Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch.

"Je mehr man in dem Land verheerte Schlösser schaute,
80"Je mehr derselben ich in treuen Herzen baute.

"Wie manch verzagter Sinn ward durch mich Schrecken frey?
"Was hatt' ich nicht gewirckt, daß eine feste Treu
"Gemüths Aufrichtigkeit und munteres Betragen,
"Mißhelligkeit und Zwist, und Lauigkeit verjagen?
85"Die Sachen hatten oft so mißlich ausgesehn,

"Daß vielen grauend war nicht eilends durchzugehn,
"Fast alle Mächtigsten bezeigten sich als Feinde;
"Die gröste Seltsamkeit war Hilff und Rath der Freunde.
"Uns stunde niemand bey; und jene rieffen gar:
90"Hilff Abgrund! stellt uns nicht der Lufft-Kreis Helffer dar!

"Dann hätte dieser sich zum Schwert geschickt befunden,
"So wären wir vielleicht gefesselt und gebunden.

"Wo sich der treueste doch endlich falsche Fluß
"Dem schwarzen Flutten-Schlund gefangen geben muß;
95"Dort wo die Sonne sich fast hin zu gehen scheuet,

"Weil dort des Winters Macht die See mit Eis bestreuet;
"Auch wo sich nur ein Blick der Hoffnung vorgethan,
"Daß die Beredsamkeit des Goldes wircken kann;
"Dort war der Völcker Haupt um Schwert und Pfeil und Bogen
100"Von unsrer Feinde Bund mit Trug und List belogen.

"Kurz: alles zitterte. Wir waren ohne Macht,
"Daß uns die ganze Welt vor aufgezehrt geacht.
"Vom
P

Viertes Buch.

„Je mehr man in dem Land verheerte Schloͤſſer ſchaute,
80„Je mehr derſelben ich in treuen Herzen baute.

„Wie manch verzagter Sinn ward durch mich Schrecken frey?
„Was hatt’ ich nicht gewirckt, daß eine feſte Treu
„Gemuͤths Aufrichtigkeit und munteres Betragen,
„Mißhelligkeit und Zwiſt, und Lauigkeit verjagen?
85„Die Sachen hatten oft ſo mißlich ausgeſehn,

„Daß vielen grauend war nicht eilends durchzugehn,
„Faſt alle Maͤchtigſten bezeigten ſich als Feinde;
„Die groͤſte Seltſamkeit war Hilff und Rath der Freunde.
„Uns ſtunde niemand bey; und jene rieffen gar:
90„Hilff Abgrund! ſtellt uns nicht der Lufft-Kreis Helffer dar!

„Dann haͤtte dieſer ſich zum Schwert geſchickt befunden,
„So waͤren wir vielleicht gefeſſelt und gebunden.

„Wo ſich der treueſte doch endlich falſche Fluß
„Dem ſchwarzen Flutten-Schlund gefangen geben muß;
95„Dort wo die Sonne ſich faſt hin zu gehen ſcheuet,

„Weil dort des Winters Macht die See mit Eis beſtreuet;
„Auch wo ſich nur ein Blick der Hoffnung vorgethan,
„Daß die Beredſamkeit des Goldes wircken kann;
„Dort war der Voͤlcker Haupt um Schwert und Pfeil und Bogen
100„Von unſrer Feinde Bund mit Trug und Liſt belogen.

