Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.fabrikant aus Murano. Nun wußten wir wenig¬ Seine
fabrikant aus Murano. Nun wußten wir wenig¬ Seine
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0190" n="182"/> fabrikant aus Murano. Nun wußten wir wenig¬<lb/> ſtens, daß wir ſie nicht in der Giudecca zu ſuchen<lb/> hätten, und daß ſie aller Wahrſcheinlichkeit nach<lb/> auf der Inſel Murano zu Hauſe ſey; aber das<lb/> Unglück war, daß die Beſchreibung, welche der<lb/> Prinz von ihr machte, ſchlechterdings nicht dazu<lb/> taugte, ſie einem Dritten kenntlich zu machen.<lb/> Gerade die leidenſchaftliche Aufmerkſamkeit, wo¬<lb/> mit er ihren Anblick gleichſam verſchlang, hatte<lb/> ihn gehindert, ſie zu ſehen; für alles das, worauf<lb/> andere Menſchen ihr Augenmerk vorzüglich würden<lb/> gerichtet haben, war er ganz blind geweſen; nach<lb/> ſeiner Schilderung war man eher verſucht, ſie im<lb/> Petrarch oder Taſſo, als auf einer venetianiſchen<lb/> Inſel zu ſuchen. Außerdem mußte dieſe Nachfrage<lb/> ſelbſt mit größter Vorſicht geſchehen, um weder<lb/> die Dame auszuſetzen, noch ſonſt ein anſtößiges<lb/> Aufſehen zu erregen. Weil Biondello außer dem<lb/> Prinzen der einzige war, der ſie, durch den<lb/> Schleier wenigſtens, geſehen hatte, und alſo wie¬<lb/> der erkennen konnte, ſo ſuchte er, wo möglich, an<lb/> allen Orten, wo ſie vermuthet werden konnte, zu<lb/> gleicher Zeit zu ſeyn, das Leben des armen Men¬<lb/> ſchen war dieſe ganze Woche über nichts, als ein<lb/> beſtändiges Rennen durch alle Straßen von Vene¬<lb/> dig. In der griechiſchen Kirche beſonders wurde<lb/> keine Nachforſchung geſpart, aber alles mit gleich<lb/> ſchlechtem Erfolge; und der Prinz, deſſen Unge¬<lb/> duld mit jeder fehlgeſchlagenen Erwartung ſtieg,<lb/> mußte ſich endlich doch noch auf den nächſten Sonn¬<lb/> abend vertröſten.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Seine<lb/></fw> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0190]
fabrikant aus Murano. Nun wußten wir wenig¬
ſtens, daß wir ſie nicht in der Giudecca zu ſuchen
hätten, und daß ſie aller Wahrſcheinlichkeit nach
auf der Inſel Murano zu Hauſe ſey; aber das
Unglück war, daß die Beſchreibung, welche der
Prinz von ihr machte, ſchlechterdings nicht dazu
taugte, ſie einem Dritten kenntlich zu machen.
Gerade die leidenſchaftliche Aufmerkſamkeit, wo¬
mit er ihren Anblick gleichſam verſchlang, hatte
ihn gehindert, ſie zu ſehen; für alles das, worauf
andere Menſchen ihr Augenmerk vorzüglich würden
gerichtet haben, war er ganz blind geweſen; nach
ſeiner Schilderung war man eher verſucht, ſie im
Petrarch oder Taſſo, als auf einer venetianiſchen
Inſel zu ſuchen. Außerdem mußte dieſe Nachfrage
ſelbſt mit größter Vorſicht geſchehen, um weder
die Dame auszuſetzen, noch ſonſt ein anſtößiges
Aufſehen zu erregen. Weil Biondello außer dem
Prinzen der einzige war, der ſie, durch den
Schleier wenigſtens, geſehen hatte, und alſo wie¬
der erkennen konnte, ſo ſuchte er, wo möglich, an
allen Orten, wo ſie vermuthet werden konnte, zu
gleicher Zeit zu ſeyn, das Leben des armen Men¬
ſchen war dieſe ganze Woche über nichts, als ein
beſtändiges Rennen durch alle Straßen von Vene¬
dig. In der griechiſchen Kirche beſonders wurde
keine Nachforſchung geſpart, aber alles mit gleich
ſchlechtem Erfolge; und der Prinz, deſſen Unge¬
duld mit jeder fehlgeſchlagenen Erwartung ſtieg,
mußte ſich endlich doch noch auf den nächſten Sonn¬
abend vertröſten.
Seine
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |