Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_194.001 Ein recht eclatantes Beispiel bietet eine Sammlung von psc_194.007 Wenn aber Eintönigkeit gefährlich ist, weil die Aufmerksamkeit psc_194.017 C. Einheit und Folge. psc_194.022 Als "Folge" ist die innere nothwendige Verkettung des psc_194.023 psc_194.001 Ein recht eclatantes Beispiel bietet eine Sammlung von psc_194.007 Wenn aber Eintönigkeit gefährlich ist, weil die Aufmerksamkeit psc_194.017 C. Einheit und Folge. psc_194.022 Als „Folge“ ist die innere nothwendige Verkettung des psc_194.023 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0210" n="194"/><lb n="psc_194.001"/> Gegensatz ist die Armuth: die Eintönigkeit. Der Stoff muß <lb n="psc_194.002"/> sich reich entfalten, um zu fesseln. Freilich ist auch hier <lb n="psc_194.003"/> wieder zu fragen: wie weit verträgt man die Eintönigkeit? <lb n="psc_194.004"/> Das wird von formalen Vorzügen abhängen, denn <lb n="psc_194.005"/> formelle Gewandtheit kann über die Eintönigkeit täuschen.</p> <lb n="psc_194.006"/> <p> Ein recht eclatantes Beispiel bietet eine Sammlung von <lb n="psc_194.007"/> Liebesgedichten! Jedes einzelne kann sehr schön sein; alle <lb n="psc_194.008"/> hinter einander verträgt man sie nicht. Eine Sammlung <lb n="psc_194.009"/> von Gedichten ist wider die Wahrheit, das einzelne Gedicht <lb n="psc_194.010"/> ist für sich geschaffen. Eine solche Sammlung ist nur ein <lb n="psc_194.011"/> Nothbehelf, damit nichts verloren geht, an sich aber etwas <lb n="psc_194.012"/> Unnatürliches; jedes Gedicht schadet seinem Nachbar, so daß <lb n="psc_194.013"/> die Eindrücke sich gegenseitig stören und verdunkeln. Man <lb n="psc_194.014"/> müßte denn nach jedem Gedicht eine Pause machen, welche <lb n="psc_194.015"/> genügt, um das Gedicht vor dieser Schädigung zu schützen.</p> <lb n="psc_194.016"/> <p> Wenn aber Eintönigkeit gefährlich ist, weil die Aufmerksamkeit <lb n="psc_194.017"/> erlahmt, so zerstreut allzu große Buntheit. Ein <lb n="psc_194.018"/> bloßes Vielerlei ermüdet so gut wie ein bloßes Einerlei, und <lb n="psc_194.019"/> die Abwechselung allein thut es nicht, sie muß mit Einheit <lb n="psc_194.020"/> und Folge verbunden sein.</p> <lb n="psc_194.021"/> <p> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">C</hi>. Einheit und Folge.</hi> </p> <lb n="psc_194.022"/> <p> Als „Folge“ ist die innere nothwendige Verkettung des <lb n="psc_194.023"/> Abwechselnden gemeint, oder die Annäherung an eine solche <lb n="psc_194.024"/> Verkettung. Man denke an die Noth, die es Goethe machte, <lb n="psc_194.025"/> seine zerstreuten Gedichte zu sammeln. Wie der Gedanke <lb n="psc_194.026"/> einer Sammlung, das bloße Zusammensein verschiedener <lb n="psc_194.027"/> Producte ihn ärgerte, ihm mit Recht als etwas Widriges </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [194/0210]
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Gegensatz ist die Armuth: die Eintönigkeit. Der Stoff muß psc_194.002
sich reich entfalten, um zu fesseln. Freilich ist auch hier psc_194.003
wieder zu fragen: wie weit verträgt man die Eintönigkeit? psc_194.004
Das wird von formalen Vorzügen abhängen, denn psc_194.005
formelle Gewandtheit kann über die Eintönigkeit täuschen.
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Ein recht eclatantes Beispiel bietet eine Sammlung von psc_194.007
Liebesgedichten! Jedes einzelne kann sehr schön sein; alle psc_194.008
hinter einander verträgt man sie nicht. Eine Sammlung psc_194.009
von Gedichten ist wider die Wahrheit, das einzelne Gedicht psc_194.010
ist für sich geschaffen. Eine solche Sammlung ist nur ein psc_194.011
Nothbehelf, damit nichts verloren geht, an sich aber etwas psc_194.012
Unnatürliches; jedes Gedicht schadet seinem Nachbar, so daß psc_194.013
die Eindrücke sich gegenseitig stören und verdunkeln. Man psc_194.014
müßte denn nach jedem Gedicht eine Pause machen, welche psc_194.015
genügt, um das Gedicht vor dieser Schädigung zu schützen.
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Wenn aber Eintönigkeit gefährlich ist, weil die Aufmerksamkeit psc_194.017
erlahmt, so zerstreut allzu große Buntheit. Ein psc_194.018
bloßes Vielerlei ermüdet so gut wie ein bloßes Einerlei, und psc_194.019
die Abwechselung allein thut es nicht, sie muß mit Einheit psc_194.020
und Folge verbunden sein.
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C. Einheit und Folge.
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Als „Folge“ ist die innere nothwendige Verkettung des psc_194.023
Abwechselnden gemeint, oder die Annäherung an eine solche psc_194.024
Verkettung. Man denke an die Noth, die es Goethe machte, psc_194.025
seine zerstreuten Gedichte zu sammeln. Wie der Gedanke psc_194.026
einer Sammlung, das bloße Zusammensein verschiedener psc_194.027
Producte ihn ärgerte, ihm mit Recht als etwas Widriges
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