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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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verflochten. Sollte das ganze zeitliche Glück eines
Menschen -- eines Bruders --"

"Das ganze zeitliche Glück! O das fühl' ich!
Wie wahr haben Sie gesagt! Meine ganze Glück¬
seligkeit!"

"Und die Ruhe einer trauernden Familie keine
würdige Aufforderung seyn? Gewiß! wenn je eine
irdische Angelegenheit dazu berechtigen kann, die
Ruhe der Seligen zu stören -- von einer Gewalt
Gebrauch zu machen --"

"Um Gottes willen, Freund! unterbrach er
mich, nichts mehr davon. Ehmals wohl, ich ge¬
steh' es, hegte ich einen solchen Gedanken -- mir
däucht, ich sagte Ihnen davon -- aber ich hab'
ihn längst als ruchlos und abscheulich verworfen."

"Sie sehen nun schon," fuhr der Sicilianer
fort, "wohin uns dieses führte. Ich bemühte
mich, die Bedenklichkeiten des Ritters zu zerstreuen,
welches mir endlich auch gelang. Es ward beschlos¬
sen, den Geist des Verstorbenen zu zitiren, wobey
ich mir nur vierzehn Tage Frist ausbedingte, um
mich, wie ich vorgab, würdig darauf vorzuberei¬
ten. Nachdem dieser Zeitraum verstrichen und
meine Maschinen gehörig gerichtet waren, benuz¬
te ich einen schauerlichen Abend, wo die Familie
auf die gewöhnliche Art um mich versammelt war,
ihr die Einwilligung dazu abzulocken, oder sie viel¬
mehr unvermerkt dahin zu leiten, daß sie selbst
diese Bitte an mich that. Den schwersten Stand

hatte
d. Geisterseher. E

verflochten. Sollte das ganze zeitliche Glück eines
Menſchen — eines Bruders —“

„Das ganze zeitliche Glück! O das fühl' ich!
Wie wahr haben Sie geſagt! Meine ganze Glück¬
ſeligkeit!“

„Und die Ruhe einer trauernden Familie keine
würdige Aufforderung ſeyn? Gewiß! wenn je eine
irdiſche Angelegenheit dazu berechtigen kann, die
Ruhe der Seligen zu ſtören — von einer Gewalt
Gebrauch zu machen —“

„Um Gottes willen, Freund! unterbrach er
mich, nichts mehr davon. Ehmals wohl, ich ge¬
ſteh' es, hegte ich einen ſolchen Gedanken — mir
däucht, ich ſagte Ihnen davon — aber ich hab'
ihn längſt als ruchlos und abſcheulich verworfen.“

„Sie ſehen nun ſchon,“ fuhr der Sicilianer
fort, „wohin uns dieſes führte. Ich bemühte
mich, die Bedenklichkeiten des Ritters zu zerſtreuen,
welches mir endlich auch gelang. Es ward beſchloſ¬
ſen, den Geiſt des Verſtorbenen zu zitiren, wobey
ich mir nur vierzehn Tage Friſt ausbedingte, um
mich, wie ich vorgab, würdig darauf vorzuberei¬
ten. Nachdem dieſer Zeitraum verſtrichen und
meine Maſchinen gehörig gerichtet waren, benuz¬
te ich einen ſchauerlichen Abend, wo die Familie
auf die gewöhnliche Art um mich verſammelt war,
ihr die Einwilligung dazu abzulocken, oder ſie viel¬
mehr unvermerkt dahin zu leiten, daß ſie ſelbſt
dieſe Bitte an mich that. Den ſchwerſten Stand

hatte
d. Geiſterſeher. E
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[65/0073] verflochten. Sollte das ganze zeitliche Glück eines Menſchen — eines Bruders —“ „Das ganze zeitliche Glück! O das fühl' ich! Wie wahr haben Sie geſagt! Meine ganze Glück¬ ſeligkeit!“ „Und die Ruhe einer trauernden Familie keine würdige Aufforderung ſeyn? Gewiß! wenn je eine irdiſche Angelegenheit dazu berechtigen kann, die Ruhe der Seligen zu ſtören — von einer Gewalt Gebrauch zu machen —“ „Um Gottes willen, Freund! unterbrach er mich, nichts mehr davon. Ehmals wohl, ich ge¬ ſteh' es, hegte ich einen ſolchen Gedanken — mir däucht, ich ſagte Ihnen davon — aber ich hab' ihn längſt als ruchlos und abſcheulich verworfen.“ „Sie ſehen nun ſchon,“ fuhr der Sicilianer fort, „wohin uns dieſes führte. Ich bemühte mich, die Bedenklichkeiten des Ritters zu zerſtreuen, welches mir endlich auch gelang. Es ward beſchloſ¬ ſen, den Geiſt des Verſtorbenen zu zitiren, wobey ich mir nur vierzehn Tage Friſt ausbedingte, um mich, wie ich vorgab, würdig darauf vorzuberei¬ ten. Nachdem dieſer Zeitraum verſtrichen und meine Maſchinen gehörig gerichtet waren, benuz¬ te ich einen ſchauerlichen Abend, wo die Familie auf die gewöhnliche Art um mich verſammelt war, ihr die Einwilligung dazu abzulocken, oder ſie viel¬ mehr unvermerkt dahin zu leiten, daß ſie ſelbſt dieſe Bitte an mich that. Den ſchwerſten Stand hatte d. Geiſterſeher. E

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/73>, abgerufen am 21.11.2024.