Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.Theresiade "Er sah mit trübem Aug an ihr die Pracht des Lichts,"An seinem blassen Rund und Umkreiß aber nichts "Als graue Dunckelheit. Er wandt sich nach der Ferne, "Jn welcher das Gebliz der allerklärsten Sterne 445"Die blauen Bögen ziert. Er nennte sie zwar schön, "Allein es schien ihm mehr am Sonnen-Licht zu sehn. "Er merckte, daß die Luft und Erde spieglend glühe, "Wann kaum ein Strahl davon im Frühling in der Frühe "Dieselbigen bemahlt; wie sehr, wann selbst das Rund 450"Der Sonne sich erhöht, und jene goldne Stund "Der Welt verkündiget, die selbst den Tag beschämet, "Da sie das bunte Feld mit ihrem Licht besämet. "So fuhr er auf und sprach: wer ist dann hier das Haupt? "Jn dieser Gegenwart bin ich des Rangs beraubt! 455"Noch mehr ein blasser Stern, von dessen Eigenschaften "Die meisten an der Sonn und ihrer Wirckung hafften. "Jch dencke was ich will (fuhr er verwundert fort) "Jch sehe kein Geschöpf, kein Wesen, keinen Ort "Wohin nicht ihre Macht mit Licht und Strahlen dringet, 460"So sie nicht färbt, belebt, erwärmt, in Wachsthum bringet. "Sie schwingt sich durch die Welt mit mehrer Pracht und Schein, "Als aller Sterne Glanz in eins verknüpft kann seyn. "Wer mag dahero nicht aus allen Wercken spühren, "Daß wir vor ihr die Kraft, mithin den Rang verliehren? "Jn
Thereſiade „Er ſah mit truͤbem Aug an ihr die Pracht des Lichts,„An ſeinem blaſſen Rund und Umkreiß aber nichts „Als graue Dunckelheit. Er wandt ſich nach der Ferne, „Jn welcher das Gebliz der allerklaͤrſten Sterne 445„Die blauen Boͤgen ziert. Er nennte ſie zwar ſchoͤn, „Allein es ſchien ihm mehr am Sonnen-Licht zu ſehn. „Er merckte, daß die Luft und Erde ſpieglend gluͤhe, „Wann kaum ein Strahl davon im Fruͤhling in der Fruͤhe „Dieſelbigen bemahlt; wie ſehr, wann ſelbſt das Rund 450„Der Sonne ſich erhoͤht, und jene goldne Stund „Der Welt verkuͤndiget, die ſelbſt den Tag beſchaͤmet, „Da ſie das bunte Feld mit ihrem Licht beſaͤmet. „So fuhr er auf und ſprach: wer iſt dann hier das Haupt? „Jn dieſer Gegenwart bin ich des Rangs beraubt! 455„Noch mehr ein blaſſer Stern, von deſſen Eigenſchaften „Die meiſten an der Sonn und ihrer Wirckung hafften. „Jch dencke was ich will (fuhr er verwundert fort) „Jch ſehe kein Geſchoͤpf, kein Weſen, keinen Ort „Wohin nicht ihre Macht mit Licht und Strahlen dringet, 460„So ſie nicht faͤrbt, belebt, erwaͤrmt, in Wachsthum bringet. „Sie ſchwingt ſich durch die Welt mit mehrer Pracht und Schein, „Als aller Sterne Glanz in eins verknuͤpft kann ſeyn. „Wer mag dahero nicht aus allen Wercken ſpuͤhren, „Daß wir vor ihr die Kraft, mithin den Rang verliehren? „Jn
