Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Theresiade
"So bleckt sie doch den Zahn, und sättigt sich mit Schmähen,
"Auch nur weil sie daran nichts Tadel-werth gesehen.
"Des Kummers bin ich frey: sie tadle, lästre mich;
"Mein Werck bleibt unverlezt und unveränderlich.
295"Des Mondes Pracht erscheint mit unbesorgter Helle,
"Obgleich der freche Neid nach dessen Schimmer belle.
"Jch rühme das Gebäu der Künste wegen nicht:
"Es ist derselben Hand um keine Zier verpflicht.
"Nun zeig' ich, wie der Plan zu diesem Bau beschieden:
200"Der Sonne Mittel-Punct wirfft einen Strahl nach Süden,
"Zugleich erstrecket sich ein andrer Strahl nach West;
"So daß ein jeder fast biß an den Himmel stößt.
"Den offnen Raum beschließt ein Paar von Regen-Bögen;
"Die steigen von dem Strahl einander gleich entgegen;
205"Daß die Gewölbung sich hinauf- und abwärts biegt,
"Der Farben bunter Schmuck sich nach der Mitte fügt;
"Alldorten aber sich in einen Winckel bindet:
"Das ist wodurch der Raum sich eingeschlossen findet.
"Der innerliche Plan besteht in solcher Pracht,
210"Die durch die ganze Welt zweyfache Klarheit macht.
"Ein Wunder-voller Glanz beleuchtet dessen Weiten,
"Er dringt uneingeschränckt durch alle seine Seiten.
"Ein jeder Bogen wird durch eine Sonn' erklärt,
"Um welche sein Bezirck in gleicher Weite fährt.
215 "Was
Thereſiade
„So bleckt ſie doch den Zahn, und ſaͤttigt ſich mit Schmaͤhen,
„Auch nur weil ſie daran nichts Tadel-werth geſehen.
„Des Kummers bin ich frey: ſie tadle, laͤſtre mich;
„Mein Werck bleibt unverlezt und unveraͤnderlich.
295„Des Mondes Pracht erſcheint mit unbeſorgter Helle,
„Obgleich der freche Neid nach deſſen Schimmer belle.
„Jch ruͤhme das Gebaͤu der Kuͤnſte wegen nicht:
„Es iſt derſelben Hand um keine Zier verpflicht.
„Nun zeig’ ich, wie der Plan zu dieſem Bau beſchieden:
200„Der Sonne Mittel-Punct wirfft einen Strahl nach Suͤden,
„Zugleich erſtrecket ſich ein andrer Strahl nach Weſt;
„So daß ein jeder faſt biß an den Himmel ſtoͤßt.
„Den offnen Raum beſchließt ein Paar von Regen-Boͤgen;
„Die ſteigen von dem Strahl einander gleich entgegen;
205„Daß die Gewoͤlbung ſich hinauf- und abwaͤrts biegt,
„Der Farben bunter Schmuck ſich nach der Mitte fuͤgt;
„Alldorten aber ſich in einen Winckel bindet:
„Das iſt wodurch der Raum ſich eingeſchloſſen findet.
„Der innerliche Plan beſteht in ſolcher Pracht,
210„Die durch die ganze Welt zweyfache Klarheit macht.
„Ein Wunder-voller Glanz beleuchtet deſſen Weiten,
„Er dringt uneingeſchraͤnckt durch alle ſeine Seiten.
„Ein jeder Bogen wird durch eine Sonn’ erklaͤrt,
„Um welche ſein Bezirck in gleicher Weite faͤhrt.
