Form der Kunst. Nur die Theorie bezieht sich unmittelbar auf das Besondere oder einen Zweck, und ist das, wornach eine Sache em¬ pirisch zu Stande gebracht werden kann. Die Philosophie dagegen ist durchaus unbedingt, ohne Zweck außer sich. Wenn man auch dar¬ auf sich berufen wollte, daß das Technische der Kunst dasjenige ist, wodurch sie den Schein der Wahrheit erhält, was also dem Philoso¬ phen anheim fallen könnte, so ist diese Wahr¬ heit doch bloß empirisch: diejenige, welche der Philosoph in ihr erkennen und darstellen soll, ist höherer Art, und mit der absoluten Schön¬ heit Eins und dasselbe, die Wahrheit der Ideen.
Der Zustand des Widerspruchs und der Entzweyung, auch über die ersten Begriffe, worinn sich das Kunsturtheil nothwendig in ei¬ nem Zeitalter befindet, welches die versiegten Quellen derselben durch die Reflexion wieder öffnen will, macht es doppelt wünschenswürdig, daß die absolute Ansicht der Kunst auch in Be¬ zug auf die Formen, in denen diese sich aus¬
Form der Kunſt. Nur die Theorie bezieht ſich unmittelbar auf das Beſondere oder einen Zweck, und iſt das, wornach eine Sache em¬ piriſch zu Stande gebracht werden kann. Die Philoſophie dagegen iſt durchaus unbedingt, ohne Zweck außer ſich. Wenn man auch dar¬ auf ſich berufen wollte, daß das Techniſche der Kunſt dasjenige iſt, wodurch ſie den Schein der Wahrheit erhaͤlt, was alſo dem Philoſo¬ phen anheim fallen koͤnnte, ſo iſt dieſe Wahr¬ heit doch bloß empiriſch: diejenige, welche der Philoſoph in ihr erkennen und darſtellen ſoll, iſt hoͤherer Art, und mit der abſoluten Schoͤn¬ heit Eins und daſſelbe, die Wahrheit der Ideen.
Der Zuſtand des Widerſpruchs und der Entzweyung, auch uͤber die erſten Begriffe, worinn ſich das Kunſturtheil nothwendig in ei¬ nem Zeitalter befindet, welches die verſiegten Quellen derſelben durch die Reflexion wieder oͤffnen will, macht es doppelt wuͤnſchenswuͤrdig, daß die abſolute Anſicht der Kunſt auch in Be¬ zug auf die Formen, in denen dieſe ſich aus¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0327"n="318"/>
Form der Kunſt. Nur die Theorie bezieht ſich<lb/>
unmittelbar auf das Beſondere oder einen<lb/>
Zweck, und iſt das, wornach eine Sache em¬<lb/>
piriſch zu Stande gebracht werden kann. Die<lb/>
Philoſophie dagegen iſt durchaus unbedingt,<lb/>
ohne Zweck außer ſich. Wenn man auch dar¬<lb/>
auf ſich berufen wollte, daß das Techniſche der<lb/>
Kunſt dasjenige iſt, wodurch ſie den Schein<lb/>
der Wahrheit erhaͤlt, was alſo dem Philoſo¬<lb/>
phen anheim fallen koͤnnte, ſo iſt dieſe Wahr¬<lb/>
heit doch bloß empiriſch: diejenige, welche der<lb/>
Philoſoph in ihr erkennen und darſtellen ſoll,<lb/>
iſt hoͤherer Art, und mit der abſoluten Schoͤn¬<lb/>
heit Eins und daſſelbe, die Wahrheit der<lb/>
Ideen.</p><lb/><p>Der Zuſtand des Widerſpruchs und der<lb/>
Entzweyung, auch uͤber die erſten Begriffe,<lb/>
worinn ſich das Kunſturtheil nothwendig in ei¬<lb/>
nem Zeitalter befindet, welches die verſiegten<lb/>
Quellen derſelben durch die Reflexion wieder<lb/>
oͤffnen will, macht es doppelt wuͤnſchenswuͤrdig,<lb/>
daß die abſolute Anſicht der Kunſt auch in Be¬<lb/>
zug auf die Formen, in denen dieſe ſich aus¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[318/0327]
Form der Kunſt. Nur die Theorie bezieht ſich
unmittelbar auf das Beſondere oder einen
Zweck, und iſt das, wornach eine Sache em¬
piriſch zu Stande gebracht werden kann. Die
Philoſophie dagegen iſt durchaus unbedingt,
ohne Zweck außer ſich. Wenn man auch dar¬
auf ſich berufen wollte, daß das Techniſche der
Kunſt dasjenige iſt, wodurch ſie den Schein
der Wahrheit erhaͤlt, was alſo dem Philoſo¬
phen anheim fallen koͤnnte, ſo iſt dieſe Wahr¬
heit doch bloß empiriſch: diejenige, welche der
Philoſoph in ihr erkennen und darſtellen ſoll,
iſt hoͤherer Art, und mit der abſoluten Schoͤn¬
heit Eins und daſſelbe, die Wahrheit der
Ideen.
Der Zuſtand des Widerſpruchs und der
Entzweyung, auch uͤber die erſten Begriffe,
worinn ſich das Kunſturtheil nothwendig in ei¬
nem Zeitalter befindet, welches die verſiegten
Quellen derſelben durch die Reflexion wieder
oͤffnen will, macht es doppelt wuͤnſchenswuͤrdig,
daß die abſolute Anſicht der Kunſt auch in Be¬
zug auf die Formen, in denen dieſe ſich aus¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/327>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.