Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.
Hier schwieg sie still, jedoch das Schweigen schien so viel Als wär sie durch den Saz noch nicht an ihrem Ziel; Jnzwischen ward im Saal fast jeder Anblick rege, Als wann man dieses Falls Bestättigung erwege. "Es kostet sie den Schlaf, der Sinnen Ruh und Lust, 455450"Wann ein verlassnes Weib ihr in dem Land bewust; "Sie fragt", so sprach sie fort, "des Morgens nach den Armen, "Die Tags vorher ihr Herz zum Beyleid und Erbarmen "Durch einen Blick erweckt. Wo sie nicht selber kann, "Hilfft sie durch andere; nimmt Mutter-Theil daran. "Dürfft' ich diejenigen dem Kreiß vor Augen stellen, "Die sie auch anderwärts aus trüben Elends-Wellen 444. "Jn 444. [Spaltenumbruch]
Diese Begebenheit/ welche all-
hier Vorbedeutungs-weis angeführet wird/ ereignete sich den 21. Sept. 1745. bey Urfar in der Grafschaft Wertheim/ [Spaltenumbruch] allwo Jhro Majest. die Königinn Aller- höchst Dero Gemahl zum ersten Mahl als Röm. König in einem Fischer-Kahn auf dem Mayn-Strohm erblicket haben.
Hier ſchwieg ſie ſtill, jedoch das Schweigen ſchien ſo viel Als waͤr ſie durch den Saz noch nicht an ihrem Ziel; Jnzwiſchen ward im Saal faſt jeder Anblick rege, Als wann man dieſes Falls Beſtaͤttigung erwege. „Es koſtet ſie den Schlaf, der Sinnen Ruh und Luſt, 455450„Wann ein verlaſſnes Weib ihr in dem Land bewuſt; „Sie fragt“, ſo ſprach ſie fort, „des Morgens nach den Armen, „Die Tags vorher ihr Herz zum Beyleid und Erbarmen „Durch einen Blick erweckt. Wo ſie nicht ſelber kann, „Hilfft ſie durch andere; nimmt Mutter-Theil daran. „Duͤrfft’ ich diejenigen dem Kreiß vor Augen ſtellen, „Die ſie auch anderwaͤrts aus truͤben Elends-Wellen 444. „Jn 444. [Spaltenumbruch]
Dieſe Begebenheit/ welche all-
hier Vorbedeutungs-weis angefuͤhret wird/ ereignete ſich den 21. Sept. 1745. bey Urfar in der Grafſchaft Wertheim/ [Spaltenumbruch] allwo Jhro Majeſt. die Koͤniginn Aller- hoͤchſt Dero Gemahl zum erſten Mahl als Roͤm. Koͤnig in einem Fiſcher-Kahn auf dem Mayn-Strohm erblicket haben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg> <l> <pb facs="#f0167"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Thereſiade</hi> </fw> </l><lb/> <l>„Und ſie den Ehgemahl ganz unvermuthet ſaͤh?</l><lb/> <l>„Sagt an, warum und wie dergleichen Fall geſchaͤh?</l><lb/> <l>„Jhr wißt es, wann ihr nicht den Ausſpruch habt vergeſſen:<lb/><note place="left">440</note>„GOtt mißt mit jener Maaß, mit der man hat gemeſſen.</l><lb/> <l>„Der Fuͤrſt ſteht Armen bey. Durch was? durch einen Kahn.</l><lb/> <l>„Da ſieht GOtt ſein Gemuͤth, auch die Gemahlin an</l><lb/> <l>„Und ſpricht: So ſchiffet er, den Armen beyzuſpringen?</l><lb/> <l>„Man ſoll in einem Kahn Jhr Jhn als Koͤnig bringen.