Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich kann es demungeachtet noch nicht über
mich gewinnen, gnädigster Herr, diese ganze Sa¬
che für nichts mehr, als ein angestelltes Spiel zu
halten. Wie? Der Schrecken des Sicilianers, die
Zuckungen, die Ohnmacht, der ganze klägliche Zu¬
stand dieses Menschen, der uns selbst Erbarmen
einflößte -- alles dieses wäre nur eine eingelernte
Rolle gewesen? Zugegeben, daß sich das thea¬
tralische Gaukelspiel auch noch so weit treiben lasse,
so kann die Kunst des Akteurs doch nicht über die
Organe seines Lebens gebieten.

"Was das anbetrifft, Freund -- Ich habe
Richard den Dritten von Garrick gesehen -- Und
waren wir in diesem Augenblicke kalt und müßig ge¬
nug, um unbefangene Beobachter abzugeben?
Konnten wir den Affekt dieses Menschen prüfen, da
uns der unsrige übermeisterte? Ueberdieß ist die
entscheidende Krise, auch sogar eines Betrugs, für
den Betrüger selbst eine so wichtige Angelegenheit,
daß bey ihm die Erwartung gar leicht so ge¬
waltsame Symptome erzeugen kann, als die Ue¬
berraschung
bey dem Betrogenen. Rech¬
nen Sie dazu noch die unvermuthete Erscheinung
der Häscher --"

Eben diese, gnädigster Herr -- Gut, daß
Sie mich daran erinnern -- Würde er es wohl
gewagt haben, einen so gefährlichen Plan dem Au¬
ge der Gerechtigkeit bloß zu stellen? Die Treue
seiner Kreatur auf eine so bedenkliche Probe zu
bringen? -- Und zu welchem Ende?

"Dafür

Ich kann es demungeachtet noch nicht über
mich gewinnen, gnädigſter Herr, dieſe ganze Sa¬
che für nichts mehr, als ein angeſtelltes Spiel zu
halten. Wie? Der Schrecken des Sicilianers, die
Zuckungen, die Ohnmacht, der ganze klägliche Zu¬
ſtand dieſes Menſchen, der uns ſelbſt Erbarmen
einflößte — alles dieſes wäre nur eine eingelernte
Rolle geweſen? Zugegeben, daß ſich das thea¬
traliſche Gaukelſpiel auch noch ſo weit treiben laſſe,
ſo kann die Kunſt des Akteurs doch nicht über die
Organe ſeines Lebens gebieten.

„Was das anbetrifft, Freund — Ich habe
Richard den Dritten von Garrick geſehen — Und
waren wir in dieſem Augenblicke kalt und müßig ge¬
nug, um unbefangene Beobachter abzugeben?
Konnten wir den Affekt dieſes Menſchen prüfen, da
uns der unſrige übermeiſterte? Ueberdieß iſt die
entſcheidende Kriſe, auch ſogar eines Betrugs, für
den Betrüger ſelbſt eine ſo wichtige Angelegenheit,
daß bey ihm die Erwartung gar leicht ſo ge¬
waltſame Symptome erzeugen kann, als die Ue¬
berraſchung
bey dem Betrogenen. Rech¬
nen Sie dazu noch die unvermuthete Erſcheinung
der Häſcher —“

Eben dieſe, gnädigſter Herr — Gut, daß
Sie mich daran erinnern — Würde er es wohl
gewagt haben, einen ſo gefährlichen Plan dem Au¬
ge der Gerechtigkeit bloß zu ſtellen? Die Treue
ſeiner Kreatur auf eine ſo bedenkliche Probe zu
bringen? — Und zu welchem Ende?

