stellt, wo sie mit überfließender Kraft gleichsam verschwenden kann,
erneuern sich in der üppigen Fülle der Phantasie, die das Ganze ihrer
Welt zuletzt mit den schalkhaften, halb thierischen und halb menschlichen
Bildungen der Satyrn und Faunen schloß. Indem hier die mensch-
liche Gestalt zur thierischen herabgezogen wird, die nur den Ausdruck
der sinnlichen Begier, der Sorglosigkeit in ihren Zügen erkennen läßt,
entsteht die entgegengesetzte Wirkung von der, welche durch die Hinauf-
bildung derselben Gestalt zum Göttlichen erreicht wurde. Auch hier
fordert die Totalität Befriedigung der Phantasie durch Gegensatz. End-
lich erscheint auch noch das Umgekehrte, Vereinigung ganz thierischer
Leiber mit sinnigem Antlitz, in den Sphinxen.

Zuletzt mußten sich die Verwicklungen der Götter auch noch bis
in die menschlichen Verhältnisse herein erstrecken. Nicht nur besonders
geheiligte Plätze, damit auf diese Weise die ganze Natur geweiht und
in eine höhere Welt gehoben würde, sondern auch Theilnahme der

das warme innere Leben der Natur unſere Sinne erfüllt, in das Bild
der Veſta. Auch die ungeheuren Erzeugungen der noch nicht gemäßigten,
aber durch Jupiters Macht gebändigten Natur ziehen ſich in den Ti-
tanen zuſammen, deren ſich noch regende Glieder Erſchütterungen der
feſten Erde bewirken. Die Anſicht der Natur als eines unter vielfach
wechſelnden Geſtalten doch immer ſich ſelbſt gleichen Ganzen iſt in der
Geſtalt des Proteus fixirt, der nur denen, die unter jeder Verwand-
lung ihn mit ſtarken Armen feſthielten, zuletzt in der Urgeſtalt erſchien
und ihnen das Wahre entdeckte. Die Göttlichkeit, welche auch die
Natur in dieſer Phantaſiewelt erhält, erlaubt auch Verwandlungen der
Götter in Thiergeſtalten, obgleich die griechiſche Phantaſie niemals,
wie die ägyptiſche, die Götter in lauter Thiergeſtalten verhüllen konnte.
Die Totalität forderte, daß in keiner Umgebung etwas der Phantaſie-
welt Widerſprechendes wäre, deßhalb mußte die Vergötterung der
Naturdinge nothwendig bis ins Einzelnſte fortgeſetzt werden, Bäume,
Felſen, Berge, Flüſſe, auch einzelne Quellen von göttlichen Naturen
bewohnt ſeyn (Genien als Mittelglieder). Die kühnen Spiele der
Natur ſelbſt, indem ſie nicht ſelten ihr eignes Ideal auf den Kopf
ſtellt, wo ſie mit überfließender Kraft gleichſam verſchwenden kann,
erneuern ſich in der üppigen Fülle der Phantaſie, die das Ganze ihrer
Welt zuletzt mit den ſchalkhaften, halb thieriſchen und halb menſchlichen
Bildungen der Satyrn und Faunen ſchloß. Indem hier die menſch-
liche Geſtalt zur thieriſchen herabgezogen wird, die nur den Ausdruck
der ſinnlichen Begier, der Sorgloſigkeit in ihren Zügen erkennen läßt,
entſteht die entgegengeſetzte Wirkung von der, welche durch die Hinauf-
bildung derſelben Geſtalt zum Göttlichen erreicht wurde. Auch hier
fordert die Totalität Befriedigung der Phantaſie durch Gegenſatz. End-
lich erſcheint auch noch das Umgekehrte, Vereinigung ganz thieriſcher
Leiber mit ſinnigem Antlitz, in den Sphinxen.

Zuletzt mußten ſich die Verwicklungen der Götter auch noch bis
in die menſchlichen Verhältniſſe herein erſtrecken. Nicht nur beſonders
geheiligte Plätze, damit auf dieſe Weiſe die ganze Natur geweiht und
in eine höhere Welt gehoben würde, ſondern auch Theilnahme der

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[404/0080] das warme innere Leben der Natur unſere Sinne erfüllt, in das Bild der Veſta. Auch die ungeheuren Erzeugungen der noch nicht gemäßigten, aber durch Jupiters Macht gebändigten Natur ziehen ſich in den Ti- tanen zuſammen, deren ſich noch regende Glieder Erſchütterungen der feſten Erde bewirken. Die Anſicht der Natur als eines unter vielfach wechſelnden Geſtalten doch immer ſich ſelbſt gleichen Ganzen iſt in der Geſtalt des Proteus fixirt, der nur denen, die unter jeder Verwand- lung ihn mit ſtarken Armen feſthielten, zuletzt in der Urgeſtalt erſchien und ihnen das Wahre entdeckte. Die Göttlichkeit, welche auch die Natur in dieſer Phantaſiewelt erhält, erlaubt auch Verwandlungen der Götter in Thiergeſtalten, obgleich die griechiſche Phantaſie niemals, wie die ägyptiſche, die Götter in lauter Thiergeſtalten verhüllen konnte. Die Totalität forderte, daß in keiner Umgebung etwas der Phantaſie- welt Widerſprechendes wäre, deßhalb mußte die Vergötterung der Naturdinge nothwendig bis ins Einzelnſte fortgeſetzt werden, Bäume, Felſen, Berge, Flüſſe, auch einzelne Quellen von göttlichen Naturen bewohnt ſeyn (Genien als Mittelglieder). Die kühnen Spiele der Natur ſelbſt, indem ſie nicht ſelten ihr eignes Ideal auf den Kopf ſtellt, wo ſie mit überfließender Kraft gleichſam verſchwenden kann, erneuern ſich in der üppigen Fülle der Phantaſie, die das Ganze ihrer Welt zuletzt mit den ſchalkhaften, halb thieriſchen und halb menſchlichen Bildungen der Satyrn und Faunen ſchloß. Indem hier die menſch- liche Geſtalt zur thieriſchen herabgezogen wird, die nur den Ausdruck der ſinnlichen Begier, der Sorgloſigkeit in ihren Zügen erkennen läßt, entſteht die entgegengeſetzte Wirkung von der, welche durch die Hinauf- bildung derſelben Geſtalt zum Göttlichen erreicht wurde. Auch hier fordert die Totalität Befriedigung der Phantaſie durch Gegenſatz. End- lich erſcheint auch noch das Umgekehrte, Vereinigung ganz thieriſcher Leiber mit ſinnigem Antlitz, in den Sphinxen. Zuletzt mußten ſich die Verwicklungen der Götter auch noch bis in die menſchlichen Verhältniſſe herein erſtrecken. Nicht nur beſonders geheiligte Plätze, damit auf dieſe Weiſe die ganze Natur geweiht und in eine höhere Welt gehoben würde, ſondern auch Theilnahme der

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/80>, abgerufen am 21.11.2024.