Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_103.001 a) Setzen wir den Fall, daß der Held durch einen Fehler psc_103.004 b) Der Tod des Helden kann der Preis sein für ein psc_103.021 c) Der größere Schmerz hebt den geringeren auf. psc_103.026 psc_103.001 a) Setzen wir den Fall, daß der Held durch einen Fehler psc_103.004 b) Der Tod des Helden kann der Preis sein für ein psc_103.021 c) Der größere Schmerz hebt den geringeren auf. psc_103.026 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0119" n="103"/><lb n="psc_103.001"/> sonstige Compensationen. Von diesen wollen wir wieder eine <lb n="psc_103.002"/> Reihe anführen:</p> <lb n="psc_103.003"/> <p> <hi rendition="#aq">a</hi>) Setzen wir den Fall, daß der Held durch einen Fehler <lb n="psc_103.004"/> unterliegt; dies empfiehlt Aristoteles vorzugsweise für die <lb n="psc_103.005"/> Tragödie. Dann tritt doch eine Befriedigung ein: über die <lb n="psc_103.006"/> Gerechtigkeit des Weltlaufs, besonders wenn es Fehler sind, <lb n="psc_103.007"/> unter denen wir selbst zu leiden haben würden: wenn z. B. <lb n="psc_103.008"/> der Held ein blutiger Tyrann ist. Jedenfalls liegt in dem <lb n="psc_103.009"/> Fehler des Helden eine Milderung des Unangenehmen, der <lb n="psc_103.010"/> Tragik des Unterliegens; sei es daß der Held an Sympathie <lb n="psc_103.011"/> einbüßt, sei es daß eine gewisse Verstandesconsequenz <lb n="psc_103.012"/> in seinem Schicksal liegt: „geschieht ihm recht“, wenn er <lb n="psc_103.013"/> sich nicht mäßigen kann oder wenn er verblendet ist. Dies <lb n="psc_103.014"/> sind die wünschenswerthen Dinge für die Allgemeinheit, als <lb n="psc_103.015"/> deren Glied der Zuschauer sich fühlt, und ihre Zweckmäßigkeit <lb n="psc_103.016"/> bewährt sich, indem der Held unterliegt. Wir sagen uns: <lb n="psc_103.017"/> die Summe des Wohlseins wird durch solche Leute gestört. <lb n="psc_103.018"/> Aber setzen wir, davon absehend, das Verhältniß einer ungemilderten <lb n="psc_103.019"/> Sympathie:</p> <lb n="psc_103.020"/> <p> <hi rendition="#aq">b</hi>) Der Tod des Helden kann der Preis sein für ein <lb n="psc_103.021"/> auch dem Zuschauer wünschenswerthes Gut; er kann sich <lb n="psc_103.022"/> opfern für den Ruhm, wie Achill; er kann sich opfern zum <lb n="psc_103.023"/> Wohl der Menschheit, für eine Jdee (wie es Schiller in der <lb n="psc_103.024"/> erwähnten Abhandlung im Auge hat) ...</p> <lb n="psc_103.025"/> <p> <hi rendition="#aq">c</hi>) Der größere Schmerz hebt den geringeren auf. <lb n="psc_103.026"/> Das gilt körperlich: der stärkere Schmerz absorbirt den <lb n="psc_103.027"/> geringeren; und das läßt sich hierher übertragen: neben <lb n="psc_103.028"/> furchtbaren Schicksalen, die unsere ganze Theilnahme fesseln, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0119]
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sonstige Compensationen. Von diesen wollen wir wieder eine psc_103.002
Reihe anführen:
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a) Setzen wir den Fall, daß der Held durch einen Fehler psc_103.004
unterliegt; dies empfiehlt Aristoteles vorzugsweise für die psc_103.005
Tragödie. Dann tritt doch eine Befriedigung ein: über die psc_103.006
Gerechtigkeit des Weltlaufs, besonders wenn es Fehler sind, psc_103.007
unter denen wir selbst zu leiden haben würden: wenn z. B. psc_103.008
der Held ein blutiger Tyrann ist. Jedenfalls liegt in dem psc_103.009
Fehler des Helden eine Milderung des Unangenehmen, der psc_103.010
Tragik des Unterliegens; sei es daß der Held an Sympathie psc_103.011
einbüßt, sei es daß eine gewisse Verstandesconsequenz psc_103.012
in seinem Schicksal liegt: „geschieht ihm recht“, wenn er psc_103.013
sich nicht mäßigen kann oder wenn er verblendet ist. Dies psc_103.014
sind die wünschenswerthen Dinge für die Allgemeinheit, als psc_103.015
deren Glied der Zuschauer sich fühlt, und ihre Zweckmäßigkeit psc_103.016
bewährt sich, indem der Held unterliegt. Wir sagen uns: psc_103.017
die Summe des Wohlseins wird durch solche Leute gestört. psc_103.018
Aber setzen wir, davon absehend, das Verhältniß einer ungemilderten psc_103.019
Sympathie:
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b) Der Tod des Helden kann der Preis sein für ein psc_103.021
auch dem Zuschauer wünschenswerthes Gut; er kann sich psc_103.022
opfern für den Ruhm, wie Achill; er kann sich opfern zum psc_103.023
Wohl der Menschheit, für eine Jdee (wie es Schiller in der psc_103.024
erwähnten Abhandlung im Auge hat) ...
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c) Der größere Schmerz hebt den geringeren auf. psc_103.026
Das gilt körperlich: der stärkere Schmerz absorbirt den psc_103.027
geringeren; und das läßt sich hierher übertragen: neben psc_103.028
furchtbaren Schicksalen, die unsere ganze Theilnahme fesseln,
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