die täuschenden Nachbilder von jener zeigt oder ganz sinnlich ist, wie sie der größte Theil der Menschen begreift, der sie als Sinnenreiz, als Erholung, Abspannung des durch ernstere Ge¬ schäfte ermüdeten Geistes ansieht, als ange¬ nehme Erregung, die vor jeder andern nur das voraus hat, daß sie durch ein zarteres Me¬ dium geschieht, wodurch sie aber für das Ur¬ theil des Philosophen, außer dem, daß er sie als eine Wirkung des sinnlichen Triebes betrachten muß, nur das noch verwerflichere Gepräge der Verderbniß und der Civilisation erhalten kann. Nach dieser Vorstellung derselben könnte Philoso¬ phie sich von der schlaffen Sinnlichkeit, welche die Kunst sich wegen dieser Beziehung gefallen läßt, nur durch absolute Verdammung dersel¬ ben unterscheiden.
Ich rede von einer heiligeren Kunst, der¬ jenigen, welche, nach den Ausdrücken der Al¬ ten, ein Werkzeug der Götter, eine Verkündi¬ gerin göttlicher Geheimnisse, die Enthüllerin der Ideen ist, von der ungebohrnen Schön¬ heit, deren unentweihter Strahl nur reine
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die taͤuſchenden Nachbilder von jener zeigt oder ganz ſinnlich iſt, wie ſie der groͤßte Theil der Menſchen begreift, der ſie als Sinnenreiz, als Erholung, Abſpannung des durch ernſtere Ge¬ ſchaͤfte ermuͤdeten Geiſtes anſieht, als ange¬ nehme Erregung, die vor jeder andern nur das voraus hat, daß ſie durch ein zarteres Me¬ dium geſchieht, wodurch ſie aber fuͤr das Ur¬ theil des Philoſophen, außer dem, daß er ſie als eine Wirkung des ſinnlichen Triebes betrachten muß, nur das noch verwerflichere Gepraͤge der Verderbniß und der Civiliſation erhalten kann. Nach dieſer Vorſtellung derſelben koͤnnte Philoſo¬ phie ſich von der ſchlaffen Sinnlichkeit, welche die Kunſt ſich wegen dieſer Beziehung gefallen laͤßt, nur durch abſolute Verdammung derſel¬ ben unterſcheiden.
Ich rede von einer heiligeren Kunſt, der¬ jenigen, welche, nach den Ausdruͤcken der Al¬ ten, ein Werkzeug der Goͤtter, eine Verkuͤndi¬ gerin goͤttlicher Geheimniſſe, die Enthuͤllerin der Ideen iſt, von der ungebohrnen Schoͤn¬ heit, deren unentweihter Strahl nur reine
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die taͤuſchenden Nachbilder von jener zeigt oder
ganz ſinnlich iſt, wie ſie der groͤßte Theil der
Menſchen begreift, der ſie als Sinnenreiz, als
Erholung, Abſpannung des durch ernſtere Ge¬
ſchaͤfte ermuͤdeten Geiſtes anſieht, als ange¬
nehme Erregung, die vor jeder andern nur das
voraus hat, daß ſie durch ein zarteres Me¬
dium geſchieht, wodurch ſie aber fuͤr das Ur¬
theil des Philoſophen, außer dem, daß er ſie als
eine Wirkung des ſinnlichen Triebes betrachten
muß, nur das noch verwerflichere Gepraͤge der
Verderbniß und der Civiliſation erhalten kann.
Nach dieſer Vorſtellung derſelben koͤnnte Philoſo¬
phie ſich von der ſchlaffen Sinnlichkeit, welche die
Kunſt ſich wegen dieſer Beziehung gefallen
laͤßt, nur durch abſolute Verdammung derſel¬
ben unterſcheiden.
Ich rede von einer heiligeren Kunſt, der¬
jenigen, welche, nach den Ausdruͤcken der Al¬
ten, ein Werkzeug der Goͤtter, eine Verkuͤndi¬
gerin goͤttlicher Geheimniſſe, die Enthuͤllerin
der Ideen iſt, von der ungebohrnen Schoͤn¬
heit, deren unentweihter Strahl nur reine
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/316>, abgerufen am 22.11.2024.
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