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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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Material für unsere Untersuchungen. Wenn wir von gereimter psc_017.002
Prosa reden, so hat das seinen guten Sinn, wir psc_017.003
werden später erörtern welchen; aber auch diese gereimte Prosa psc_017.004
muß uns Poesie sein. Vollends nun etwa das ganze didaktische psc_017.005
Gedicht aus der "eigentlichen" Poesie ausscheiden zu psc_017.006
wollen ist der Gipfel der Willkür und verdient von unserm psc_017.007
Standpunct aus gar keine Widerlegung; denn wenn man nicht psc_017.008
daran festhält, daß alle gebundene Poesie in die Poetik gehört, psc_017.009
dann sind die Grenzen gleich unsicher und subjectiv.

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Wir erheben also hierin Widerspruch gegen Aristoteles, psc_017.011
welcher das Lehrgedicht von der Poesie ausschließt, während psc_017.012
er den sokratischen Prosadialog einschließt. Wie er dazu psc_017.013
kommt, ist sehr klar. Jhm ist die Poesie Charakterdarstellung: psc_017.014
daher ist für ihn der sokratische Dialog Poesie, weil er psc_017.015
immer den Charakter des Sokrates darstellt. Das Lehrgedicht psc_017.016
aber ist ihm nicht Charakterdarstellung und daher psc_017.017
ausgeschlossen. Aber ist das richtig? Man kann sich doch wohl psc_017.018
leicht ein Lehrgedicht denken, durch welches ein Charakter gezeichnet psc_017.019
wird, dem man es in den Mund legt, z. B. ein Lehrgedicht, psc_017.020
in dem Sokrates seine Ansichten entwickelt. Es wird jedenfalls psc_017.021
oft ein Lehrgedicht einen Beitrag zur Charakteristik des Verfassers psc_017.022
ergeben; man braucht also hier nur den Aristoteles psc_017.023
beim Wort zu nehmen um ihn zu widerlegen. Denn wenn psc_017.024
man ihm nachgeht, müßte man unterscheiden zwischen Lehrgedichten psc_017.025
wo man eine Spur von Charakteristik findet, und psc_017.026
wo nicht; und das ist unmöglich. Wir kommen darauf bei psc_017.027
Aristoteles zurück.

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Material für unsere Untersuchungen. Wenn wir von gereimter psc_017.002
Prosa reden, so hat das seinen guten Sinn, wir psc_017.003
werden später erörtern welchen; aber auch diese gereimte Prosa psc_017.004
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Gedicht aus der „eigentlichen“ Poesie ausscheiden zu psc_017.006
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Standpunct aus gar keine Widerlegung; denn wenn man nicht psc_017.008
daran festhält, daß alle gebundene Poesie in die Poetik gehört, psc_017.009
dann sind die Grenzen gleich unsicher und subjectiv.

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  Wir erheben also hierin Widerspruch gegen Aristoteles, psc_017.011
welcher das Lehrgedicht von der Poesie ausschließt, während psc_017.012
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kommt, ist sehr klar. Jhm ist die Poesie Charakterdarstellung: psc_017.014
daher ist für ihn der sokratische Dialog Poesie, weil er psc_017.015
immer den Charakter des Sokrates darstellt. Das Lehrgedicht psc_017.016
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leicht ein Lehrgedicht denken, durch welches ein Charakter gezeichnet psc_017.019
wird, dem man es in den Mund legt, z. B. ein Lehrgedicht, psc_017.020
in dem Sokrates seine Ansichten entwickelt. Es wird jedenfalls psc_017.021
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ergeben; man braucht also hier nur den Aristoteles psc_017.023
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[17/0033] psc_017.001 Material für unsere Untersuchungen. Wenn wir von gereimter psc_017.002 Prosa reden, so hat das seinen guten Sinn, wir psc_017.003 werden später erörtern welchen; aber auch diese gereimte Prosa psc_017.004 muß uns Poesie sein. Vollends nun etwa das ganze didaktische psc_017.005 Gedicht aus der „eigentlichen“ Poesie ausscheiden zu psc_017.006 wollen ist der Gipfel der Willkür und verdient von unserm psc_017.007 Standpunct aus gar keine Widerlegung; denn wenn man nicht psc_017.008 daran festhält, daß alle gebundene Poesie in die Poetik gehört, psc_017.009 dann sind die Grenzen gleich unsicher und subjectiv. psc_017.010   Wir erheben also hierin Widerspruch gegen Aristoteles, psc_017.011 welcher das Lehrgedicht von der Poesie ausschließt, während psc_017.012 er den sokratischen Prosadialog einschließt. Wie er dazu psc_017.013 kommt, ist sehr klar. Jhm ist die Poesie Charakterdarstellung: psc_017.014 daher ist für ihn der sokratische Dialog Poesie, weil er psc_017.015 immer den Charakter des Sokrates darstellt. Das Lehrgedicht psc_017.016 aber ist ihm nicht Charakterdarstellung und daher psc_017.017 ausgeschlossen. Aber ist das richtig? Man kann sich doch wohl psc_017.018 leicht ein Lehrgedicht denken, durch welches ein Charakter gezeichnet psc_017.019 wird, dem man es in den Mund legt, z. B. ein Lehrgedicht, psc_017.020 in dem Sokrates seine Ansichten entwickelt. Es wird jedenfalls psc_017.021 oft ein Lehrgedicht einen Beitrag zur Charakteristik des Verfassers psc_017.022 ergeben; man braucht also hier nur den Aristoteles psc_017.023 beim Wort zu nehmen um ihn zu widerlegen. Denn wenn psc_017.024 man ihm nachgeht, müßte man unterscheiden zwischen Lehrgedichten psc_017.025 wo man eine Spur von Charakteristik findet, und psc_017.026 wo nicht; und das ist unmöglich. Wir kommen darauf bei psc_017.027 Aristoteles zurück.

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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/33>, abgerufen am 23.11.2024.