„Dafür
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0096" n="88"/>
          <p>Ich kann es demungeachtet noch nicht über<lb/>
mich gewinnen, gnädig&#x017F;ter Herr, die&#x017F;e ganze Sa¬<lb/>
che für nichts mehr, als ein ange&#x017F;telltes Spiel zu<lb/>
halten. Wie? Der Schrecken des Sicilianers, die<lb/>
Zuckungen, die Ohnmacht, der ganze klägliche Zu¬<lb/>
&#x017F;tand die&#x017F;es Men&#x017F;chen, der uns &#x017F;elb&#x017F;t Erbarmen<lb/>
einflößte &#x2014; alles die&#x017F;es wäre nur eine eingelernte<lb/>
Rolle gewe&#x017F;en? Zugegeben, daß &#x017F;ich das thea¬<lb/>
trali&#x017F;che Gaukel&#x017F;piel auch noch &#x017F;o weit treiben la&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
&#x017F;o kann die Kun&#x017F;t des Akteurs doch nicht über die<lb/>
Organe &#x017F;eines Lebens gebieten.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Was das anbetrifft, Freund &#x2014; Ich habe<lb/>
Richard den Dritten von Garrick ge&#x017F;ehen &#x2014; Und<lb/>
waren wir in die&#x017F;em Augenblicke kalt und müßig ge¬<lb/>
nug, um unbefangene Beobachter abzugeben?<lb/>
Konnten wir den Affekt die&#x017F;es Men&#x017F;chen prüfen, da<lb/>
uns der un&#x017F;rige übermei&#x017F;terte? Ueberdieß i&#x017F;t die<lb/>
ent&#x017F;cheidende Kri&#x017F;e, auch &#x017F;ogar eines Betrugs, für<lb/>
den Betrüger &#x017F;elb&#x017F;t eine &#x017F;o wichtige Angelegenheit,<lb/>
daß bey <hi rendition="#g">ihm</hi> die <hi rendition="#g">Erwartung</hi> gar leicht &#x017F;o ge¬<lb/>
walt&#x017F;ame Symptome erzeugen kann, als die <hi rendition="#g">Ue¬<lb/>
berra&#x017F;chung</hi> bey dem <hi rendition="#g">Betrogenen</hi>. Rech¬<lb/>
nen Sie dazu noch die unvermuthete Er&#x017F;cheinung<lb/>
der Hä&#x017F;cher &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
          <p>Eben die&#x017F;e, gnädig&#x017F;ter Herr &#x2014; Gut, daß<lb/>
Sie mich daran erinnern &#x2014; Würde er es wohl<lb/>
gewagt haben, einen &#x017F;o gefährlichen Plan dem Au¬<lb/>
ge der Gerechtigkeit bloß zu &#x017F;tellen? Die Treue<lb/>
&#x017F;einer Kreatur auf eine &#x017F;o bedenkliche Probe zu<lb/>
bringen? &#x2014; Und zu welchem Ende?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Dafür<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0096] Ich kann es demungeachtet noch nicht über mich gewinnen, gnädigſter Herr, dieſe ganze Sa¬ che für nichts mehr, als ein angeſtelltes Spiel zu halten. Wie? Der Schrecken des Sicilianers, die Zuckungen, die Ohnmacht, der ganze klägliche Zu¬ ſtand dieſes Menſchen, der uns ſelbſt Erbarmen einflößte — alles dieſes wäre nur eine eingelernte Rolle geweſen? Zugegeben, daß ſich das thea¬ traliſche Gaukelſpiel auch noch ſo weit treiben laſſe, ſo kann die Kunſt des Akteurs doch nicht über die Organe ſeines Lebens gebieten. „Was das anbetrifft, Freund — Ich habe Richard den Dritten von Garrick geſehen — Und waren wir in dieſem Augenblicke kalt und müßig ge¬ nug, um unbefangene Beobachter abzugeben? Konnten wir den Affekt dieſes Menſchen prüfen, da uns der unſrige übermeiſterte? Ueberdieß iſt die entſcheidende Kriſe, auch ſogar eines Betrugs, für den Betrüger ſelbſt eine ſo wichtige Angelegenheit, daß bey ihm die Erwartung gar leicht ſo ge¬ waltſame Symptome erzeugen kann, als die Ue¬ berraſchung bey dem Betrogenen. Rech¬ nen Sie dazu noch die unvermuthete Erſcheinung der Häſcher —“ Eben dieſe, gnädigſter Herr — Gut, daß Sie mich daran erinnern — Würde er es wohl gewagt haben, einen ſo gefährlichen Plan dem Au¬ ge der Gerechtigkeit bloß zu ſtellen? Die Treue ſeiner Kreatur auf eine ſo bedenkliche Probe zu bringen? — Und zu welchem Ende? „Dafür

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/96
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/96>, abgerufen am 21.11.2024.