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0022"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Thereſiade</hi> </fw><lb/> <l>„Er ſah mit truͤbem Aug an ihr die Pracht des Lichts,</l><lb/> <l>„An ſeinem blaſſen Rund und Umkreiß aber nichts</l><lb/> <l>„Als graue Dunckelheit. Er wandt ſich nach der Ferne,</l><lb/> <l>„Jn welcher das Gebliz der allerklaͤrſten Sterne</l><lb/> <l><note place="left">445</note>„Die blauen Boͤgen ziert. Er nennte ſie zwar ſchoͤn,</l><lb/> <l>„Allein es ſchien ihm mehr am Sonnen-Licht zu ſehn.</l><lb/> <l>„Er merckte, daß die Luft und Erde ſpieglend gluͤhe,</l><lb/> <l>„Wann kaum ein Strahl davon im Fruͤhling in der Fruͤhe</l><lb/> <l>„Dieſelbigen bemahlt; wie ſehr, wann ſelbſt das Rund</l><lb/> <l><note place="left">450</note>„Der Sonne ſich erhoͤht, und jene goldne Stund</l><lb/> <l>„Der Welt verkuͤndiget, die ſelbſt den Tag beſchaͤmet,</l><lb/> <l>„Da ſie das bunte Feld mit ihrem Licht beſaͤmet.</l><lb/> <l>„So fuhr er auf und ſprach: wer iſt dann hier das Haupt?</l><lb/> <l>„Jn dieſer Gegenwart bin ich des Rangs beraubt!</l><lb/> <l><note place="left">455</note>„Noch mehr ein blaſſer Stern, von deſſen Eigenſchaften</l><lb/> <l>„Die meiſten an der Sonn und ihrer Wirckung hafften.</l><lb/> <l>„Jch dencke was ich will (fuhr er verwundert fort)</l><lb/> <l>„Jch ſehe kein Geſchoͤpf, kein Weſen, keinen Ort</l><lb/> <l>„Wohin nicht ihre Macht mit Licht und Strahlen dringet,</l><lb/> <l><note place="left">460</note>„So ſie nicht faͤrbt, belebt, erwaͤrmt, in Wachsthum bringet.</l><lb/> <l>„Sie ſchwingt ſich durch die Welt mit mehrer Pracht und Schein,</l><lb/> <l>„Als aller Sterne Glanz in eins verknuͤpft kann ſeyn.</l><lb/> <l>„Wer mag dahero nicht aus allen Wercken ſpuͤhren,</l><lb/> <l>„Daß wir vor ihr die Kraft, mithin den Rang verliehren?</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">„Jn</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
Thereſiade
„Er ſah mit truͤbem Aug an ihr die Pracht des Lichts,
„An ſeinem blaſſen Rund und Umkreiß aber nichts
„Als graue Dunckelheit. Er wandt ſich nach der Ferne,
„Jn welcher das Gebliz der allerklaͤrſten Sterne
„Die blauen Boͤgen ziert. Er nennte ſie zwar ſchoͤn,
„Allein es ſchien ihm mehr am Sonnen-Licht zu ſehn.
„Er merckte, daß die Luft und Erde ſpieglend gluͤhe,
„Wann kaum ein Strahl davon im Fruͤhling in der Fruͤhe
„Dieſelbigen bemahlt; wie ſehr, wann ſelbſt das Rund
„Der Sonne ſich erhoͤht, und jene goldne Stund
„Der Welt verkuͤndiget, die ſelbſt den Tag beſchaͤmet,
„Da ſie das bunte Feld mit ihrem Licht beſaͤmet.
„So fuhr er auf und ſprach: wer iſt dann hier das Haupt?
„Jn dieſer Gegenwart bin ich des Rangs beraubt!
„Noch mehr ein blaſſer Stern, von deſſen Eigenſchaften
„Die meiſten an der Sonn und ihrer Wirckung hafften.
„Jch dencke was ich will (fuhr er verwundert fort)
„Jch ſehe kein Geſchoͤpf, kein Weſen, keinen Ort
„Wohin nicht ihre Macht mit Licht und Strahlen dringet,
„So ſie nicht faͤrbt, belebt, erwaͤrmt, in Wachsthum bringet.
„Sie ſchwingt ſich durch die Welt mit mehrer Pracht und Schein,
„Als aller Sterne Glanz in eins verknuͤpft kann ſeyn.
„Wer mag dahero nicht aus allen Wercken ſpuͤhren,
„Daß wir vor ihr die Kraft, mithin den Rang verliehren?
„Jn
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |