Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_263.001 Wir lassen den Faden hier fallen, der sich an Lessings psc_263.002 Wir durchmustern die Sprache nach ihren Bestandtheilen psc_263.006 Die poetischsten Redetheile sind die Verba: mit ihnen psc_263.010 Am wirksamsten nach dem Obigen sind Verba, welche psc_263.016 Es kommt hier der Reiz der indirecten Darstellung psc_263.019 Wenn die Poesie das Sinnliche bevorzugt, so steht sie psc_263.025 psc_263.001 Wir lassen den Faden hier fallen, der sich an Lessings psc_263.002 Wir durchmustern die Sprache nach ihren Bestandtheilen psc_263.006 Die poetischsten Redetheile sind die Verba: mit ihnen psc_263.010 Am wirksamsten nach dem Obigen sind Verba, welche psc_263.016 Es kommt hier der Reiz der indirecten Darstellung psc_263.019 Wenn die Poesie das Sinnliche bevorzugt, so steht sie psc_263.025 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0279" n="263"/> <lb n="psc_263.001"/> <p> Wir lassen den Faden hier fallen, der sich an Lessings <lb n="psc_263.002"/> Erörterungen im „Laokoon“ anknüpft, halten nur fest, was wir <lb n="psc_263.003"/> über Lebhaftigkeit u. s. w. gelernt haben, und betreten nun <lb n="psc_263.004"/> unsern eigenen Weg.</p> <lb n="psc_263.005"/> <p> Wir durchmustern die <hi rendition="#g">Sprache</hi> nach ihren <hi rendition="#g">Bestandtheilen</hi> <lb n="psc_263.006"/> und untersuchen diese Bestandtheile nach ihrem Werth <lb n="psc_263.007"/> für die Poesie. Vgl. Herder, Über den Ursprung der Sprache; <lb n="psc_263.008"/> Geist der ebräischen Poesie.</p> <lb n="psc_263.009"/> <p> Die poetischsten Redetheile sind die Verba: mit ihnen <lb n="psc_263.010"/> ist immer die Vorstellung eines Trägers verbunden, eines <lb n="psc_263.011"/> Subjects, an welchem sich Handlung oder Zustand vollzieht, <lb n="psc_263.012"/> an welchem diese haften. Selbst bei Verbis der Gemüthsbewegung <lb n="psc_263.013"/> oder solchen, welche Beharren ausdrücken, haben <lb n="psc_263.014"/> wir den Eindruck der Thätigkeit, der Handlung.</p> <lb n="psc_263.015"/> <p> Am wirksamsten nach dem Obigen sind Verba, welche <lb n="psc_263.016"/> eine sinnliche Bewegung ausdrücken, an der eine psychische <lb n="psc_263.017"/> Vorstellung haftet: zittern, beben, „es schlägt mein Herz“.</p> <lb n="psc_263.018"/> <p> Es kommt hier der Reiz der indirecten Darstellung <lb n="psc_263.019"/> hinzu, welche nur die Wirkung direct ausdrückt, die Ursache <lb n="psc_263.020"/> errathen läßt. Ferner ist die sinnliche Vorstellung lebhafter, <lb n="psc_263.021"/> als die bloß psychische; es wird dadurch die Phantasie stärker <lb n="psc_263.022"/> angeregt, das innere Schauen, Hören. Die bloß psychologische <lb n="psc_263.023"/> Kategorie hat etwas Prosaisches.</p> <lb n="psc_263.024"/> <p> Wenn die Poesie das Sinnliche bevorzugt, so steht sie <lb n="psc_263.025"/> mehr im Einklang mit der ursprünglichen Beschaffenheit der <lb n="psc_263.026"/> Sprache, in welcher Geistiges durch Sinnliches ausgedrückt, <lb n="psc_263.027"/> Geistiges überhaupt nur gewonnen wird durch Übertragung </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [263/0279]
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Wir lassen den Faden hier fallen, der sich an Lessings psc_263.002
Erörterungen im „Laokoon“ anknüpft, halten nur fest, was wir psc_263.003
über Lebhaftigkeit u. s. w. gelernt haben, und betreten nun psc_263.004
unsern eigenen Weg.
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Wir durchmustern die Sprache nach ihren Bestandtheilen psc_263.006
und untersuchen diese Bestandtheile nach ihrem Werth psc_263.007
für die Poesie. Vgl. Herder, Über den Ursprung der Sprache; psc_263.008
Geist der ebräischen Poesie.
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Die poetischsten Redetheile sind die Verba: mit ihnen psc_263.010
ist immer die Vorstellung eines Trägers verbunden, eines psc_263.011
Subjects, an welchem sich Handlung oder Zustand vollzieht, psc_263.012
an welchem diese haften. Selbst bei Verbis der Gemüthsbewegung psc_263.013
oder solchen, welche Beharren ausdrücken, haben psc_263.014
wir den Eindruck der Thätigkeit, der Handlung.
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Am wirksamsten nach dem Obigen sind Verba, welche psc_263.016
eine sinnliche Bewegung ausdrücken, an der eine psychische psc_263.017
Vorstellung haftet: zittern, beben, „es schlägt mein Herz“.
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Es kommt hier der Reiz der indirecten Darstellung psc_263.019
hinzu, welche nur die Wirkung direct ausdrückt, die Ursache psc_263.020
errathen läßt. Ferner ist die sinnliche Vorstellung lebhafter, psc_263.021
als die bloß psychische; es wird dadurch die Phantasie stärker psc_263.022
angeregt, das innere Schauen, Hören. Die bloß psychologische psc_263.023
Kategorie hat etwas Prosaisches.
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Wenn die Poesie das Sinnliche bevorzugt, so steht sie psc_263.025
mehr im Einklang mit der ursprünglichen Beschaffenheit der psc_263.026
Sprache, in welcher Geistiges durch Sinnliches ausgedrückt, psc_263.027
Geistiges überhaupt nur gewonnen wird durch Übertragung
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