Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_092.001 Jene ästhetische Subsumption, die im Allgemeinen eintritt, psc_092.006 Sollen wir freudig horchen und willig gehorchen, so psc_092.009 psc_092.015mußt du psc_092.010 Schmeicheln. Sprichst du zum Volke, zu Fürsten und psc_092.011 Königen, allen psc_092.012 Magst du Geschichten erzählen, worin als wirklich erscheinet, psc_092.013 psc_092.014 Was sie wünschen und was sie selber zu leben begehrten. Folgt die famose Geschichte von dem zerlumpten Rhapsoden psc_092.016 Das Resultat unsrer bisherigen Untersuchungen ist das psc_092.025 Poesie entspringt aus den primitiven Äußerungen der psc_092.027 psc_092.001 Jene ästhetische Subsumption, die im Allgemeinen eintritt, psc_092.006 Sollen wir freudig horchen und willig gehorchen, so psc_092.009 psc_092.015mußt du psc_092.010 Schmeicheln. Sprichst du zum Volke, zu Fürsten und psc_092.011 Königen, allen psc_092.012 Magst du Geschichten erzählen, worin als wirklich erscheinet, psc_092.013 psc_092.014 Was sie wünschen und was sie selber zu leben begehrten. Folgt die famose Geschichte von dem zerlumpten Rhapsoden psc_092.016 Das Resultat unsrer bisherigen Untersuchungen ist das psc_092.025 Poesie entspringt aus den primitiven Äußerungen der psc_092.027 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0108" n="92"/><lb n="psc_092.001"/> spricht jedenfalls zu Gunsten der Hypothese Darwins über <lb n="psc_092.002"/> die ursprüngliche Anwendung der Sprache. Ob diese im <lb n="psc_092.003"/> Ganzen richtig ist, weiß ich nicht; aber daß sie für diese <lb n="psc_092.004"/> ersten Fälle gilt, glaube ich wahrscheinlich gemacht zu haben.</p> <lb n="psc_092.005"/> <p> Jene ästhetische Subsumption, die im Allgemeinen eintritt, <lb n="psc_092.006"/> wo die Erzählung dem Helden Angenehmes widerfahren <lb n="psc_092.007"/> läßt, hat sehr hübsch Goethe in der 1. Epistel dargestellt:</p> <lb n="psc_092.008"/> <lg> <l>Sollen wir freudig horchen und willig gehorchen, so</l> <lb n="psc_092.009"/> <l>mußt du</l> <lb n="psc_092.010"/> <l>Schmeicheln. Sprichst du zum Volke, zu Fürsten und</l> <lb n="psc_092.011"/> <l>Königen, allen</l> <lb n="psc_092.012"/> <l>Magst du Geschichten erzählen, worin als wirklich erscheinet,</l> <lb n="psc_092.013"/> <lb n="psc_092.014"/> <l>Was sie wünschen und was sie selber zu leben begehrten.</l> </lg> <lb n="psc_092.015"/> <p> Folgt die famose Geschichte von dem zerlumpten Rhapsoden <lb n="psc_092.016"/> in Venedig. Er will nach Utopien verschlagen sein. Er <lb n="psc_092.017"/> wird ausgezeichnet bewirthet, verlangt die Zeche, wird vom <lb n="psc_092.018"/> Wirthe durchgeprügelt: das sei eine Verletzung des Gastrechts. <lb n="psc_092.019"/> Er wendet sich an den Richter; der bestätigt es: <lb n="psc_092.020"/> man beweist sich in Utopien nur tüchtig zum Bürger, wenn <lb n="psc_092.021"/> man Hans Ohnesorge ist, nicht arbeitet und nur genießt... <lb n="psc_092.022"/> Alle Hörer werden heiter und wünschen solche Wirthe zu <lb n="psc_092.023"/> finden, ja solche Schläge zu dulden. —</p> <lb n="psc_092.024"/> <p> Das Resultat unsrer bisherigen Untersuchungen ist das <lb n="psc_092.025"/> folgende:</p> <lb n="psc_092.026"/> <p> Poesie entspringt aus den primitiven Äußerungen der <lb n="psc_092.027"/> Freude, Springen, Singen, Lachen; sie fließt aus angenehmer <lb n="psc_092.028"/> Stimmung und will angenehme Stimmung erregen. Das </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0108]
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spricht jedenfalls zu Gunsten der Hypothese Darwins über psc_092.002
die ursprüngliche Anwendung der Sprache. Ob diese im psc_092.003
Ganzen richtig ist, weiß ich nicht; aber daß sie für diese psc_092.004
ersten Fälle gilt, glaube ich wahrscheinlich gemacht zu haben.
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Jene ästhetische Subsumption, die im Allgemeinen eintritt, psc_092.006
wo die Erzählung dem Helden Angenehmes widerfahren psc_092.007
läßt, hat sehr hübsch Goethe in der 1. Epistel dargestellt:
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Sollen wir freudig horchen und willig gehorchen, so psc_092.009
mußt du psc_092.010
Schmeicheln. Sprichst du zum Volke, zu Fürsten und psc_092.011
Königen, allen psc_092.012
Magst du Geschichten erzählen, worin als wirklich erscheinet, psc_092.013
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Was sie wünschen und was sie selber zu leben begehrten.
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Folgt die famose Geschichte von dem zerlumpten Rhapsoden psc_092.016
in Venedig. Er will nach Utopien verschlagen sein. Er psc_092.017
wird ausgezeichnet bewirthet, verlangt die Zeche, wird vom psc_092.018
Wirthe durchgeprügelt: das sei eine Verletzung des Gastrechts. psc_092.019
Er wendet sich an den Richter; der bestätigt es: psc_092.020
man beweist sich in Utopien nur tüchtig zum Bürger, wenn psc_092.021
man Hans Ohnesorge ist, nicht arbeitet und nur genießt... psc_092.022
Alle Hörer werden heiter und wünschen solche Wirthe zu psc_092.023
finden, ja solche Schläge zu dulden. —
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Das Resultat unsrer bisherigen Untersuchungen ist das psc_092.025
folgende:
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Poesie entspringt aus den primitiven Äußerungen der psc_092.027
Freude, Springen, Singen, Lachen; sie fließt aus angenehmer psc_092.028
Stimmung und will angenehme Stimmung erregen. Das
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