Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

so ist klar, daß sie nicht selbst Wissenschaft seyn
könne, und wenn die realen Wissenschaften Syn¬
thesen des Philosophischen und Historischen
sind, so kann ebendeswegen die Historie selbst
nicht wieder eine solche seyn, so wenig als es
Philosophie seyn kann. Sie träte also in der
letzten Beziehung mit dieser auf gleichen Rang.

Um dieses Verhältniß noch bestimmter ein¬
zusehen, unterscheiden wir die verschiedenen
Standpuncte, auf welchen Historie gedacht
werden könnte.

Der höchste, der von uns im Vorherge¬
henden erkannt wurde, ist der religiöse oder
derjenige, in welchem die ganze Geschichte als
Werk der Vorsehung begriffen wird. Daß die¬
ser nicht in der Historie als solcher geltend ge¬
macht werden könne, folgt daraus, daß er von
dem philosophischen nicht wesentlich verschieden
ist. Es versteht sich, daß ich hiemit weder die re¬
ligiöse noch die philosophische Construction der Ge¬
schichte läugne; allein jene gehört der Theolo¬

ſo iſt klar, daß ſie nicht ſelbſt Wiſſenſchaft ſeyn
koͤnne, und wenn die realen Wiſſenſchaften Syn¬
theſen des Philoſophiſchen und Hiſtoriſchen
ſind, ſo kann ebendeswegen die Hiſtorie ſelbſt
nicht wieder eine ſolche ſeyn, ſo wenig als es
Philoſophie ſeyn kann. Sie traͤte alſo in der
letzten Beziehung mit dieſer auf gleichen Rang.

Um dieſes Verhaͤltniß noch beſtimmter ein¬
zuſehen, unterſcheiden wir die verſchiedenen
Standpuncte, auf welchen Hiſtorie gedacht
werden koͤnnte.

Der hoͤchſte, der von uns im Vorherge¬
henden erkannt wurde, iſt der religioͤſe oder
derjenige, in welchem die ganze Geſchichte als
Werk der Vorſehung begriffen wird. Daß die¬
ſer nicht in der Hiſtorie als ſolcher geltend ge¬
macht werden koͤnne, folgt daraus, daß er von
dem philoſophiſchen nicht weſentlich verſchieden
iſt. Es verſteht ſich, daß ich hiemit weder die re¬
ligioͤſe noch die philoſophiſche Conſtruction der Ge¬
ſchichte laͤugne; allein jene gehoͤrt der Theolo¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0224" n="215"/>
&#x017F;o i&#x017F;t klar, daß &#x017F;ie nicht &#x017F;elb&#x017F;t Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nne, und wenn die realen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften Syn¬<lb/>
the&#x017F;en des Philo&#x017F;ophi&#x017F;chen und Hi&#x017F;tori&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;ind, &#x017F;o kann ebendeswegen die Hi&#x017F;torie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nicht wieder eine &#x017F;olche &#x017F;eyn, &#x017F;o wenig als es<lb/>
Philo&#x017F;ophie &#x017F;eyn kann. Sie tra&#x0364;te al&#x017F;o in der<lb/>
letzten Beziehung mit die&#x017F;er auf gleichen Rang.</p><lb/>
        <p>Um die&#x017F;es Verha&#x0364;ltniß noch be&#x017F;timmter ein¬<lb/>
zu&#x017F;ehen, unter&#x017F;cheiden wir die ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Standpuncte, auf welchen Hi&#x017F;torie gedacht<lb/>
werden ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
        <p>Der ho&#x0364;ch&#x017F;te, der von uns im Vorherge¬<lb/>
henden erkannt wurde, i&#x017F;t der religio&#x0364;&#x017F;e oder<lb/>
derjenige, in welchem die ganze Ge&#x017F;chichte als<lb/>
Werk der Vor&#x017F;ehung begriffen wird. Daß die¬<lb/>
&#x017F;er nicht in der Hi&#x017F;torie als &#x017F;olcher geltend ge¬<lb/>
macht werden ko&#x0364;nne, folgt daraus, daß er von<lb/>
dem philo&#x017F;ophi&#x017F;chen nicht we&#x017F;entlich ver&#x017F;chieden<lb/>
i&#x017F;t. Es ver&#x017F;teht &#x017F;ich, daß ich hiemit weder die re¬<lb/>
ligio&#x0364;&#x017F;e noch die philo&#x017F;ophi&#x017F;che Con&#x017F;truction der Ge¬<lb/>
&#x017F;chichte la&#x0364;ugne; allein jene geho&#x0364;rt der Theolo¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0224] ſo iſt klar, daß ſie nicht ſelbſt Wiſſenſchaft ſeyn koͤnne, und wenn die realen Wiſſenſchaften Syn¬ theſen des Philoſophiſchen und Hiſtoriſchen ſind, ſo kann ebendeswegen die Hiſtorie ſelbſt nicht wieder eine ſolche ſeyn, ſo wenig als es Philoſophie ſeyn kann. Sie traͤte alſo in der letzten Beziehung mit dieſer auf gleichen Rang. Um dieſes Verhaͤltniß noch beſtimmter ein¬ zuſehen, unterſcheiden wir die verſchiedenen Standpuncte, auf welchen Hiſtorie gedacht werden koͤnnte. Der hoͤchſte, der von uns im Vorherge¬ henden erkannt wurde, iſt der religioͤſe oder derjenige, in welchem die ganze Geſchichte als Werk der Vorſehung begriffen wird. Daß die¬ ſer nicht in der Hiſtorie als ſolcher geltend ge¬ macht werden koͤnne, folgt daraus, daß er von dem philoſophiſchen nicht weſentlich verſchieden iſt. Es verſteht ſich, daß ich hiemit weder die re¬ ligioͤſe noch die philoſophiſche Conſtruction der Ge¬ ſchichte laͤugne; allein jene gehoͤrt der Theolo¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/224
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/224>, abgerufen am 21.11.2024.