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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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hat Johannes du Choul,) wird gerechnet 1. oder anderthalbe stund von Lu-
cern. Von dannen gehet man durch anmuhtige Wälder/ Wiesen/ und Bü-
hel nebst einem verstört alten Schloß (welches von einem Engelländer sol
besessen worden seyn) in das Eyenthal/ welches eigentlich heisset Eigen-
thal/
weilen es noch jetzund zehenden frey/ und vor altem sol ein eigen Hoch-
gericht gehabt haben/ so gestanden in einem Ohrt/ Galgenknobli
genant. Jn disem Thal seyn verschiedene Senten/ mit darzu gehörigem
Viehe/ und Sennen. Von disem Thal steiget man nicht ohne mühe obsich
auf den Berg/ findet an dem Wege/ und erquicket die vom steigen müd ge-
machte Beine mit Crystall lauterem Brunnenwasser/ welches man in zim-
licher maß kan einschlucken/ ohne daß es dem Trinker schaden thut. Unter
denen heißt einer der Badbrunnen in Blatterschwendi. Ein anderer
ist der Kaltwehebrunn/ dessen Wasser man stark bis zu erweckung eines
Aberwillens zutrinken pflegt wider das kalte/ sonderlich dreytägige Fieber.
Auf der Obersten höhe des Bergs (welche A. 1702. durch hilff des Wetter-
glases gefunden/ das sie über die Statt Lucern erhoben wenigstens 2800.
Schuh/) und gegen die Güpfe/ wird gezeiget ein Felse/ auf welchem Pila-
tus sol gesessen seyn/ und schwere Donnerwetter erreget haben. Weiter kom-
met man zu einem kleinen Platz/ auf welchem niemalen kein Graß sol wach-
sen/ obgleich rings herum alles von fruchtbaren Kräuteren grün außsihet.
Dergleichen Graßlähre Ohrt haltet man gemeiniglich vor Hexentänz-plätze/
worvon anderstwo zureden vorfallen wird. Und wird auch von disem ins
gevierte anderthalb schühigen Ort vorgegeben/ es habe sich dort ein fahren-
der Schuler gestellet/ als er den Pilatum von seinem Felsen herab beschwo-
ren/ und in den so genanten Pilatus-See gestürzet: Von diserem See
wird zu einer gelegeneren zeit ein mehrers geredt werden: Dißmal berichte
allein/ daß vor 100. und mehr Jahren man darvor gehalten/ wann man ei-
nen Stein/ oder sonst etwas dergleichen in denselben werffe/ so werde der all-
dort versenkte zornige Pilatus sich hervor machen/ und ein schweres Unge-
witter über die benachbarte Landschaft erwecken; weßwegen auch vor disem
niemand hat dörffen disen Berg besteigen/ ohne vorher vom Lobl. Magistrat
zu Lucern genommenen Erlaubnuß/ und sind auch die um den See sich auf-
haltende Sennen beeidiget worden/ nichts in denselben selbs zuwerffen/ oder
von andern hinein werffen zulassen: Heutigs tags aber hält man dise Ge-
schichten alle für Fablen/ man wirffet ohne scheu Holz/ Stein und andere sa-
chen hinein/ ohne das einig unglück deßnahen besorget wird.

Nicht

hat Johannes du Choul,) wird gerechnet 1. oder anderthalbe ſtund von Lu-
cern. Von dannen gehet man durch anmuhtige Waͤlder/ Wieſen/ und Buͤ-
hel nebſt einem verſtoͤrt alten Schloß (welches von einem Engellaͤnder ſol
beſeſſen worden ſeyn) in das Eyenthal/ welches eigentlich heiſſet Eigen-
thal/
weilen es noch jetzund zehenden frey/ und vor altem ſol ein eigen Hoch-
gericht gehabt haben/ ſo geſtanden in einem Ohrt/ Galgenknobli
genant. Jn diſem Thal ſeyn verſchiedene Senten/ mit darzu gehoͤrigem
Viehe/ und Sennen. Von diſem Thal ſteiget man nicht ohne muͤhe obſich
auf den Berg/ findet an dem Wege/ und erquicket die vom ſteigen muͤd ge-
machte Beine mit Cryſtall lauterem Brunnenwaſſer/ welches man in zim-
licher maß kan einſchlucken/ ohne daß es dem Trinker ſchaden thut. Unter
denen heißt einer der Badbrunnen in Blatterſchwendi. Ein anderer
iſt der Kaltwehebrunn/ deſſen Waſſer man ſtark bis zu erweckung eines
Aberwillens zutrinken pflegt wider das kalte/ ſonderlich dreytaͤgige Fieber.
Auf der Oberſten hoͤhe des Bergs (welche A. 1702. durch hilff des Wetter-
glaſes gefunden/ das ſie uͤber die Statt Lucern erhoben wenigſtens 2800.
Schuh/) und gegen die Guͤpfe/ wird gezeiget ein Felſe/ auf welchem Pila-
tus ſol geſeſſen ſeyn/ und ſchwere Donnerwetter erꝛeget haben. Weiter kom-
met man zu einem kleinen Platz/ auf welchem niemalen kein Graß ſol wach-
ſen/ obgleich rings herum alles von fruchtbaren Kraͤuteren gruͤn außſihet.
Dergleichen Graßlaͤhre Ohrt haltet man gemeiniglich vor Hexentaͤnz-plaͤtze/
worvon anderſtwo zureden vorfallen wird. Und wird auch von diſem ins
gevierte anderthalb ſchuͤhigen Ort vorgegeben/ es habe ſich dort ein fahren-
der Schuler geſtellet/ als er den Pilatum von ſeinem Felſen herab beſchwo-
ren/ und in den ſo genanten Pilatus-See geſtuͤrzet: Von diſerem See
wird zu einer gelegeneren zeit ein mehrers geredt werden: Dißmal berichte
allein/ daß vor 100. und mehr Jahren man darvor gehalten/ wann man ei-
nen Stein/ oder ſonſt etwas dergleichen in denſelben werffe/ ſo werde der all-
dort verſenkte zornige Pilatus ſich hervor machen/ und ein ſchweres Unge-
witter uͤber die benachbarte Landſchaft erwecken; weßwegen auch vor diſem
niemand hat doͤrffen diſen Berg beſteigen/ ohne vorher vom Lobl. Magiſtrat
zu Lucern genommenen Erlaubnuß/ und ſind auch die um den See ſich auf-
haltende Sennen beeidiget worden/ nichts in denſelben ſelbs zuwerffen/ oder
von andern hinein werffen zulaſſen: Heutigs tags aber haͤlt man diſe Ge-
ſchichten alle fuͤr Fablen/ man wirffet ohne ſcheu Holz/ Stein und andere ſa-
chen hinein/ ohne das einig ungluͤck deßnahen beſorget wird.

