Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_009.001 Dazu gehört nun aber als Voraussetzung eine lange psc_009.002 So wie dies heut ist, wird es in allen Zeiten gewesen psc_009.012 Aus allen möglichen und für die Urzeiten wahrscheinlichen psc_009.028 psc_009.001 Dazu gehört nun aber als Voraussetzung eine lange psc_009.002 So wie dies heut ist, wird es in allen Zeiten gewesen psc_009.012 Aus allen möglichen und für die Urzeiten wahrscheinlichen psc_009.028 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0025" n="9"/> <lb n="psc_009.001"/> <p> Dazu gehört nun aber als Voraussetzung eine lange <lb n="psc_009.002"/> Tradition. Der Einzelne macht Gebrauch von den Errungenschaften <lb n="psc_009.003"/> früherer Perioden. So sammelt sich ein Kapital <lb n="psc_009.004"/> von Bildung und Kunst an. Glücklich das Land, in welchem <lb n="psc_009.005"/> diese Tradition nie abbricht! Aber in Deutschland war z. B. <lb n="psc_009.006"/> im 17. Jahrhundert das Philosophiren in deutscher Sprache <lb n="psc_009.007"/> so ganz abhanden gekommen, daß Leibniz nur in lateinischer <lb n="psc_009.008"/> oder französischer Sprache philosophiren konnte, obwohl er den <lb n="psc_009.009"/> dringenden Wunsch hegte, es in deutscher Sprache thun zu <lb n="psc_009.010"/> können.</p> <lb n="psc_009.011"/> <p> So wie dies heut ist, wird es in allen Zeiten gewesen <lb n="psc_009.012"/> sein. Nur in einem Punct unterschied sich die ältere Zeit: <lb n="psc_009.013"/> eine geringere Arbeitstheilung im Leben muß auch eine geringere <lb n="psc_009.014"/> Arbeitstheilung in der Sprache zur Folge gehabt <lb n="psc_009.015"/> haben. Es wird innerhalb der Nation mehr Menschen gegeben <lb n="psc_009.016"/> haben, welche annähernd die ganze Sprache beherrschten, <lb n="psc_009.017"/> als heute vorhanden sind. Dennoch wird auch in alten <lb n="psc_009.018"/> Zeiten eine Kunst sich ausgebildet haben. Wohl war das <lb n="psc_009.019"/> Sprachgebiet überhaupt kleiner und deshalb leichter zu übersehen. <lb n="psc_009.020"/> Aber auch damals wird es Einzelne gegeben haben, <lb n="psc_009.021"/> welche leichter und freier sprachen, und welche im Stande <lb n="psc_009.022"/> waren feste Begriffe zu prägen; und es wird Leute gegeben <lb n="psc_009.023"/> haben, welche ein besonderes Talent besaßen die Errungenschaften <lb n="psc_009.024"/> ihrer Vorgänger sich anzueignen. Es wird Meister <lb n="psc_009.025"/> der Sprache gegeben haben — und sie werden die ersten <lb n="psc_009.026"/> Künstler auf diesem Gebiet geworden sein. —</p> <lb n="psc_009.027"/> <p> Aus allen möglichen und für die Urzeiten wahrscheinlichen <lb n="psc_009.028"/> Anwendungen der Sprache lassen sich nun mindestens </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0025]
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Dazu gehört nun aber als Voraussetzung eine lange psc_009.002
Tradition. Der Einzelne macht Gebrauch von den Errungenschaften psc_009.003
früherer Perioden. So sammelt sich ein Kapital psc_009.004
von Bildung und Kunst an. Glücklich das Land, in welchem psc_009.005
diese Tradition nie abbricht! Aber in Deutschland war z. B. psc_009.006
im 17. Jahrhundert das Philosophiren in deutscher Sprache psc_009.007
so ganz abhanden gekommen, daß Leibniz nur in lateinischer psc_009.008
oder französischer Sprache philosophiren konnte, obwohl er den psc_009.009
dringenden Wunsch hegte, es in deutscher Sprache thun zu psc_009.010
können.
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So wie dies heut ist, wird es in allen Zeiten gewesen psc_009.012
sein. Nur in einem Punct unterschied sich die ältere Zeit: psc_009.013
eine geringere Arbeitstheilung im Leben muß auch eine geringere psc_009.014
Arbeitstheilung in der Sprache zur Folge gehabt psc_009.015
haben. Es wird innerhalb der Nation mehr Menschen gegeben psc_009.016
haben, welche annähernd die ganze Sprache beherrschten, psc_009.017
als heute vorhanden sind. Dennoch wird auch in alten psc_009.018
Zeiten eine Kunst sich ausgebildet haben. Wohl war das psc_009.019
Sprachgebiet überhaupt kleiner und deshalb leichter zu übersehen. psc_009.020
Aber auch damals wird es Einzelne gegeben haben, psc_009.021
welche leichter und freier sprachen, und welche im Stande psc_009.022
waren feste Begriffe zu prägen; und es wird Leute gegeben psc_009.023
haben, welche ein besonderes Talent besaßen die Errungenschaften psc_009.024
ihrer Vorgänger sich anzueignen. Es wird Meister psc_009.025
der Sprache gegeben haben — und sie werden die ersten psc_009.026
Künstler auf diesem Gebiet geworden sein. —
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Aus allen möglichen und für die Urzeiten wahrscheinlichen psc_009.028
Anwendungen der Sprache lassen sich nun mindestens
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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