Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.für ihre Unschuld bürgten -- Es ist ihre Hand -- (er stürzt rascher durchs Zimmer, dann steht er wieder nachdenkend still.) Mich so ganz zu ergründen! -- Jedes kühne Da ich ihr die Gefahr unsrer Liebe entdekte, Koket- G 3
fuͤr ihre Unſchuld buͤrgten — Es iſt ihre Hand — (er ſtuͤrzt raſcher durchs Zimmer, dann ſteht er wieder nachdenkend ſtill.) Mich ſo ganz zu ergruͤnden! — Jedes kuͤhne Da ich ihr die Gefahr unſrer Liebe entdekte, Koket- G 3
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fuͤr ihre Unſchuld buͤrgten — Es iſt ihre Hand —
ein unerhoͤrter ungeheurer Betrug, wie die Menſch-
heit noch keinen erlebte! — Das alſo wars, warum
man ſich ſo beharrlich der Flucht widerſezte! — Da-
rum — o Gott! jezt erwach ich, jezt enthuͤllt ſich mir
alles! — Darum gab man ſeinen Anſpruch auf mei-
ne Liebe mit ſo viel Heldenmut auf, und bald bald
haͤtte ſelbſt mich die himmliſche Schminke betrogen!
(er ſtuͤrzt raſcher durchs Zimmer, dann ſteht er wieder
nachdenkend ſtill.)
Mich ſo ganz zu ergruͤnden! — Jedes kuͤhne
Gefuͤhl, jede leiſe ſchuͤchterne Bebung zu erwiedern,
jede feurige Wallung — An der feinſten Unbeſchreib-
lichkeit eines ſchwebenden Lauts meine Seele zu faſſen
— Mich zu berechnen in einer Traͤne — Auf jeden
gaͤhen Gipfel der Leidenſchaft mich zu begleiten, mir
zu begegnen vor jedem ſchwindelnden Abſturz — Gott!
Gott! und alles das nichts als Grimaſſe: — Gri-
maſſe? — O wenn die Luͤge eine ſo haltbare Farbe hat,
wie gieng es zu, daß ſich kein Teufel noch in das Him-
melreich hineinlog?
Da ich ihr die Gefahr unſrer Liebe entdekte,
mit welch uͤberzeugender Taͤuſchung erblaßte die Fal-
ſche da! Mit welch ſiegender Wuͤrde ſchlug ſie den
frechen Hohn meines Vaters zu Boden, und in eben
dem Augenblik fuͤhlte das Weib ſich doch ſchuldig —
Was? hielt ſie nicht ſelbſt die Feuerprobe der Wahr-
heit aus — die Heuchlerin ſinkt in Ohnmacht. Welche
Sprache wirſt du jezt fuͤhren, Empfindung? Auch
Koket-
G 3
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Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/105>, abgerufen am 16.02.2025. |