Nicht
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[14/0025] hat Johannes du Choul,) wird gerechnet 1. oder anderthalbe ſtund von Lu- cern. Von dannen gehet man durch anmuhtige Waͤlder/ Wieſen/ und Buͤ- hel nebſt einem verſtoͤrt alten Schloß (welches von einem Engellaͤnder ſol beſeſſen worden ſeyn) in das Eyenthal/ welches eigentlich heiſſet Eigen- thal/ weilen es noch jetzund zehenden frey/ und vor altem ſol ein eigen Hoch- gericht gehabt haben/ ſo geſtanden in einem Ohrt/ Galgenknobli genant. Jn diſem Thal ſeyn verſchiedene Senten/ mit darzu gehoͤrigem Viehe/ und Sennen. Von diſem Thal ſteiget man nicht ohne muͤhe obſich auf den Berg/ findet an dem Wege/ und erquicket die vom ſteigen muͤd ge- machte Beine mit Cryſtall lauterem Brunnenwaſſer/ welches man in zim- licher maß kan einſchlucken/ ohne daß es dem Trinker ſchaden thut. Unter denen heißt einer der Badbrunnen in Blatterſchwendi. Ein anderer iſt der Kaltwehebrunn/ deſſen Waſſer man ſtark bis zu erweckung eines Aberwillens zutrinken pflegt wider das kalte/ ſonderlich dreytaͤgige Fieber. Auf der Oberſten hoͤhe des Bergs (welche A. 1702. durch hilff des Wetter- glaſes gefunden/ das ſie uͤber die Statt Lucern erhoben wenigſtens 2800. Schuh/) und gegen die Guͤpfe/ wird gezeiget ein Felſe/ auf welchem Pila- tus ſol geſeſſen ſeyn/ und ſchwere Donnerwetter erꝛeget haben. Weiter kom- met man zu einem kleinen Platz/ auf welchem niemalen kein Graß ſol wach- ſen/ obgleich rings herum alles von fruchtbaren Kraͤuteren gruͤn außſihet. Dergleichen Graßlaͤhre Ohrt haltet man gemeiniglich vor Hexentaͤnz-plaͤtze/ worvon anderſtwo zureden vorfallen wird. Und wird auch von diſem ins gevierte anderthalb ſchuͤhigen Ort vorgegeben/ es habe ſich dort ein fahren- der Schuler geſtellet/ als er den Pilatum von ſeinem Felſen herab beſchwo- ren/ und in den ſo genanten Pilatus-See geſtuͤrzet: Von diſerem See wird zu einer gelegeneren zeit ein mehrers geredt werden: Dißmal berichte allein/ daß vor 100. und mehr Jahren man darvor gehalten/ wann man ei- nen Stein/ oder ſonſt etwas dergleichen in denſelben werffe/ ſo werde der all- dort verſenkte zornige Pilatus ſich hervor machen/ und ein ſchweres Unge- witter uͤber die benachbarte Landſchaft erwecken; weßwegen auch vor diſem niemand hat doͤrffen diſen Berg beſteigen/ ohne vorher vom Lobl. Magiſtrat zu Lucern genommenen Erlaubnuß/ und ſind auch die um den See ſich auf- haltende Sennen beeidiget worden/ nichts in denſelben ſelbs zuwerffen/ oder von andern hinein werffen zulaſſen: Heutigs tags aber haͤlt man diſe Ge- ſchichten alle fuͤr Fablen/ man wirffet ohne ſcheu Holz/ Stein und andere ſa- chen hinein/ ohne das einig ungluͤck deßnahen beſorget wird. Nicht

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/25>, abgerufen am 29.04.2024.