Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

zu diesem, "Sie behaupten, daß Ihr Schlüssel in
fremden Händen gewesen -- Können Sie vermu¬
then, in welchen?"

"Nein."

"Rathen Sie auch auf niemand?"

"Ich hatte freylich einen Gedanken" --

"Würden Sie die Person erkennen, wenn Sie
sie vor sich sähen?"

"Ohne Zweifel."

Hier schlug der Sicilianer seinen Mantel zurück,
und zog einen Spiegel hervor, den er dem Prinzen
vor die Augen hielt.

"Ist es diese?"

Der Prinz trat mit Schrecken zurück.

"Was haben Sie gesehen?" fragte ich.

"Den Armenier."

Der Sicilianer verbarg seinen Spiegel wieder
unter den Mantel. "War es dieselbe Person, die
Sie meynen?" fragte die ganze Gesellschaft.

"Die nehmliche."

Hier veränderte sich jedes Gesicht, man hörte
auf zu lachen. Alle Augen hingen neugierig an
dem Sicilianer.

"Monsieur l'Abbe, das Ding wird ernsthaft,"
sagte der Engländer, "ich rieth Ihnen, auf den
Rückzug zu denken."

"Der Kerl hat den Teufel im Leibe," schrie
der Franzose, und flog aus dem Hause -- die
Frauenzimmer stürzten mit Geschrey aus dem Saal
-- der Virtuose folgte ihnen -- der deutsche

Dom¬

zu dieſem, „Sie behaupten, daß Ihr Schlüſſel in
fremden Händen geweſen — Können Sie vermu¬
then, in welchen?“

„Nein.“

„Rathen Sie auch auf niemand?“

„Ich hatte freylich einen Gedanken“ —

„Würden Sie die Perſon erkennen, wenn Sie
ſie vor ſich ſähen?“

„Ohne Zweifel.“

Hier ſchlug der Sicilianer ſeinen Mantel zurück,
und zog einen Spiegel hervor, den er dem Prinzen
vor die Augen hielt.

„Iſt es dieſe?“

Der Prinz trat mit Schrecken zurück.

„Was haben Sie geſehen?“ fragte ich.

„Den Armenier.“

Der Sicilianer verbarg ſeinen Spiegel wieder
unter den Mantel. „War es dieſelbe Perſon, die
Sie meynen?“ fragte die ganze Geſellſchaft.

„Die nehmliche.“

Hier veränderte ſich jedes Geſicht, man hörte
auf zu lachen. Alle Augen hingen neugierig an
dem Sicilianer.

Monſieur l'Abbé, das Ding wird ernſthaft,“
ſagte der Engländer, „ich rieth Ihnen, auf den
Rückzug zu denken.“

„Der Kerl hat den Teufel im Leibe,“ ſchrie
der Franzoſe, und flog aus dem Hauſe — die
Frauenzimmer ſtürzten mit Geſchrey aus dem Saal
— der Virtuoſe folgte ihnen — der deutſche

Dom¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0028" n="20"/>
zu die&#x017F;em, &#x201E;Sie behaupten, daß Ihr Schlü&#x017F;&#x017F;el in<lb/>
fremden Händen gewe&#x017F;en &#x2014; Können Sie vermu¬<lb/>
then, in welchen?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nein.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Rathen Sie auch auf niemand?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich hatte freylich einen Gedanken&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Würden Sie die Per&#x017F;on erkennen, wenn Sie<lb/>
&#x017F;ie vor &#x017F;ich &#x017F;ähen?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ohne Zweifel.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Hier &#x017F;chlug der Sicilianer &#x017F;einen Mantel zurück,<lb/>
und zog einen Spiegel hervor, den er dem Prinzen<lb/>
vor die Augen hielt.</p><lb/>
          <p>&#x201E;I&#x017F;t es die&#x017F;e?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der Prinz trat mit Schrecken zurück.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Was haben Sie ge&#x017F;ehen?&#x201C; fragte ich.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Den Armenier.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der Sicilianer verbarg &#x017F;einen Spiegel wieder<lb/>
unter den Mantel. &#x201E;War es die&#x017F;elbe Per&#x017F;on, die<lb/>
Sie meynen?&#x201C; fragte die ganze Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die nehmliche.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Hier veränderte &#x017F;ich jedes Ge&#x017F;icht, man hörte<lb/>
auf zu lachen. Alle Augen hingen neugierig an<lb/>
dem Sicilianer.</p><lb/>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#aq">Mon&#x017F;ieur l'Abbé</hi>, das Ding wird ern&#x017F;thaft,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte der Engländer, &#x201E;ich rieth Ihnen, auf den<lb/>
Rückzug zu denken.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der Kerl hat den Teufel im Leibe,&#x201C; &#x017F;chrie<lb/>
der Franzo&#x017F;e, und flog aus dem Hau&#x017F;e &#x2014; die<lb/>
Frauenzimmer &#x017F;türzten mit Ge&#x017F;chrey aus dem Saal<lb/>
&#x2014; der Virtuo&#x017F;e folgte ihnen &#x2014; der deut&#x017F;che<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Dom¬<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0028] zu dieſem, „Sie behaupten, daß Ihr Schlüſſel in fremden Händen geweſen — Können Sie vermu¬ then, in welchen?“ „Nein.“ „Rathen Sie auch auf niemand?“ „Ich hatte freylich einen Gedanken“ — „Würden Sie die Perſon erkennen, wenn Sie ſie vor ſich ſähen?“ „Ohne Zweifel.“ Hier ſchlug der Sicilianer ſeinen Mantel zurück, und zog einen Spiegel hervor, den er dem Prinzen vor die Augen hielt. „Iſt es dieſe?“ Der Prinz trat mit Schrecken zurück. „Was haben Sie geſehen?“ fragte ich. „Den Armenier.“ Der Sicilianer verbarg ſeinen Spiegel wieder unter den Mantel. „War es dieſelbe Perſon, die Sie meynen?“ fragte die ganze Geſellſchaft. „Die nehmliche.“ Hier veränderte ſich jedes Geſicht, man hörte auf zu lachen. Alle Augen hingen neugierig an dem Sicilianer. „Monſieur l'Abbé, das Ding wird ernſthaft,“ ſagte der Engländer, „ich rieth Ihnen, auf den Rückzug zu denken.“ „Der Kerl hat den Teufel im Leibe,“ ſchrie der Franzoſe, und flog aus dem Hauſe — die Frauenzimmer ſtürzten mit Geſchrey aus dem Saal — der Virtuoſe folgte ihnen — der deutſche Dom¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/28
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/28>, abgerufen am 21.11.2024.