Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_212.001 psc_212.008 II. Allgemeine Motivenlehre. psc_212.009 Was ist ein Motiv? Ein elementarer, in sich einheitlicher psc_212.010 Das Hauptmotiv wird zuweilen "Jdee" genannt. Mit psc_212.018 psc_212.001 psc_212.008 II. Allgemeine Motivenlehre. psc_212.009 Was ist ein Motiv? Ein elementarer, in sich einheitlicher psc_212.010 Das Hauptmotiv wird zuweilen „Jdee“ genannt. Mit psc_212.018 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0228" n="212"/><lb n="psc_212.001"/> außer bei den Fachleuten. So auch in der Biographie eines <lb n="psc_212.002"/> Staatsmannes: ist er Gegenstand eines Romans, eines Dramas, <lb n="psc_212.003"/> so wird man nicht seine Finanzverwaltung im einzelnen <lb n="psc_212.004"/> schildern — das wäre nur für Finanzleute interessant. Eher <lb n="psc_212.005"/> sind Mittheilungen aus den Finanzoperationen eines Privatmanns <lb n="psc_212.006"/> möglich — derlei findet Resonanz in weiteren Kreisen, <lb n="psc_212.007"/> wenn Schicksalswendungen daran hängen.</p> </div> <div n="2"> <lb n="psc_212.008"/> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">II</hi>. Allgemeine Motivenlehre.</hi> </head> <lb n="psc_212.009"/> <p> Was ist ein Motiv? Ein elementarer, in sich einheitlicher <lb n="psc_212.010"/> Theil eines poetischen Stoffs. Es kann ganz kurze <lb n="psc_212.011"/> Gedichte geben, die nur Ein Motiv haben. Das gewöhnliche <lb n="psc_212.012"/> Verhältniß aber wird eine Verbindung eines Hauptmotivs <lb n="psc_212.013"/> mit Nebenmotiven, eines herrschenden Motivs mit untergeordneten <lb n="psc_212.014"/> Motiven sein. Die letzteren können bloß Entfaltungen, <lb n="psc_212.015"/> Theile des ersteren, können aber auch ganz andere Motive <lb n="psc_212.016"/> sein.</p> <lb n="psc_212.017"/> <p> Das Hauptmotiv wird zuweilen „Jdee“ genannt. Mit <lb n="psc_212.018"/> diesem Wort ist ein furchtbarer Unfug getrieben worden. <lb n="psc_212.019"/> Jch möchte vorschlagen, den Ausdruck fallen zu lassen; wir <lb n="psc_212.020"/> sagen dafür Stoff, Thema, Vorwurf, Hauptmotiv. Wir behalten <lb n="psc_212.021"/> den Ausdruck höchstens bei für eine bestimmte Gruppe <lb n="psc_212.022"/> von Werken: für die äußerliche Einheit eines Gedichts, die <lb n="psc_212.023"/> durch ein <hi rendition="#aq">Fabula docet</hi> entsteht, wie Goethe von der „Jdee <lb n="psc_212.024"/> des Faust“ spricht. Da indessen deutsche Dichter des 19. Jahrhunderts <lb n="psc_212.025"/> unter dem Einfluß einer Aesthetik standen, welche <lb n="psc_212.026"/> überall von Jdeen sprach und darunter gern allgemeine Sätze <lb n="psc_212.027"/> verstand, die sich in den dargestellten Fällen verwirklichten, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [212/0228]
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außer bei den Fachleuten. So auch in der Biographie eines psc_212.002
Staatsmannes: ist er Gegenstand eines Romans, eines Dramas, psc_212.003
so wird man nicht seine Finanzverwaltung im einzelnen psc_212.004
schildern — das wäre nur für Finanzleute interessant. Eher psc_212.005
sind Mittheilungen aus den Finanzoperationen eines Privatmanns psc_212.006
möglich — derlei findet Resonanz in weiteren Kreisen, psc_212.007
wenn Schicksalswendungen daran hängen.
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II. Allgemeine Motivenlehre. psc_212.009
Was ist ein Motiv? Ein elementarer, in sich einheitlicher psc_212.010
Theil eines poetischen Stoffs. Es kann ganz kurze psc_212.011
Gedichte geben, die nur Ein Motiv haben. Das gewöhnliche psc_212.012
Verhältniß aber wird eine Verbindung eines Hauptmotivs psc_212.013
mit Nebenmotiven, eines herrschenden Motivs mit untergeordneten psc_212.014
Motiven sein. Die letzteren können bloß Entfaltungen, psc_212.015
Theile des ersteren, können aber auch ganz andere Motive psc_212.016
sein.
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Das Hauptmotiv wird zuweilen „Jdee“ genannt. Mit psc_212.018
diesem Wort ist ein furchtbarer Unfug getrieben worden. psc_212.019
Jch möchte vorschlagen, den Ausdruck fallen zu lassen; wir psc_212.020
sagen dafür Stoff, Thema, Vorwurf, Hauptmotiv. Wir behalten psc_212.021
den Ausdruck höchstens bei für eine bestimmte Gruppe psc_212.022
von Werken: für die äußerliche Einheit eines Gedichts, die psc_212.023
durch ein Fabula docet entsteht, wie Goethe von der „Jdee psc_212.024
des Faust“ spricht. Da indessen deutsche Dichter des 19. Jahrhunderts psc_212.025
unter dem Einfluß einer Aesthetik standen, welche psc_212.026
überall von Jdeen sprach und darunter gern allgemeine Sätze psc_212.027
verstand, die sich in den dargestellten Fällen verwirklichten,
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