Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

und der Schlüssel lag längst in der Dose, ehe sie
von Ihnen gewonnen wurde."

"Nunmehr begreif' ich's. Und der Barfüßer¬
mönch, der sich mir in den Weg warf, und mich
so feyerlich anredete?"

"War der nehmliche, den man, wie ich höre,
verwundet aus dem Kamine gezogen. Es ist einer
von meinen Kameraden, der mir unter dieser Ver¬
hüllung schon manche gute Dienste geleistet."

"Aber zu welchem Ende stellten Sie dieses an?"

"Um Sie nachdenkend zu machen -- um einen
Gemüthszustand in Ihnen vorzubereiten, der Sie
für das Wunderbare, das ich mit Ihnen im Sinn
hatte, empfänglich machen sollte."

"Aber der pantomimische Tanz, der eine so über¬
raschende seltsame Wendung nahm -- dieser war
doch wenigstens nicht von Ihrer Erfindung?"

"Das Mädchen, welches die Königinn vorstellte,
war von mir unterrichtet, und ihre ganze Rolle
mein Werk. Ich vermuthete, daß es Eure Durch¬
laucht nicht wenig befremden würde, an diesem Or¬
te gekannt zu seyn, und, verzeihen Sie mir, gnä¬
digster Herr, das Abentheuer mit dem Armenier
ließ mich hoffen, daß Sie bereits schon geneigt seyn
würden, natürliche Auslegungen zu verschmähen,
und nach höhern Quellen des Außerordentlichen zu
spüren."

"In der That," rief der Prinz mit einer Miene
zugleich des Verdrusses und der Verwunderung,
indem er mir, besonders einen bedeutenden Blick

gab,

und der Schlüſſel lag längſt in der Doſe, ehe ſie
von Ihnen gewonnen wurde.“

„Nunmehr begreif' ich's. Und der Barfüßer¬
mönch, der ſich mir in den Weg warf, und mich
ſo feyerlich anredete?“

„War der nehmliche, den man, wie ich höre,
verwundet aus dem Kamine gezogen. Es iſt einer
von meinen Kameraden, der mir unter dieſer Ver¬
hüllung ſchon manche gute Dienſte geleiſtet.“

„Aber zu welchem Ende ſtellten Sie dieſes an?“

„Um Sie nachdenkend zu machen — um einen
Gemüthszuſtand in Ihnen vorzubereiten, der Sie
für das Wunderbare, das ich mit Ihnen im Sinn
hatte, empfänglich machen ſollte.“

„Aber der pantomimiſche Tanz, der eine ſo über¬
raſchende ſeltſame Wendung nahm — dieſer war
doch wenigſtens nicht von Ihrer Erfindung?“

„Das Mädchen, welches die Königinn vorſtellte,
war von mir unterrichtet, und ihre ganze Rolle
mein Werk. Ich vermuthete, daß es Eure Durch¬
laucht nicht wenig befremden würde, an dieſem Or¬
te gekannt zu ſeyn, und, verzeihen Sie mir, gnä¬
digſter Herr, das Abentheuer mit dem Armenier
ließ mich hoffen, daß Sie bereits ſchon geneigt ſeyn
würden, natürliche Auslegungen zu verſchmähen,
und nach höhern Quellen des Außerordentlichen zu
ſpüren.“

„In der That,“ rief der Prinz mit einer Miene
zugleich des Verdruſſes und der Verwunderung,
indem er mir, beſonders einen bedeutenden Blick

