Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.Den folgenden Abend fanden wir uns zeitiger, sonnen¬
Den folgenden Abend fanden wir uns zeitiger, ſonnen¬
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0018" n="10"/> <p>Den folgenden Abend fanden wir uns zeitiger,<lb/> als gewöhnlich, auf dem Markusplatz ein. Ein<lb/> plötzlicher Regenguß nöthigte uns, in ein Kaffee¬<lb/> haus einzukehren, wo geſpielt wurde. Der<lb/> Prinz ſtellte ſich hinter den Stuhl eines Spaniers,<lb/> und beobachtete das Spiel. Ich war in ein an¬<lb/> ſtoßendes Zimmer gegangen, wo ich Zeitungen<lb/> las. Eine Weile darauf hörte ich Lermen. Vor<lb/> der Ankunft des Prinzen war der Spanier unauf¬<lb/> hörlich im Verluſte geweſen, jezt gewann er auf<lb/> alle Karten. Das ganze Spiel ward auffallend<lb/> verändert, und die Bank war in Gefahr, von dem<lb/> Pointeur, den dieſe glückliche Wendung kühner ge¬<lb/> macht hatte, aufgefordert zu werden. Ein Vene¬<lb/> tianer, der ſie hielt, ſagte dem Prinzen mit belei¬<lb/> digendem Ton — er ſtöhre das Glück, und er<lb/> ſolle den Tiſch verlaſſen. Dieſer ſah ihn kalt an<lb/> und blieb; dieſelbe Faſſung behielt er, als der Ve¬<lb/> netianer ſeine Beleidigung franzöſiſch wiederholte.<lb/> Der leztere glaubte, daß der Prinz beyde Spra¬<lb/> chen nicht verſtehe, und wandte ſich mit verach¬<lb/> tungsvollem Lachen zu den übrigen: „Sagen Sie<lb/> mir doch, meine Herren, wie ich mich dieſem Ba¬<lb/> lardo verſtändlich machen ſoll?“ Zugleich ſtand<lb/> er auf und wollte den Prinzen beym Arm ergrei¬<lb/> fen; dieſen verließ hier die Geduld, er packte den<lb/> Venetianer mit ſtarker Hand, und warf ihn un¬<lb/> ſanft zu Boden. Das ganze Haus kam in Bewe¬<lb/> gung. Auf das Geräuſch ſtürzte ich herein, un¬<lb/> willkührlich rief ich ihn bey ſeinem Namen. „Neh¬<lb/> men Sie ſich in Acht, Prinz, ſezte ich mit Unbe¬<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſonnen¬<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [10/0018]
Den folgenden Abend fanden wir uns zeitiger,
als gewöhnlich, auf dem Markusplatz ein. Ein
plötzlicher Regenguß nöthigte uns, in ein Kaffee¬
haus einzukehren, wo geſpielt wurde. Der
Prinz ſtellte ſich hinter den Stuhl eines Spaniers,
und beobachtete das Spiel. Ich war in ein an¬
ſtoßendes Zimmer gegangen, wo ich Zeitungen
las. Eine Weile darauf hörte ich Lermen. Vor
der Ankunft des Prinzen war der Spanier unauf¬
hörlich im Verluſte geweſen, jezt gewann er auf
alle Karten. Das ganze Spiel ward auffallend
verändert, und die Bank war in Gefahr, von dem
Pointeur, den dieſe glückliche Wendung kühner ge¬
macht hatte, aufgefordert zu werden. Ein Vene¬
tianer, der ſie hielt, ſagte dem Prinzen mit belei¬
digendem Ton — er ſtöhre das Glück, und er
ſolle den Tiſch verlaſſen. Dieſer ſah ihn kalt an
und blieb; dieſelbe Faſſung behielt er, als der Ve¬
netianer ſeine Beleidigung franzöſiſch wiederholte.
Der leztere glaubte, daß der Prinz beyde Spra¬
chen nicht verſtehe, und wandte ſich mit verach¬
tungsvollem Lachen zu den übrigen: „Sagen Sie
mir doch, meine Herren, wie ich mich dieſem Ba¬
lardo verſtändlich machen ſoll?“ Zugleich ſtand
er auf und wollte den Prinzen beym Arm ergrei¬
fen; dieſen verließ hier die Geduld, er packte den
Venetianer mit ſtarker Hand, und warf ihn un¬
ſanft zu Boden. Das ganze Haus kam in Bewe¬
gung. Auf das Geräuſch ſtürzte ich herein, un¬
willkührlich rief ich ihn bey ſeinem Namen. „Neh¬
men Sie ſich in Acht, Prinz, ſezte ich mit Unbe¬
ſonnen¬
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