„Kurz: alles zitterte. Wir waren ohne Macht,
„Daß uns die ganze Welt vor aufgezehrt geacht.
„Vom
P
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg>
              <l>
                <pb facs="#f0120"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Viertes Buch.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>&#x201E;Je mehr man in dem Land verheerte Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er &#x017F;chaute,<lb/><note place="left">80</note>&#x201E;Je mehr der&#x017F;elben ich in treuen Herzen baute.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wie manch verzagter Sinn ward durch mich Schrecken frey?</l><lb/>
              <l>&#x201E;Was hatt&#x2019; ich nicht gewirckt, daß eine fe&#x017F;te Treu</l><lb/>
              <l>&#x201E;Gemu&#x0364;ths Aufrichtigkeit und munteres Betragen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Mißhelligkeit und Zwi&#x017F;t, und Lauigkeit verjagen?<lb/><note place="left">85</note>&#x201E;Die Sachen hatten oft &#x017F;o mißlich ausge&#x017F;ehn,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Daß vielen grauend war nicht eilends durchzugehn,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Fa&#x017F;t alle Ma&#x0364;chtig&#x017F;ten bezeigten &#x017F;ich als Feinde;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Die gro&#x0364;&#x017F;te Selt&#x017F;amkeit war Hilff und Rath der Freunde.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Uns &#x017F;tunde niemand bey; und jene rieffen gar:<lb/><note place="left">90</note>&#x201E;Hilff Abgrund! &#x017F;tellt uns nicht der Lufft-Kreis Helffer dar!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Dann ha&#x0364;tte die&#x017F;er &#x017F;ich zum Schwert ge&#x017F;chickt befunden,</l><lb/>
              <l>&#x201E;So wa&#x0364;ren wir vielleicht gefe&#x017F;&#x017F;elt und gebunden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Wo &#x017F;ich der treue&#x017F;te doch endlich fal&#x017F;che Fluß</l><lb/>
              <l>&#x201E;Dem &#x017F;chwarzen Flutten-Schlund gefangen geben muß;<lb/><note place="left">95</note>&#x201E;Dort wo die Sonne &#x017F;ich fa&#x017F;t hin zu gehen &#x017F;cheuet,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Weil dort des Winters Macht die See mit Eis be&#x017F;treuet;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Auch wo &#x017F;ich nur ein Blick der Hoffnung vorgethan,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Daß die Bered&#x017F;amkeit des Goldes wircken kann;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Dort war der Vo&#x0364;lcker Haupt um Schwert und Pfeil und Bogen<lb/><note place="left">100</note>&#x201E;Von un&#x017F;rer Feinde Bund mit Trug und Li&#x017F;t belogen.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Kurz: alles zitterte. Wir waren ohne Macht,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Daß uns die ganze Welt vor aufgezehrt geacht.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Vom</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0120] Viertes Buch. „Je mehr man in dem Land verheerte Schloͤſſer ſchaute, „Je mehr derſelben ich in treuen Herzen baute. „Wie manch verzagter Sinn ward durch mich Schrecken frey? „Was hatt’ ich nicht gewirckt, daß eine feſte Treu „Gemuͤths Aufrichtigkeit und munteres Betragen, „Mißhelligkeit und Zwiſt, und Lauigkeit verjagen? „Die Sachen hatten oft ſo mißlich ausgeſehn, „Daß vielen grauend war nicht eilends durchzugehn, „Faſt alle Maͤchtigſten bezeigten ſich als Feinde; „Die groͤſte Seltſamkeit war Hilff und Rath der Freunde. „Uns ſtunde niemand bey; und jene rieffen gar: „Hilff Abgrund! ſtellt uns nicht der Lufft-Kreis Helffer dar! „Dann haͤtte dieſer ſich zum Schwert geſchickt befunden, „So waͤren wir vielleicht gefeſſelt und gebunden. „Wo ſich der treueſte doch endlich falſche Fluß „Dem ſchwarzen Flutten-Schlund gefangen geben muß; „Dort wo die Sonne ſich faſt hin zu gehen ſcheuet, „Weil dort des Winters Macht die See mit Eis beſtreuet; „Auch wo ſich nur ein Blick der Hoffnung vorgethan, „Daß die Beredſamkeit des Goldes wircken kann; „Dort war der Voͤlcker Haupt um Schwert und Pfeil und Bogen „Von unſrer Feinde Bund mit Trug und Liſt belogen. „Kurz: alles zitterte. Wir waren ohne Macht, „Daß uns die ganze Welt vor aufgezehrt geacht. „Vom P

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/120
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/120>, abgerufen am 21.11.2024.