gab,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="43"/>
und der Schlü&#x017F;&#x017F;el lag läng&#x017F;t in der Do&#x017F;e, ehe &#x017F;ie<lb/>
von Ihnen gewonnen wurde.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nunmehr begreif' ich's. Und der Barfüßer¬<lb/>
mönch, der &#x017F;ich mir in den Weg warf, und mich<lb/>
&#x017F;o feyerlich anredete?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;War der nehmliche, den man, wie ich höre,<lb/>
verwundet aus dem Kamine gezogen. Es i&#x017F;t einer<lb/>
von meinen Kameraden, der mir unter die&#x017F;er Ver¬<lb/>
hüllung &#x017F;chon manche gute Dien&#x017F;te gelei&#x017F;tet.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Aber zu welchem Ende &#x017F;tellten Sie die&#x017F;es an?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Um Sie nachdenkend zu machen &#x2014; um einen<lb/>
Gemüthszu&#x017F;tand in Ihnen vorzubereiten, der Sie<lb/>
für das Wunderbare, das ich mit Ihnen im Sinn<lb/>
hatte, empfänglich machen &#x017F;ollte.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Aber der pantomimi&#x017F;che Tanz, der eine &#x017F;o über¬<lb/>
ra&#x017F;chende &#x017F;elt&#x017F;ame Wendung nahm &#x2014; die&#x017F;er war<lb/>
doch wenig&#x017F;tens nicht von Ihrer Erfindung?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das Mädchen, welches die Königinn vor&#x017F;tellte,<lb/>
war von mir unterrichtet, und ihre ganze Rolle<lb/>
mein Werk. Ich vermuthete, daß es Eure Durch¬<lb/>
laucht nicht wenig befremden würde, an die&#x017F;em Or¬<lb/>
te gekannt zu &#x017F;eyn, und, verzeihen Sie mir, gnä¬<lb/>
dig&#x017F;ter Herr, das Abentheuer mit dem Armenier<lb/>
ließ mich hoffen, daß Sie bereits &#x017F;chon geneigt &#x017F;eyn<lb/>
würden, natürliche Auslegungen zu ver&#x017F;chmähen,<lb/>
und nach höhern Quellen des Außerordentlichen zu<lb/>
&#x017F;püren.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;In der That,&#x201C; rief der Prinz mit einer Miene<lb/>
zugleich des Verdru&#x017F;&#x017F;es und der Verwunderung,<lb/>
indem er mir, be&#x017F;onders einen bedeutenden Blick<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gab,<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0051] und der Schlüſſel lag längſt in der Doſe, ehe ſie von Ihnen gewonnen wurde.“ „Nunmehr begreif' ich's. Und der Barfüßer¬ mönch, der ſich mir in den Weg warf, und mich ſo feyerlich anredete?“ „War der nehmliche, den man, wie ich höre, verwundet aus dem Kamine gezogen. Es iſt einer von meinen Kameraden, der mir unter dieſer Ver¬ hüllung ſchon manche gute Dienſte geleiſtet.“ „Aber zu welchem Ende ſtellten Sie dieſes an?“ „Um Sie nachdenkend zu machen — um einen Gemüthszuſtand in Ihnen vorzubereiten, der Sie für das Wunderbare, das ich mit Ihnen im Sinn hatte, empfänglich machen ſollte.“ „Aber der pantomimiſche Tanz, der eine ſo über¬ raſchende ſeltſame Wendung nahm — dieſer war doch wenigſtens nicht von Ihrer Erfindung?“ „Das Mädchen, welches die Königinn vorſtellte, war von mir unterrichtet, und ihre ganze Rolle mein Werk. Ich vermuthete, daß es Eure Durch¬ laucht nicht wenig befremden würde, an dieſem Or¬ te gekannt zu ſeyn, und, verzeihen Sie mir, gnä¬ digſter Herr, das Abentheuer mit dem Armenier ließ mich hoffen, daß Sie bereits ſchon geneigt ſeyn würden, natürliche Auslegungen zu verſchmähen, und nach höhern Quellen des Außerordentlichen zu ſpüren.“ „In der That,“ rief der Prinz mit einer Miene zugleich des Verdruſſes und der Verwunderung, indem er mir, beſonders einen bedeutenden Blick gab,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/51
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/51>, abgerufen am 19.05.2024.