Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Siebendes Buch.
"Es wich was Schatten heißt, von allen Seiten ab,
"So daß die Sonne sich ganz hell zu sehen gab.
515"O du verblendter Mond! geh! weich mit deinen Sternen!
"Sie mußten ihr Gesicht vom Sonnen-Feur entfernen;
"Und als sie sich besahn, war Pracht und Schimmer hin:
"Sie merckten kaum, wohin die Sonne wurde ziehn;
"So ward der Sterne Glanz vernebelt und verhüllet;
520"So blieb ihr Wunsch, ihr Gruß, ihr Vorsaz unerfüllet.
"Der Mond begab sich hin, auch fast ein jeder Stern,
"An seinen Himmels-Kreiß; betrachtete von fern
"Der Sonne Gold-Triumpf. Je mehr man den sah funckeln,
"Je mehr sah man den Mond für Ehrfurcht sich verdunckeln.
525"So brach er also loß: Der Sonne fehlts an nichts;
"Zu was bedarff sie dann des schwachen Sternen-Lichts?
"Sie prangt mit eigner Macht; sie kann sich selber krönen,
"Jch selber muß von ihr mein schönstes Licht entlehnen.
"Nun komm' ich wiederum zu diesem Tugend-Saal:
530"Errathet ihr, was ich durch diese Fabel mahl?
"Der Sternen-Kreiß seyd ihr. Theresia die Sonne,
"Die Fürstinn euers Chors, Vergnügen, Lust und Wonne.
"Mich dunckt ich irre nicht; und selber ihr versteht,
"Daß die Begebenheit nach meiner Absicht geht.
535"Die Sonne reget euch, verherrlichet, belebet,
"Begeistert eure Macht, wann ihr um selbe schwebet.
"Jhr
Siebendes Buch.
„Es wich was Schatten heißt, von allen Seiten ab,
„So daß die Sonne ſich ganz hell zu ſehen gab.
515„O du verblendter Mond! geh! weich mit deinen Sternen!
„Sie mußten ihr Geſicht vom Sonnen-Feur entfernen;
„Und als ſie ſich beſahn, war Pracht und Schimmer hin:
„Sie merckten kaum, wohin die Sonne wurde ziehn;
„So ward der Sterne Glanz vernebelt und verhuͤllet;
520„So blieb ihr Wunſch, ihr Gruß, ihr Vorſaz unerfuͤllet.
„Der Mond begab ſich hin, auch faſt ein jeder Stern,
„An ſeinen Himmels-Kreiß; betrachtete von fern
„Der Sonne Gold-Triumpf. Je mehr man den ſah funckeln,
„Je mehr ſah man den Mond fuͤr Ehrfurcht ſich verdunckeln.
525„So brach er alſo loß: Der Sonne fehlts an nichts;
„Zu was bedarff ſie dann des ſchwachen Sternen-Lichts?
„Sie prangt mit eigner Macht; ſie kann ſich ſelber kroͤnen,
„Jch ſelber muß von ihr mein ſchoͤnſtes Licht entlehnen.
„Nun komm’ ich wiederum zu dieſem Tugend-Saal:
530„Errathet ihr, was ich durch dieſe Fabel mahl?
„Der Sternen-Kreiß ſeyd ihr. Thereſia die Sonne,
„Die Fuͤrſtinn euers Chors, Vergnuͤgen, Luſt und Wonne.
„Mich dunckt ich irꝛe nicht; und ſelber ihr verſteht,
„Daß die Begebenheit nach meiner Abſicht geht.
535„Die Sonne reget euch, verherꝛlichet, belebet,
„Begeiſtert eure Macht, wann ihr um ſelbe ſchwebet.
