Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.
Warum zwischen Tod und Schande mich hin und her wiegen? Warum diesen blutsaugenden Teufel mir auf den Naken sezen? -- Macht was ihr wollt. Ich schreibe das nimmermehr. Wurm. (greift nach dem Hut) Wie Sie wollen, Mademoiselle. Das steht ganz in Ihrem Belieben. Louise. Belieben, sagen Sie? In meinem Belieben? -- Geh Barbar! hänge einen Unglükli- chen über dem Abgrund der Hölle aus, bitt ihn um etwas, und lästre Gott, und frag ihn, obs ihm beliebe? -- O du weist allzugut, daß unser Herz an natürlichen Trieben, so fest als an Ketten liegt -- Nunmehr ist alles gleich. Diktieren Sie weiter. Ich denke nichts mehr. Ich weiche der überlisten- den Hölle (sie sezt sich zum zweitenmal) Wurm. " Den ganzen Tag wie ein Argus hü- tet" -- Haben Sie das? Louise. Weiter! Weiter! Wurm. "Wir haben gestern den Präsidenten " im Haus gehabt. Es war poßirlich zu sehen, wie " der gute Major um meine Ehre sich wehrte" Louise. O schön, schön! o herrlich! -- Nur immer fort. Wurm. "Ich nahm meine Zuflucht zu einer "Ohnmacht -- zu einer Ohnmacht -- daß ich nicht "laut lachte" Louise. O Himmel! Wurm. G
Warum zwiſchen Tod und Schande mich hin und her wiegen? Warum dieſen blutſaugenden Teufel mir auf den Naken ſezen? — Macht was ihr wollt. Ich ſchreibe das nimmermehr. Wurm. (greift nach dem Hut) Wie Sie wollen, Mademoiſelle. Das ſteht ganz in Ihrem Belieben. Louiſe. Belieben, ſagen Sie? In meinem Belieben? — Geh Barbar! haͤnge einen Ungluͤkli- chen uͤber dem Abgrund der Hoͤlle aus, bitt ihn um etwas, und laͤſtre Gott, und frag ihn, obs ihm beliebe? — O du weiſt allzugut, daß unſer Herz an natuͤrlichen Trieben, ſo feſt als an Ketten liegt — Nunmehr iſt alles gleich. Diktieren Sie weiter. Ich denke nichts mehr. Ich weiche der uͤberliſten- den Hoͤlle (ſie ſezt ſich zum zweitenmal) Wurm. „ Den ganzen Tag wie ein Argus huͤ- tet„ — Haben Sie das? Louiſe. Weiter! Weiter! Wurm. „Wir haben geſtern den Praͤſidenten „ im Haus gehabt. Es war poßirlich zu ſehen, wie „ der gute Major um meine Ehre ſich wehrte“ Louiſe. O ſchoͤn, ſchoͤn! o herrlich! — Nur immer fort. Wurm. „Ich nahm meine Zuflucht zu einer „Ohnmacht — zu einer Ohnmacht — daß ich nicht „laut lachte„ Louiſe. O Himmel! Wurm. G
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Warum zwiſchen Tod und Schande mich hin und
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Ich ſchreibe das nimmermehr.
Wurm. (greift nach dem Hut) Wie Sie wollen,
Mademoiſelle. Das ſteht ganz in Ihrem Belieben.
Louiſe. Belieben, ſagen Sie? In meinem
Belieben? — Geh Barbar! haͤnge einen Ungluͤkli-
chen uͤber dem Abgrund der Hoͤlle aus, bitt ihn um
etwas, und laͤſtre Gott, und frag ihn, obs ihm
beliebe? — O du weiſt allzugut, daß unſer Herz
an natuͤrlichen Trieben, ſo feſt als an Ketten liegt
— Nunmehr iſt alles gleich. Diktieren Sie weiter.
Ich denke nichts mehr. Ich weiche der uͤberliſten-
den Hoͤlle (ſie ſezt ſich zum zweitenmal)
Wurm. „ Den ganzen Tag wie ein Argus huͤ-
tet„ — Haben Sie das?
Louiſe. Weiter! Weiter!
Wurm. „Wir haben geſtern den Praͤſidenten
„ im Haus gehabt. Es war poßirlich zu ſehen, wie
„ der gute Major um meine Ehre ſich wehrte“
Louiſe. O ſchoͤn, ſchoͤn! o herrlich! — Nur
immer fort.
Wurm. „Ich nahm meine Zuflucht zu einer
„Ohnmacht — zu einer Ohnmacht — daß ich nicht
„laut lachte„
Louiſe. O Himmel!
Wurm.
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/101>, abgerufen am 16.02.2025. |