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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Neuntes Buch.
Sie trat in Majestät zum Thron, der Greiß von dannen,
Der sagte: "Freundinn komm, das Streiten zu verbannen.
125"Nimm nun den Richter-Plaz! sein lächelndes Gesicht
Empfieng durch ihren Glanz ein gegenschimmernd Licht.
Sie wiesen beyderseits im Aug und in den Mienen,
Es sey ein stiller Trieb der Freundschaft unter ihnen.
Wir sahen, daß er ihr erfreut entgegen lief,
130Und sie mit Zärtlichkeit bey einer Hand ergriff,
Zugleich erbietig war von seinem Siz zu weichen,
Nach dem er sich gewandt, ihr solchen darzureichen.
Mich wunderte, wie sehr gelassen alles war,
Wie sanft, begierig, still, was vor so wanckelbar.
135
"Jst demnach euer Schluß, daß ich den Spruch verfasse?
So fieng ihr Vortrag an, indem sie niedersasse.
"Wahr ists, nicht jeder Hof geduldet meinen Rath;
"Hier aber find' ich mehr als meine Feinde Statt.
"Pflegt nicht Theresia stets jenen Schmuck zu hassen,
140"Womit verborgne List sich trachtet einzufassen?
"Sie nimmt, was ich gedenck' und rathe, gnädig an;
"Sie seufzet, wann sie mich nicht allzeit fragen kann;
"Ein himmlisches Gehör! o Klugheits-volle Sinnen!
"So kann sie dem Betrug den Vortheil abgewinnen.
145"Euch hab ich diesen Trieb zu dancken: ihr vermögt,
"Daß diese Königinn für mich die Neigung hägt.
"Durch
K k 2
Neuntes Buch.
Sie trat in Majeſtaͤt zum Thron, der Greiß von dannen,
Der ſagte: „Freundinn komm, das Streiten zu verbannen.
125„Nimm nun den Richter-Plaz! ſein laͤchelndes Geſicht
Empfieng durch ihren Glanz ein gegenſchimmernd Licht.
Sie wieſen beyderſeits im Aug und in den Mienen,
Es ſey ein ſtiller Trieb der Freundſchaft unter ihnen.
Wir ſahen, daß er ihr erfreut entgegen lief,
130Und ſie mit Zaͤrtlichkeit bey einer Hand ergriff,
Zugleich erbietig war von ſeinem Siz zu weichen,
Nach dem er ſich gewandt, ihr ſolchen darzureichen.
Mich wunderte, wie ſehr gelaſſen alles war,
Wie ſanft, begierig, ſtill, was vor ſo wanckelbar.
135
„Jſt demnach euer Schluß, daß ich den Spruch verfaſſe?
So fieng ihr Vortrag an, indem ſie niederſaſſe.
„Wahr iſts, nicht jeder Hof geduldet meinen Rath;
„Hier aber find’ ich mehr als meine Feinde Statt.
„Pflegt nicht Thereſia ſtets jenen Schmuck zu haſſen,
140„Womit verborgne Liſt ſich trachtet einzufaſſen?
„Sie nimmt, was ich gedenck’ und rathe, gnaͤdig an;
„Sie ſeufzet, wann ſie mich nicht allzeit fragen kann;
„Ein himmliſches Gehoͤr! o Klugheits-volle Sinnen!
„So kann ſie dem Betrug den Vortheil abgewinnen.
145„Euch hab ich dieſen Trieb zu dancken: ihr vermoͤgt,
„Daß dieſe Koͤniginn fuͤr mich die Neigung haͤgt.
„Durch
K k 2
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[0069] Neuntes Buch. Sie trat in Majeſtaͤt zum Thron, der Greiß von dannen, Der ſagte: „Freundinn komm, das Streiten zu verbannen. „Nimm nun den Richter-Plaz! ſein laͤchelndes Geſicht Empfieng durch ihren Glanz ein gegenſchimmernd Licht. Sie wieſen beyderſeits im Aug und in den Mienen, Es ſey ein ſtiller Trieb der Freundſchaft unter ihnen. Wir ſahen, daß er ihr erfreut entgegen lief, Und ſie mit Zaͤrtlichkeit bey einer Hand ergriff, Zugleich erbietig war von ſeinem Siz zu weichen, Nach dem er ſich gewandt, ihr ſolchen darzureichen. Mich wunderte, wie ſehr gelaſſen alles war, Wie ſanft, begierig, ſtill, was vor ſo wanckelbar. „Jſt demnach euer Schluß, daß ich den Spruch verfaſſe? So fieng ihr Vortrag an, indem ſie niederſaſſe. „Wahr iſts, nicht jeder Hof geduldet meinen Rath; „Hier aber find’ ich mehr als meine Feinde Statt. „Pflegt nicht Thereſia ſtets jenen Schmuck zu haſſen, „Womit verborgne Liſt ſich trachtet einzufaſſen? „Sie nimmt, was ich gedenck’ und rathe, gnaͤdig an; „Sie ſeufzet, wann ſie mich nicht allzeit fragen kann; „Ein himmliſches Gehoͤr! o Klugheits-volle Sinnen! „So kann ſie dem Betrug den Vortheil abgewinnen. „Euch hab ich dieſen Trieb zu dancken: ihr vermoͤgt, „Daß dieſe Koͤniginn fuͤr mich die Neigung haͤgt. „Durch K k 2

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/69>, abgerufen am 24.11.2024.