Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_222.001 Eine besondere Bemerkung will ich hier nur noch den psc_222.004 Jch zweifle, ob es ein durchgängiges Merkmal giebt, psc_222.012 psc_222.001 Eine besondere Bemerkung will ich hier nur noch den psc_222.004 Jch zweifle, ob es ein durchgängiges Merkmal giebt, psc_222.012 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0238" n="222"/><lb n="psc_222.001"/> oft einer Beimischung des Unangenehmen, damit die nöthige <lb n="psc_222.002"/> Abwechselung und Spannung herauskomme.</p> <lb n="psc_222.003"/> <p> Eine besondere Bemerkung will ich hier nur noch den <lb n="psc_222.004"/> <hi rendition="#g">komischen</hi> Motiven widmen. Sie haben die Wirkung, daß <lb n="psc_222.005"/> man lacht. Über die Entstehung des Lachens wurde früher <lb n="psc_222.006"/> geredet, aber die Frage nach dem Wesen des Komischen <lb n="psc_222.007"/> wurde offen gelassen, d. h. die Frage, ob es eine Eigenschaft <lb n="psc_222.008"/> giebt, welche an allen Lachen erregenden Dingen gleichmäßig <lb n="psc_222.009"/> wiederkehrt, so daß sie als das entscheidende Merkmal des <lb n="psc_222.010"/> Komischen angesehen werden kann?</p> <lb n="psc_222.011"/> <p> Jch zweifle, ob es ein durchgängiges Merkmal giebt, <lb n="psc_222.012"/> besonders, wenn wir von Darwins Theorie ausgehen, daß <lb n="psc_222.013"/> das Lachen Ausdruck der Freude ist. Es erregen wohl verschiedene <lb n="psc_222.014"/> Motive unter verschiedenen Bedingungen Lachen. <lb n="psc_222.015"/> Auf sehr viele Fälle paßt Eines: jede auffallende Verfehlung, <lb n="psc_222.016"/> die nicht Mitleid, Abscheu, Ekel, Ärger, Überdruß erregt, ist <lb n="psc_222.017"/> komisch. Diese Einschränkung ist höchst nothwendig, um die <lb n="psc_222.018"/> Relativität des Komischen zu zeigen. Lachen, sahen wir, ist <lb n="psc_222.019"/> nach Darwin Ausdruck der Freude: entweder der Schadenfreude <lb n="psc_222.020"/> oder der Freude über die eigene Vollkommenheit (aber auch Freude <lb n="psc_222.021"/> an eigenem oder fremdem Scharfsinn). Die relativ machende <lb n="psc_222.022"/> Einschränkung „die nicht Mitleid oder Ekel erregt“ ist nothwendig, <lb n="psc_222.023"/> denn die Freude kann unter solchen Umständen sich <lb n="psc_222.024"/> in Mitleid verwandeln und umgekehrt. Wenn ein Gefährte <lb n="psc_222.025"/> gleitet und fällt, so fragt es sich, ob er sich arg zerschlagen <lb n="psc_222.026"/> hat oder nur wenig; thut er einen Fehltritt und verschwindet <lb n="psc_222.027"/> in einem Graben, so lachen wir, wenn wir wissen, daß es <lb n="psc_222.028"/> nur ein Graben ist — aber unser Mitleid ist erregt, ja mehr </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [222/0238]
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oft einer Beimischung des Unangenehmen, damit die nöthige psc_222.002
Abwechselung und Spannung herauskomme.
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Eine besondere Bemerkung will ich hier nur noch den psc_222.004
komischen Motiven widmen. Sie haben die Wirkung, daß psc_222.005
man lacht. Über die Entstehung des Lachens wurde früher psc_222.006
geredet, aber die Frage nach dem Wesen des Komischen psc_222.007
wurde offen gelassen, d. h. die Frage, ob es eine Eigenschaft psc_222.008
giebt, welche an allen Lachen erregenden Dingen gleichmäßig psc_222.009
wiederkehrt, so daß sie als das entscheidende Merkmal des psc_222.010
Komischen angesehen werden kann?
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Jch zweifle, ob es ein durchgängiges Merkmal giebt, psc_222.012
besonders, wenn wir von Darwins Theorie ausgehen, daß psc_222.013
das Lachen Ausdruck der Freude ist. Es erregen wohl verschiedene psc_222.014
Motive unter verschiedenen Bedingungen Lachen. psc_222.015
Auf sehr viele Fälle paßt Eines: jede auffallende Verfehlung, psc_222.016
die nicht Mitleid, Abscheu, Ekel, Ärger, Überdruß erregt, ist psc_222.017
komisch. Diese Einschränkung ist höchst nothwendig, um die psc_222.018
Relativität des Komischen zu zeigen. Lachen, sahen wir, ist psc_222.019
nach Darwin Ausdruck der Freude: entweder der Schadenfreude psc_222.020
oder der Freude über die eigene Vollkommenheit (aber auch Freude psc_222.021
an eigenem oder fremdem Scharfsinn). Die relativ machende psc_222.022
Einschränkung „die nicht Mitleid oder Ekel erregt“ ist nothwendig, psc_222.023
denn die Freude kann unter solchen Umständen sich psc_222.024
in Mitleid verwandeln und umgekehrt. Wenn ein Gefährte psc_222.025
gleitet und fällt, so fragt es sich, ob er sich arg zerschlagen psc_222.026
hat oder nur wenig; thut er einen Fehltritt und verschwindet psc_222.027
in einem Graben, so lachen wir, wenn wir wissen, daß es psc_222.028
nur ein Graben ist — aber unser Mitleid ist erregt, ja mehr
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