215 „Was
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0076"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw><lb/>
            <l>&#x201E;So bleckt &#x017F;ie doch den Zahn, und &#x017F;a&#x0364;ttigt &#x017F;ich mit Schma&#x0364;hen,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Auch nur weil &#x017F;ie daran nichts Tadel-werth ge&#x017F;ehen.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Des Kummers bin ich frey: &#x017F;ie tadle, la&#x0364;&#x017F;tre mich;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Mein Werck bleibt unverlezt und unvera&#x0364;nderlich.</l><lb/>
            <l><note place="left">295</note>&#x201E;Des Mondes Pracht er&#x017F;cheint mit unbe&#x017F;orgter Helle,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Obgleich der freche Neid nach de&#x017F;&#x017F;en Schimmer belle.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Jch ru&#x0364;hme das Geba&#x0364;u der Ku&#x0364;n&#x017F;te wegen nicht:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Es i&#x017F;t der&#x017F;elben Hand um keine Zier verpflicht.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;Nun zeig&#x2019; ich, wie der Plan zu die&#x017F;em Bau be&#x017F;chieden:</l><lb/>
            <l><note place="left">200</note>&#x201E;Der Sonne Mittel-Punct wirfft einen Strahl nach Su&#x0364;den,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Zugleich er&#x017F;trecket &#x017F;ich ein andrer Strahl nach We&#x017F;t;</l><lb/>
            <l>&#x201E;So daß ein jeder fa&#x017F;t biß an den Himmel &#x017F;to&#x0364;ßt.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Den offnen Raum be&#x017F;chließt ein Paar von Regen-Bo&#x0364;gen;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Die &#x017F;teigen von dem Strahl einander gleich entgegen;</l><lb/>
            <l><note place="left">205</note>&#x201E;Daß die Gewo&#x0364;lbung &#x017F;ich hinauf- und abwa&#x0364;rts biegt,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Der Farben bunter Schmuck &#x017F;ich nach der Mitte fu&#x0364;gt;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Alldorten aber &#x017F;ich in einen Winckel bindet:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Das i&#x017F;t wodurch der Raum &#x017F;ich einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en findet.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Der innerliche Plan be&#x017F;teht in &#x017F;olcher Pracht,</l><lb/>
            <l><note place="left">210</note>&#x201E;Die durch die ganze Welt zweyfache Klarheit macht.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Ein Wunder-voller Glanz beleuchtet de&#x017F;&#x017F;en Weiten,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Er dringt uneinge&#x017F;chra&#x0364;nckt durch alle &#x017F;eine Seiten.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Ein jeder Bogen wird durch eine Sonn&#x2019; erkla&#x0364;rt,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Um welche &#x017F;ein Bezirck in gleicher Weite fa&#x0364;hrt.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">215 &#x201E;Was</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0076] Thereſiade „So bleckt ſie doch den Zahn, und ſaͤttigt ſich mit Schmaͤhen, „Auch nur weil ſie daran nichts Tadel-werth geſehen. „Des Kummers bin ich frey: ſie tadle, laͤſtre mich; „Mein Werck bleibt unverlezt und unveraͤnderlich. „Des Mondes Pracht erſcheint mit unbeſorgter Helle, „Obgleich der freche Neid nach deſſen Schimmer belle. „Jch ruͤhme das Gebaͤu der Kuͤnſte wegen nicht: „Es iſt derſelben Hand um keine Zier verpflicht. „Nun zeig’ ich, wie der Plan zu dieſem Bau beſchieden: „Der Sonne Mittel-Punct wirfft einen Strahl nach Suͤden, „Zugleich erſtrecket ſich ein andrer Strahl nach Weſt; „So daß ein jeder faſt biß an den Himmel ſtoͤßt. „Den offnen Raum beſchließt ein Paar von Regen-Boͤgen; „Die ſteigen von dem Strahl einander gleich entgegen; „Daß die Gewoͤlbung ſich hinauf- und abwaͤrts biegt, „Der Farben bunter Schmuck ſich nach der Mitte fuͤgt; „Alldorten aber ſich in einen Winckel bindet: „Das iſt wodurch der Raum ſich eingeſchloſſen findet. „Der innerliche Plan beſteht in ſolcher Pracht, „Die durch die ganze Welt zweyfache Klarheit macht. „Ein Wunder-voller Glanz beleuchtet deſſen Weiten, „Er dringt uneingeſchraͤnckt durch alle ſeine Seiten. „Ein jeder Bogen wird durch eine Sonn’ erklaͤrt, „Um welche ſein Bezirck in gleicher Weite faͤhrt. 215 „Was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/76
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/76>, abgerufen am 21.11.2024.