Form ausgedrückt und ganz bis zur äußern Er¬ scheinung gebracht.
Ueber die Art, wie Historie studiert wer¬ den soll, möge folgendes hinreichen. Sie muß im Ganzen nach Art des Epos betrachtet wer¬ den, das keinen bestimmten Anfang und kein be¬ stimmtes Ende hat: man nehme denjenigen Punct heraus, den man für den bedeutendsten oder interessantesten hält, und von diesem aus bilde und erweitere sich das Ganze nach allen Richtungen.
Man meide die sogenannten Universalhi¬ storien, die nichts lehren; andere giebt es noch nicht. Die wahre Universalgeschichte müßte im epischen Styl, also in dem Geiste verfaßt seyn, deren Anlage im Herodotus ist. Was man jetzt so nennt, sind Compendien, da¬ rinn alles Besondere und Bedeutende verwischt ist: auch derjenige aber, der Historie nicht zu seinem besondern Fach wählt, gehe so viel mög¬ lich zu den Quellen und den Particulargeschichten, die ihn bey weitem mehr unterrichten. Er lerne für die neuere Geschichte die naive Ein¬
Form ausgedruͤckt und ganz bis zur aͤußern Er¬ ſcheinung gebracht.
Ueber die Art, wie Hiſtorie ſtudiert wer¬ den ſoll, moͤge folgendes hinreichen. Sie muß im Ganzen nach Art des Epos betrachtet wer¬ den, das keinen beſtimmten Anfang und kein be¬ ſtimmtes Ende hat: man nehme denjenigen Punct heraus, den man fuͤr den bedeutendſten oder intereſſanteſten haͤlt, und von dieſem aus bilde und erweitere ſich das Ganze nach allen Richtungen.
Man meide die ſogenannten Univerſalhi¬ ſtorien, die nichts lehren; andere giebt es noch nicht. Die wahre Univerſalgeſchichte muͤßte im epiſchen Styl, alſo in dem Geiſte verfaßt ſeyn, deren Anlage im Herodotus iſt. Was man jetzt ſo nennt, ſind Compendien, da¬ rinn alles Beſondere und Bedeutende verwiſcht iſt: auch derjenige aber, der Hiſtorie nicht zu ſeinem beſondern Fach waͤhlt, gehe ſo viel moͤg¬ lich zu den Quellen und den Particulargeſchichten, die ihn bey weitem mehr unterrichten. Er lerne fuͤr die neuere Geſchichte die naive Ein¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0233"n="224"/>
Form ausgedruͤckt und ganz bis zur aͤußern Er¬<lb/>ſcheinung gebracht.</p><lb/><p>Ueber die Art, wie Hiſtorie ſtudiert wer¬<lb/>
den ſoll, moͤge folgendes hinreichen. Sie muß<lb/>
im Ganzen nach Art des Epos betrachtet wer¬<lb/>
den, das keinen beſtimmten Anfang und kein be¬<lb/>ſtimmtes Ende hat: man nehme denjenigen<lb/>
Punct heraus, den man fuͤr den bedeutendſten<lb/>
oder intereſſanteſten haͤlt, und von dieſem aus<lb/>
bilde und erweitere ſich das Ganze nach allen<lb/>
Richtungen.</p><lb/><p>Man meide die ſogenannten Univerſalhi¬<lb/>ſtorien, die nichts lehren; andere giebt es<lb/>
noch nicht. Die wahre Univerſalgeſchichte<lb/>
muͤßte im epiſchen Styl, alſo in dem Geiſte<lb/>
verfaßt ſeyn, deren Anlage im Herodotus iſt.<lb/>
Was man jetzt ſo nennt, ſind Compendien, da¬<lb/>
rinn alles Beſondere und Bedeutende verwiſcht<lb/>
iſt: auch derjenige aber, der Hiſtorie nicht zu<lb/>ſeinem beſondern Fach waͤhlt, gehe ſo viel moͤg¬<lb/>
lich zu den Quellen und den Particulargeſchichten,<lb/>
die ihn bey weitem mehr unterrichten. Er<lb/>
lerne fuͤr die neuere Geſchichte die naive Ein¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[224/0233]
Form ausgedruͤckt und ganz bis zur aͤußern Er¬
ſcheinung gebracht.
Ueber die Art, wie Hiſtorie ſtudiert wer¬
den ſoll, moͤge folgendes hinreichen. Sie muß
im Ganzen nach Art des Epos betrachtet wer¬
den, das keinen beſtimmten Anfang und kein be¬
ſtimmtes Ende hat: man nehme denjenigen
Punct heraus, den man fuͤr den bedeutendſten
oder intereſſanteſten haͤlt, und von dieſem aus
bilde und erweitere ſich das Ganze nach allen
Richtungen.
Man meide die ſogenannten Univerſalhi¬
ſtorien, die nichts lehren; andere giebt es
noch nicht. Die wahre Univerſalgeſchichte
muͤßte im epiſchen Styl, alſo in dem Geiſte
verfaßt ſeyn, deren Anlage im Herodotus iſt.
Was man jetzt ſo nennt, ſind Compendien, da¬
rinn alles Beſondere und Bedeutende verwiſcht
iſt: auch derjenige aber, der Hiſtorie nicht zu
ſeinem beſondern Fach waͤhlt, gehe ſo viel moͤg¬
lich zu den Quellen und den Particulargeſchichten,
die ihn bey weitem mehr unterrichten. Er
lerne fuͤr die neuere Geſchichte die naive Ein¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/233>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.