Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.Theresiade "Nur dieß war, Wertheste! dem hoch-erleuchten Kreiß "Von den Verrichtungen des Kiels, von meinem Preiß "Von meiner Treflichkeit und Pflicht hier vorzutragen; 60"Mich dünckt, man könne mir den Vorzug nicht versagen. Hierauf ward alles still: die Dichterin allein Stund wieder auf und warff den Gegensaz darein: "Red! sprich nur was du willst; doch wirst du nicht erweisen, "Daß deine Feder mehr, als meine Leyr zu preisen. 65"Du sagst man wisse nichts von jenem Alterthum, "Aus dem das Vaterland Herz, Redlichkeit und Ruhm "Auch selbst den Nahmen führt. Was machte deine Feder? "Konnt Buch' und Eiche nicht dir dienen wie die Ceder? "Du selbst, redst du nicht oft von jener Helden Zahl, 70"Der dieses Vaterland so Schuz als Heil empfahl? "Du sagst, daß ihre Brust stets ohne Furcht gestritten; "Daß sie mit Redlichkeit, mit wahrhaft deutschen Sitten, "Mit Herzen voller Treu für Land und Leut gewacht; "Nur dieß ein Glück genennt, was Brüder glücklich macht. 75"Du sagst, in diesen sey der Deutschen Ruhm entglommen; "Von ihnen sey die Treu und Großmuth hergekommen. "Dort habe man den Trieb, der Falschheit liebt, gehaßt; "Die Tugend kaum gewußt, sich doch damit gefaßt. "Der Ehrgeiz, frey zu seyn, und nicht verkauft zu leben 80"Sey von denselben her den Deutschen eingegeben. "Er-
Thereſiade „Nur dieß war, Wertheſte! dem hoch-erleuchten Kreiß „Von den Verrichtungen des Kiels, von meinem Preiß „Von meiner Treflichkeit und Pflicht hier vorzutragen; 60„Mich duͤnckt, man koͤnne mir den Vorzug nicht verſagen. Hierauf ward alles ſtill: die Dichterin allein Stund wieder auf und warff den Gegenſaz darein: „Red! ſprich nur was du willſt; doch wirſt du nicht erweiſen, „Daß deine Feder mehr, als meine Leyr zu preiſen. 65„Du ſagſt man wiſſe nichts von jenem Alterthum, „Aus dem das Vaterland Herz, Redlichkeit und Ruhm „Auch ſelbſt den Nahmen fuͤhrt. Was machte deine Feder? „Konnt Buch’ und Eiche nicht dir dienen wie die Ceder? „Du ſelbſt, redſt du nicht oft von jener Helden Zahl, 70„Der dieſes Vaterland ſo Schuz als Heil empfahl? „Du ſagſt, daß ihre Bruſt ſtets ohne Furcht geſtritten; „Daß ſie mit Redlichkeit, mit wahrhaft deutſchen Sitten, „Mit Herzen voller Treu fuͤr Land und Leut gewacht; „Nur dieß ein Gluͤck genennt, was Bruͤder gluͤcklich macht. 75„Du ſagſt, in dieſen ſey der Deutſchen Ruhm entglommen; „Von ihnen ſey die Treu und Großmuth hergekommen. „Dort habe man den Trieb, der Falſchheit liebt, gehaßt; „Die Tugend kaum gewußt, ſich doch damit gefaßt. „Der Ehrgeiz, frey zu ſeyn, und nicht verkauft zu leben 80„Sey von denſelben her den Deutſchen eingegeben. „Er-
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Thereſiade
„Nur dieß war, Wertheſte! dem hoch-erleuchten Kreiß
„Von den Verrichtungen des Kiels, von meinem Preiß
„Von meiner Treflichkeit und Pflicht hier vorzutragen;
„Mich duͤnckt, man koͤnne mir den Vorzug nicht verſagen.
Hierauf ward alles ſtill: die Dichterin allein
Stund wieder auf und warff den Gegenſaz darein:
„Red! ſprich nur was du willſt; doch wirſt du nicht erweiſen,
„Daß deine Feder mehr, als meine Leyr zu preiſen.
„Du ſagſt man wiſſe nichts von jenem Alterthum,
„Aus dem das Vaterland Herz, Redlichkeit und Ruhm
„Auch ſelbſt den Nahmen fuͤhrt. Was machte deine Feder?
„Konnt Buch’ und Eiche nicht dir dienen wie die Ceder?
„Du ſelbſt, redſt du nicht oft von jener Helden Zahl,
„Der dieſes Vaterland ſo Schuz als Heil empfahl?
„Du ſagſt, daß ihre Bruſt ſtets ohne Furcht geſtritten;
„Daß ſie mit Redlichkeit, mit wahrhaft deutſchen Sitten,
„Mit Herzen voller Treu fuͤr Land und Leut gewacht;
„Nur dieß ein Gluͤck genennt, was Bruͤder gluͤcklich macht.
„Du ſagſt, in dieſen ſey der Deutſchen Ruhm entglommen;
„Von ihnen ſey die Treu und Großmuth hergekommen.
„Dort habe man den Trieb, der Falſchheit liebt, gehaßt;
„Die Tugend kaum gewußt, ſich doch damit gefaßt.
„Der Ehrgeiz, frey zu ſeyn, und nicht verkauft zu leben
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„Er-
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Zitationshilfe: | Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/66>, abgerufen am 16.02.2025. |