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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Drittes Buch.
Die Unerschrockenheit gab öffters solche Zeichen,
Daß sich die Frömmigkeit mit ihr nicht sollt vergleichen.
Hier aber stund sie auf, und sprach: "Wer weiß es nicht,
"Daß Frömmigkeit von nichts, als von der Andacht spricht?
275"Und billig hast du sie gebraucht, erzählt, gepriesen.

"Allein, hast du dadurch so viel, als ich, erwiesen?
"Dein Vortrag ist mein Werck: hätt euch der Sturm erschreckt;
"Wo wär die Frömmigkeit mit ihrem Schiff gesteckt?
"Stumm, blind, unmächtig, taub, erstarrt hättst du geschworen,
280"Das ganze Schiff-Geräth sey durch den Sturm verlohren.
Die Frömmigkeit vernahm den Einwurff; schwieg dazu,
Und wies in dem Gesicht Gelassenheit und Ruh:
Doch endlich sprach sie dies: "Was? Freundinn? willst du streiten?
"Wie? oder selber gar den Sieg mir zubereiten?
285"Vernimm! wer hat das Schwert der Feinde mehr gewezt

"Als du? wer hat es mehr zum Kriegen aufgehezt?
"Du triebst es in die Wuth: es hat gepocht, gefochten;
"Und dannoch sieht man es mit wenig Laub umflochten.
Darauf ward eingewendt: "Die Furcht ist dein Geleit;
290"Verliehrt nicht diese stets, wo man auch siegt, den Streit?

"Sie schlägt der Krieger Muth durch ihr Entfliehen nieder;
"Sie stört der Schaaren Feur, und schwächt die Macht der Glieder.
"Was", sprach die Frömmigkeit, was ist dein Helden-Muth?
"Erzähl, auf was dein Rath, Verdienst und Werck beruht!
"Mich
L 3
Drittes Buch.
Die Unerſchrockenheit gab oͤffters ſolche Zeichen,
Daß ſich die Froͤmmigkeit mit ihr nicht ſollt vergleichen.
Hier aber ſtund ſie auf, und ſprach: „Wer weiß es nicht,
„Daß Froͤmmigkeit von nichts, als von der Andacht ſpricht?
275„Und billig haſt du ſie gebraucht, erzaͤhlt, geprieſen.

„Allein, haſt du dadurch ſo viel, als ich, erwieſen?
„Dein Vortrag iſt mein Werck: haͤtt euch der Sturm erſchreckt;
„Wo waͤr die Froͤmmigkeit mit ihrem Schiff geſteckt?
„Stumm, blind, unmaͤchtig, taub, erſtarꝛt haͤttſt du geſchworen,
280„Das ganze Schiff-Geraͤth ſey durch den Sturm verlohren.
Die Froͤmmigkeit vernahm den Einwurff; ſchwieg dazu,
Und wies in dem Geſicht Gelaſſenheit und Ruh:
Doch endlich ſprach ſie dies: „Was? Freundinn? willſt du ſtreiten?
„Wie? oder ſelber gar den Sieg mir zubereiten?
285„Vernimm! wer hat das Schwert der Feinde mehr gewezt

„Als du? wer hat es mehr zum Kriegen aufgehezt?
„Du triebſt es in die Wuth: es hat gepocht, gefochten;
„Und dannoch ſieht man es mit wenig Laub umflochten.
Darauf ward eingewendt: „Die Furcht iſt dein Geleit;
290„Verliehrt nicht dieſe ſtets, wo man auch ſiegt, den Streit?

„Sie ſchlaͤgt der Krieger Muth durch ihr Entfliehen nieder;
„Sie ſtoͤrt der Schaaren Feur, und ſchwaͤcht die Macht der Glieder.
„Was„, ſprach die Froͤmmigkeit, was iſt dein Helden-Muth?
„Erzaͤhl, auf was dein Rath, Verdienſt und Werck beruht!
„Mich
L 3
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[0092] Drittes Buch. Die Unerſchrockenheit gab oͤffters ſolche Zeichen, Daß ſich die Froͤmmigkeit mit ihr nicht ſollt vergleichen. Hier aber ſtund ſie auf, und ſprach: „Wer weiß es nicht, „Daß Froͤmmigkeit von nichts, als von der Andacht ſpricht? „Und billig haſt du ſie gebraucht, erzaͤhlt, geprieſen. „Allein, haſt du dadurch ſo viel, als ich, erwieſen? „Dein Vortrag iſt mein Werck: haͤtt euch der Sturm erſchreckt; „Wo waͤr die Froͤmmigkeit mit ihrem Schiff geſteckt? „Stumm, blind, unmaͤchtig, taub, erſtarꝛt haͤttſt du geſchworen, „Das ganze Schiff-Geraͤth ſey durch den Sturm verlohren. Die Froͤmmigkeit vernahm den Einwurff; ſchwieg dazu, Und wies in dem Geſicht Gelaſſenheit und Ruh: Doch endlich ſprach ſie dies: „Was? Freundinn? willſt du ſtreiten? „Wie? oder ſelber gar den Sieg mir zubereiten? „Vernimm! wer hat das Schwert der Feinde mehr gewezt „Als du? wer hat es mehr zum Kriegen aufgehezt? „Du triebſt es in die Wuth: es hat gepocht, gefochten; „Und dannoch ſieht man es mit wenig Laub umflochten. Darauf ward eingewendt: „Die Furcht iſt dein Geleit; „Verliehrt nicht dieſe ſtets, wo man auch ſiegt, den Streit? „Sie ſchlaͤgt der Krieger Muth durch ihr Entfliehen nieder; „Sie ſtoͤrt der Schaaren Feur, und ſchwaͤcht die Macht der Glieder. „Was„, ſprach die Froͤmmigkeit, was iſt dein Helden-Muth? „Erzaͤhl, auf was dein Rath, Verdienſt und Werck beruht! „Mich L 3

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/92>, abgerufen am 09.11.2024.