„Jhr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0025"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Siebendes Buch.</hi> </fw><lb/>
            <l>&#x201E;Es wich was Schatten heißt, von allen Seiten ab,</l><lb/>
            <l>&#x201E;So daß die Sonne &#x017F;ich ganz hell zu &#x017F;ehen gab.</l><lb/>
            <l><note place="left">515</note>&#x201E;O du verblendter Mond! geh! weich mit deinen Sternen!</l><lb/>
            <l>&#x201E;Sie mußten ihr Ge&#x017F;icht vom Sonnen-Feur entfernen;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Und als &#x017F;ie &#x017F;ich be&#x017F;ahn, war Pracht und Schimmer hin:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Sie merckten kaum, wohin die Sonne wurde ziehn;</l><lb/>
            <l>&#x201E;So ward der Sterne Glanz vernebelt und verhu&#x0364;llet;</l><lb/>
            <l><note place="left">520</note>&#x201E;So blieb ihr Wun&#x017F;ch, ihr Gruß, ihr Vor&#x017F;az unerfu&#x0364;llet.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Der Mond begab &#x017F;ich hin, auch fa&#x017F;t ein jeder Stern,</l><lb/>
            <l>&#x201E;An &#x017F;einen Himmels-Kreiß; betrachtete von fern</l><lb/>
            <l>&#x201E;Der Sonne Gold-Triumpf. Je mehr man den &#x017F;ah funckeln,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Je mehr &#x017F;ah man den Mond fu&#x0364;r Ehrfurcht &#x017F;ich verdunckeln.</l><lb/>
            <l><note place="left">525</note>&#x201E;So brach er al&#x017F;o loß: Der Sonne fehlts an nichts;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Zu was bedarff &#x017F;ie dann des &#x017F;chwachen Sternen-Lichts?</l><lb/>
            <l>&#x201E;Sie prangt mit eigner Macht; &#x017F;ie kann &#x017F;ich &#x017F;elber kro&#x0364;nen,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Jch &#x017F;elber muß von ihr mein &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;tes Licht entlehnen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Nun komm&#x2019; ich wiederum zu die&#x017F;em Tugend-Saal:</l><lb/>
            <l><note place="left">530</note>&#x201E;Errathet ihr, was ich durch die&#x017F;e Fabel mahl?</l><lb/>
            <l>&#x201E;Der Sternen-Kreiß &#x017F;eyd ihr. <hi rendition="#fr">There&#x017F;ia</hi> die Sonne,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Die Fu&#x0364;r&#x017F;tinn euers Chors, Vergnu&#x0364;gen, Lu&#x017F;t und Wonne.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Mich dunckt ich ir&#xA75B;e nicht; und &#x017F;elber ihr ver&#x017F;teht,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Daß die Begebenheit nach meiner Ab&#x017F;icht geht.</l><lb/>
            <l><note place="left">535</note>&#x201E;Die Sonne reget euch, verher&#xA75B;lichet, belebet,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Begei&#x017F;tert eure Macht, wann ihr um &#x017F;elbe &#x017F;chwebet.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Jhr</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0025] Siebendes Buch. „Es wich was Schatten heißt, von allen Seiten ab, „So daß die Sonne ſich ganz hell zu ſehen gab. „O du verblendter Mond! geh! weich mit deinen Sternen! „Sie mußten ihr Geſicht vom Sonnen-Feur entfernen; „Und als ſie ſich beſahn, war Pracht und Schimmer hin: „Sie merckten kaum, wohin die Sonne wurde ziehn; „So ward der Sterne Glanz vernebelt und verhuͤllet; „So blieb ihr Wunſch, ihr Gruß, ihr Vorſaz unerfuͤllet. „Der Mond begab ſich hin, auch faſt ein jeder Stern, „An ſeinen Himmels-Kreiß; betrachtete von fern „Der Sonne Gold-Triumpf. Je mehr man den ſah funckeln, „Je mehr ſah man den Mond fuͤr Ehrfurcht ſich verdunckeln. „So brach er alſo loß: Der Sonne fehlts an nichts; „Zu was bedarff ſie dann des ſchwachen Sternen-Lichts? „Sie prangt mit eigner Macht; ſie kann ſich ſelber kroͤnen, „Jch ſelber muß von ihr mein ſchoͤnſtes Licht entlehnen. „Nun komm’ ich wiederum zu dieſem Tugend-Saal: „Errathet ihr, was ich durch dieſe Fabel mahl? „Der Sternen-Kreiß ſeyd ihr. Thereſia die Sonne, „Die Fuͤrſtinn euers Chors, Vergnuͤgen, Luſt und Wonne. „Mich dunckt ich irꝛe nicht; und ſelber ihr verſteht, „Daß die Begebenheit nach meiner Abſicht geht. „Die Sonne reget euch, verherꝛlichet, belebet, „Begeiſtert eure Macht, wann ihr um ſelbe ſchwebet. „Jhr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/25
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/25>, abgerufen am 21.11.2024.