Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.Theresiade 195"Man ließ ja keinen Saz des Vortrags unbestritten,"So viel man auch gewirckt, geholffen und gelitten. "Die trugen wenig vor, und andere zu viel; "Die redeten zugleich; verschiedne schwiegen still; "Was fast entschlossen war, das ließ man euch verbieten, 200"Daß viele zu der Wahl des Mit-Regentens schritten. "Zwey Prinzen kammen auch, und billig, in die Frag; "Wer ist, der alles dieß so gleich entscheiden mag? "Die Sach ist zimlich schwer; jedoch es wird gelingen; "Ein Trapp kann nicht gerad sich nach den Wolcken schwingen. 205"Er hupft, prüft einen Schritt, er hebt sich, wagt den Sprung; "Durch seiner Flügel Kraft bringt er sich in den Schwung; "Er rudert, flattert, bebt und schlägt mit dem Gefieder; "Hier dringt er in die Höh, und dort läßt er sich nieder; "Biß allgemach der Grund ihm von den Klauen geht, 210"Und er sich in die Luft durch krumme Weege dreht; "Durch seiner Federn Hilff der Winde Wogen theilet, "Und so mit Müh und Macht nach Berg und Hügeln eilet. "Fast geht es meinem Sinn so wie bey diesem Flug, "Hier spühr' ich einen Schwung, dort einen Gegenzug. 215"Jezt schwing' ich mich zum Ziel, jezt bin ich aufgehalten; "Geduld! man lasse mich wie diesen Trappen walten. "Mein Geist erkläret sich, indem er also steigt; "Und nicht den Augenblick den Zweck der Sache zeigt. "Der
Thereſiade 195„Man ließ ja keinen Saz des Vortrags unbeſtritten,„So viel man auch gewirckt, geholffen und gelitten. „Die trugen wenig vor, und andere zu viel; „Die redeten zugleich; verſchiedne ſchwiegen ſtill; „Was faſt entſchloſſen war, das ließ man euch verbieten, 200„Daß viele zu der Wahl des Mit-Regentens ſchritten. „Zwey Prinzen kammen auch, und billig, in die Frag; „Wer iſt, der alles dieß ſo gleich entſcheiden mag? „Die Sach iſt zimlich ſchwer; jedoch es wird gelingen; „Ein Trapp kann nicht gerad ſich nach den Wolcken ſchwingen. 205„Er hupft, pruͤft einen Schritt, er hebt ſich, wagt den Sprung; „Durch ſeiner Fluͤgel Kraft bringt er ſich in den Schwung; „Er rudert, flattert, bebt und ſchlaͤgt mit dem Gefieder; „Hier dringt er in die Hoͤh, und dort laͤßt er ſich nieder; „Biß allgemach der Grund ihm von den Klauen geht, 210„Und er ſich in die Luft durch krumme Weege dreht; „Durch ſeiner Federn Hilff der Winde Wogen theilet, „Und ſo mit Muͤh und Macht nach Berg und Huͤgeln eilet. „Faſt geht es meinem Sinn ſo wie bey dieſem Flug, „Hier ſpuͤhr’ ich einen Schwung, dort einen Gegenzug. 215„Jezt ſchwing’ ich mich zum Ziel, jezt bin ich aufgehalten; „Geduld! man laſſe mich wie dieſen Trappen walten. „Mein Geiſt erklaͤret ſich, indem er alſo ſteigt; „Und nicht den Augenblick den Zweck der Sache zeigt. „Der
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Thereſiade
„Man ließ ja keinen Saz des Vortrags unbeſtritten,
„So viel man auch gewirckt, geholffen und gelitten.
„Die trugen wenig vor, und andere zu viel;
„Die redeten zugleich; verſchiedne ſchwiegen ſtill;
„Was faſt entſchloſſen war, das ließ man euch verbieten,
„Daß viele zu der Wahl des Mit-Regentens ſchritten.
„Zwey Prinzen kammen auch, und billig, in die Frag;
„Wer iſt, der alles dieß ſo gleich entſcheiden mag?
„Die Sach iſt zimlich ſchwer; jedoch es wird gelingen;
„Ein Trapp kann nicht gerad ſich nach den Wolcken ſchwingen.
„Er hupft, pruͤft einen Schritt, er hebt ſich, wagt den Sprung;
„Durch ſeiner Fluͤgel Kraft bringt er ſich in den Schwung;
„Er rudert, flattert, bebt und ſchlaͤgt mit dem Gefieder;
„Hier dringt er in die Hoͤh, und dort laͤßt er ſich nieder;
„Biß allgemach der Grund ihm von den Klauen geht,
„Und er ſich in die Luft durch krumme Weege dreht;
„Durch ſeiner Federn Hilff der Winde Wogen theilet,
„Und ſo mit Muͤh und Macht nach Berg und Huͤgeln eilet.
„Faſt geht es meinem Sinn ſo wie bey dieſem Flug,
„Hier ſpuͤhr’ ich einen Schwung, dort einen Gegenzug.
„Jezt ſchwing’ ich mich zum Ziel, jezt bin ich aufgehalten;
„Geduld! man laſſe mich wie dieſen Trappen walten.
„Mein Geiſt erklaͤret ſich, indem er alſo ſteigt;
„Und nicht den Augenblick den Zweck der Sache zeigt.
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Zitationshilfe: | Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/72>, abgerufen am 16.02.2025. |