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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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(Der Graf von O*** zur Fortsetzung.)

Aber dieser nächste Brief blieb aus. Drey ganze
Monate vergingen, ehe ich Nachrichten aus Vene¬
dig erhielt -- eine Unterbrechung, deren Ursache
sich in der Folge nur zu sehr aufklärte. Alle
Briefe meines Freundes an mich waren zurück be¬
halten und unterdrückt worden. Man urtheile von
meiner Bestürzung, als ich endlich im December
dieses Jahrs folgendes Schreiben erhielt, das bloß
ein glücklicher Zufall (weil Biondello, der es zu
bestellen hatte, plötzlich krank wurde) in meine
Hände brachte.

"Sie schreiben nicht. Sie antworten nicht.
"Kommen Sie -- o kommen Sie auf Flügeln
"der Freundschaft. Unsre Hoffnung ist dahin.
"Lesen Sie diesen Einschluß. Alle unsre Hoff¬
"nung ist dahin!

"Die Wunde des Marchese soll tödtlich seyn.
"Der Kardinal brütet Rache, und seine Meu¬
"chelmörder suchen den Prinzen. Mein Herr --
"o mein unglücklicher Herr! -- Ist es dahin
"gekommen? Unwürdiges, entsetzliches Schick¬
"sal! Wie Nichtswürdige müssen wir uns vor
"Mördern und Gläubigern verbergen."

"Ich schreibe Ihnen aus dem *** Kloster,
"wo der Prinz eine Zuflucht gefunden hat. Eben
"ruht er auf einem harten Lager neben mir und
"schläft -- ach! den Schlummer der tödtlichsten
"Erschöpfung, der ihn nur zu neuem Gefühl
"seiner Leiden stärken wird. Die zehen Tage,

"daß
(Der Graf von O*** zur Fortſetzung.)

Aber dieſer nächſte Brief blieb aus. Drey ganze
Monate vergingen, ehe ich Nachrichten aus Vene¬
dig erhielt — eine Unterbrechung, deren Urſache
ſich in der Folge nur zu ſehr aufklärte. Alle
Briefe meines Freundes an mich waren zurück be¬
halten und unterdrückt worden. Man urtheile von
meiner Beſtürzung, als ich endlich im December
dieſes Jahrs folgendes Schreiben erhielt, das bloß
ein glücklicher Zufall (weil Biondello, der es zu
beſtellen hatte, plötzlich krank wurde) in meine
Hände brachte.

„Sie ſchreiben nicht. Sie antworten nicht.
„Kommen Sie — o kommen Sie auf Flügeln
„der Freundſchaft. Unſre Hoffnung iſt dahin.
„Leſen Sie dieſen Einſchluß. Alle unſre Hoff¬
„nung iſt dahin!

„Die Wunde des Marcheſe ſoll tödtlich ſeyn.
„Der Kardinal brütet Rache, und ſeine Meu¬
„chelmörder ſuchen den Prinzen. Mein Herr —
„o mein unglücklicher Herr! — Iſt es dahin
„gekommen? Unwürdiges, entſetzliches Schick¬
„ſal! Wie Nichtswürdige müſſen wir uns vor
„Mördern und Gläubigern verbergen.“

„Ich ſchreibe Ihnen aus dem *** Kloſter,
„wo der Prinz eine Zuflucht gefunden hat. Eben
„ruht er auf einem harten Lager neben mir und
„ſchläft — ach! den Schlummer der tödtlichſten
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[204/0212] (Der Graf von O*** zur Fortſetzung.) Aber dieſer nächſte Brief blieb aus. Drey ganze Monate vergingen, ehe ich Nachrichten aus Vene¬ dig erhielt — eine Unterbrechung, deren Urſache ſich in der Folge nur zu ſehr aufklärte. Alle Briefe meines Freundes an mich waren zurück be¬ halten und unterdrückt worden. Man urtheile von meiner Beſtürzung, als ich endlich im December dieſes Jahrs folgendes Schreiben erhielt, das bloß ein glücklicher Zufall (weil Biondello, der es zu beſtellen hatte, plötzlich krank wurde) in meine Hände brachte. „Sie ſchreiben nicht. Sie antworten nicht. „Kommen Sie — o kommen Sie auf Flügeln „der Freundſchaft. Unſre Hoffnung iſt dahin. „Leſen Sie dieſen Einſchluß. Alle unſre Hoff¬ „nung iſt dahin! „Die Wunde des Marcheſe ſoll tödtlich ſeyn. „Der Kardinal brütet Rache, und ſeine Meu¬ „chelmörder ſuchen den Prinzen. Mein Herr — „o mein unglücklicher Herr! — Iſt es dahin „gekommen? Unwürdiges, entſetzliches Schick¬ „ſal! Wie Nichtswürdige müſſen wir uns vor „Mördern und Gläubigern verbergen.“ „Ich ſchreibe Ihnen aus dem *** Kloſter, „wo der Prinz eine Zuflucht gefunden hat. Eben „ruht er auf einem harten Lager neben mir und „ſchläft — ach! den Schlummer der tödtlichſten „Erſchöpfung, der ihn nur zu neuem Gefühl „ſeiner Leiden ſtärken wird. Die zehen Tage, „daß

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/212>, abgerufen am 28.11.2024.