</l> </lg><lb/> <note place="left">445</note> <lg> <l>Hier ſchwieg ſie ſtill, jedoch das Schweigen ſchien ſo viel</l><lb/> <l>Als waͤr ſie durch den Saz noch nicht an ihrem Ziel;</l><lb/> <l>Jnzwiſchen ward im Saal faſt jeder Anblick rege,</l><lb/> <l>Als wann man dieſes Falls Beſtaͤttigung erwege.</l> </lg><lb/> <lg> <l>„Es koſtet ſie den Schlaf, der Sinnen Ruh und Luſt,<lb/><note place="left">450</note>„Wann ein verlaſſnes Weib ihr in dem Land bewuſt;</l><lb/> <l>„Sie fragt“, ſo ſprach ſie fort, „des Morgens nach den Armen,</l><lb/> <l>„Die Tags vorher ihr Herz zum Beyleid und Erbarmen</l><lb/> <l>„Durch einen Blick erweckt. Wo ſie nicht ſelber kann,</l><lb/> <l>„Hilfft ſie durch andere; nimmt Mutter-Theil daran.</l> </lg><lb/> <note place="left">455</note> <lg> <l>„Duͤrfft’ ich diejenigen dem Kreiß vor Augen ſtellen,</l><lb/> <l>„Die ſie auch anderwaͤrts aus truͤben Elends-Wellen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">„Jn</fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><note place="foot" n="444."><cb/> Dieſe Begebenheit/ welche all-<lb/> hier Vorbedeutungs-weis angefuͤhret<lb/> wird/ ereignete ſich den 21. <hi rendition="#aq">Sept.</hi> 1745.<lb/> bey Urfar in der Grafſchaft Wertheim/<lb/><cb/> allwo Jhro Majeſt. die Koͤniginn Aller-<lb/> hoͤchſt Dero Gemahl zum erſten Mahl<lb/> als Roͤm. Koͤnig in einem Fiſcher-Kahn<lb/> auf dem Mayn-Strohm erblicket haben.</note><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0167]
Thereſiade
„Und ſie den Ehgemahl ganz unvermuthet ſaͤh?
„Sagt an, warum und wie dergleichen Fall geſchaͤh?
„Jhr wißt es, wann ihr nicht den Ausſpruch habt vergeſſen:
„GOtt mißt mit jener Maaß, mit der man hat gemeſſen.
„Der Fuͤrſt ſteht Armen bey. Durch was? durch einen Kahn.
„Da ſieht GOtt ſein Gemuͤth, auch die Gemahlin an
„Und ſpricht: So ſchiffet er, den Armen beyzuſpringen?
„Man ſoll in einem Kahn Jhr Jhn als Koͤnig bringen.
Hier ſchwieg ſie ſtill, jedoch das Schweigen ſchien ſo viel
Als waͤr ſie durch den Saz noch nicht an ihrem Ziel;
Jnzwiſchen ward im Saal faſt jeder Anblick rege,
Als wann man dieſes Falls Beſtaͤttigung erwege.
„Es koſtet ſie den Schlaf, der Sinnen Ruh und Luſt,
„Wann ein verlaſſnes Weib ihr in dem Land bewuſt;
„Sie fragt“, ſo ſprach ſie fort, „des Morgens nach den Armen,
„Die Tags vorher ihr Herz zum Beyleid und Erbarmen
„Durch einen Blick erweckt. Wo ſie nicht ſelber kann,
„Hilfft ſie durch andere; nimmt Mutter-Theil daran.
„Duͤrfft’ ich diejenigen dem Kreiß vor Augen ſtellen,
„Die ſie auch anderwaͤrts aus truͤben Elends-Wellen
„Jn
444.
444.
Dieſe Begebenheit/ welche all-
hier Vorbedeutungs-weis angefuͤhret
wird/ ereignete ſich den 21. Sept. 1745.
bey Urfar in der Grafſchaft Wertheim/
allwo Jhro Majeſt. die Koͤniginn Aller-
hoͤchſt Dero Gemahl zum erſten Mahl
als Roͤm. Koͤnig in einem Fiſcher-Kahn
auf dem Mayn-Strohm erblicket haben.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |