die Medicin erst dann in die allgemeine orga¬ nische Naturlehre vollkommen sich auflösen wird, wenn sie die Geschlechter der Krankhei¬ ten, dieser idealen Organismen, mit der glei¬ chen Bestimmtheit, wie die ächte Naturge¬ schichte die Geschlechter der realen Organismen construirt, wo denn beyde nothwendig als sich entsprechend erscheinen müssen.
Aber was kann die historische Constru¬ ction der Organismen, welche den schaffenden Geist durch seine Labyrinthe verfolgt, anders leiten, als die Form der äußern Bildung, da kraft des ewigen Gesetzes der Subject-Objecti¬ virung das Aeußere in der ganzen Natur Aus¬ druck und Symbol des Inneren ist, und sich eben so regelmäßig und bestimmt wie dieses ver¬ ändert?
Die Denkmäler einer wahren Geschichte der organisch-zeugenden Natur sind also die sichtbaren Formen lebendiger Bildungen, von der Pflanze bis zum Gipfel des Thiers, deren Kenntniß man bisher, in einseitigem Sinne, als vergleichende Anatomie bezeichnet hat. Zwar
die Medicin erſt dann in die allgemeine orga¬ niſche Naturlehre vollkommen ſich aufloͤſen wird, wenn ſie die Geſchlechter der Krankhei¬ ten, dieſer idealen Organismen, mit der glei¬ chen Beſtimmtheit, wie die aͤchte Naturge¬ ſchichte die Geſchlechter der realen Organismen conſtruirt, wo denn beyde nothwendig als ſich entſprechend erſcheinen muͤſſen.
Aber was kann die hiſtoriſche Conſtru¬ ction der Organismen, welche den ſchaffenden Geiſt durch ſeine Labyrinthe verfolgt, anders leiten, als die Form der aͤußern Bildung, da kraft des ewigen Geſetzes der Subject-Objecti¬ virung das Aeußere in der ganzen Natur Aus¬ druck und Symbol des Inneren iſt, und ſich eben ſo regelmaͤßig und beſtimmt wie dieſes ver¬ aͤndert?
Die Denkmaͤler einer wahren Geſchichte der organiſch-zeugenden Natur ſind alſo die ſichtbaren Formen lebendiger Bildungen, von der Pflanze bis zum Gipfel des Thiers, deren Kenntniß man bisher, in einſeitigem Sinne, als vergleichende Anatomie bezeichnet hat. Zwar
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[298/0307]
die Medicin erſt dann in die allgemeine orga¬
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wird, wenn ſie die Geſchlechter der Krankhei¬
ten, dieſer idealen Organismen, mit der glei¬
chen Beſtimmtheit, wie die aͤchte Naturge¬
ſchichte die Geſchlechter der realen Organismen
conſtruirt, wo denn beyde nothwendig als ſich
entſprechend erſcheinen muͤſſen.
Aber was kann die hiſtoriſche Conſtru¬
ction der Organismen, welche den ſchaffenden
Geiſt durch ſeine Labyrinthe verfolgt, anders
leiten, als die Form der aͤußern Bildung, da
kraft des ewigen Geſetzes der Subject-Objecti¬
virung das Aeußere in der ganzen Natur Aus¬
druck und Symbol des Inneren iſt, und ſich
eben ſo regelmaͤßig und beſtimmt wie dieſes ver¬
aͤndert?
Die Denkmaͤler einer wahren Geſchichte
der organiſch-zeugenden Natur ſind alſo die
ſichtbaren Formen lebendiger Bildungen, von
der Pflanze bis zum Gipfel des Thiers, deren
Kenntniß man bisher, in einſeitigem Sinne,
als vergleichende Anatomie bezeichnet hat. Zwar
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/307>, abgerufen am 22.11.2024.
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