Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784. Wurm. (greift nach Hut und Stok, und zum Zim- mer hinaus) Obligazion, Herr Miller. Miller. (geht ihm langsam nach) Für was? Für was? Haben Sie ja doch nichts genossen, Herr Sekretarius. (zurükkommend) Nichts hört er und hin zieht er -- -- Ist mirs doch wie Gift und Oper- ment, wenn ich den Federnfuchser zu Gesichte krieg. Ein konfißierter widriger Kerl, als hätt ihn irgend ein Schleichhändler in die Welt meines Herrgotts hineingeschachert -- Die kleinen tükischen Mausau- gen -- die Haare brandroth -- das Kinn heraus- gequollen, gerade als wenn die Natur für purem Gift über das verhunzte Stük Arbeit meinen Schlin- gel da angefaßt, und in irgend eine Eke geworfen hätte -- Nein! Eh ich meine Tochter an so einen Schuft wegwerfe, lieber soll sie mir -- Gott ver- zeih mirs -- Frau. (spukt aus, giftig) Der Hund! -- Aber man wird dir's Maul sauber halten. Miller. Du aber auch mit deinem pestilenziali- schen Junker -- Hast mich vorhin auch so in Harnisch gebracht -- Bist doch nie dummer, als wenn du um Gotteswillen gescheid seyn soltest. Was hat das Ge- trätsch von einer gnädigen Madam und deiner Toch- ter da vorstellen sollen? Das ist mir der Alte. Dem muß man so was an die Nase heften, wenns mor- gen am Marktbrunnen ausgeschellt seyn soll. Das ist just so ein Musje, wie sie in der Leute Häusern herum riechen, über Keller und Koch räsonnieren, und
Wurm. (greift nach Hut und Stok, und zum Zim- mer hinaus) Obligazion, Herr Miller. Miller. (geht ihm langſam nach) Fuͤr was? Fuͤr was? Haben Sie ja doch nichts genoſſen, Herr Sekretarius. (zuruͤkkommend) Nichts hoͤrt er und hin zieht er — — Iſt mirs doch wie Gift und Oper- ment, wenn ich den Federnfuchſer zu Geſichte krieg. Ein konfiſzierter widriger Kerl, als haͤtt ihn irgend ein Schleichhaͤndler in die Welt meines Herrgotts hineingeſchachert — Die kleinen tuͤkiſchen Mausau- gen — die Haare brandroth — das Kinn heraus- gequollen, gerade als wenn die Natur fuͤr purem Gift uͤber das verhunzte Stuͤk Arbeit meinen Schlin- gel da angefaßt, und in irgend eine Eke geworfen haͤtte — Nein! Eh ich meine Tochter an ſo einen Schuft wegwerfe, lieber ſoll ſie mir — Gott ver- zeih mirs — Frau. (ſpukt aus, giftig) Der Hund! — Aber man wird dir's Maul ſauber halten. Miller. Du aber auch mit deinem peſtilenziali- ſchen Junker — Haſt mich vorhin auch ſo in Harniſch gebracht — Biſt doch nie dummer, als wenn du um Gotteswillen geſcheid ſeyn ſolteſt. Was hat das Ge- traͤtſch von einer gnaͤdigen Madam und deiner Toch- ter da vorſtellen ſollen? Das iſt mir der Alte. Dem muß man ſo was an die Naſe heften, wenns mor- gen am Marktbrunnen ausgeſchellt ſeyn ſoll. Das iſt juſt ſo ein Musje, wie ſie in der Leute Haͤuſern herum riechen, uͤber Keller und Koch raͤſonnieren, und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0015" n="11"/> <sp who="#WUR"> <speaker> <hi rendition="#fr">Wurm.</hi> </speaker> <p><stage>(greift nach Hut und Stok, und zum Zim-<lb/> mer hinaus)</stage> Obligazion, Herr Miller.</p><lb/> </sp> <sp who="#MIL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Miller.</hi> </speaker> <p><stage>(geht ihm langſam nach)</stage> Fuͤr was?<lb/> Fuͤr was? Haben Sie ja doch nichts genoſſen, Herr<lb/> Sekretarius. <stage>(zuruͤkkommend)</stage> Nichts hoͤrt er und<lb/> hin zieht er — — Iſt mirs doch wie Gift und Oper-<lb/> ment, wenn ich den Federnfuchſer zu Geſichte krieg.<lb/> Ein konfiſzierter widriger Kerl, als haͤtt ihn irgend<lb/> ein Schleichhaͤndler in die Welt meines Herrgotts<lb/> hineingeſchachert — Die kleinen tuͤkiſchen Mausau-<lb/> gen — die Haare brandroth — das Kinn heraus-<lb/> gequollen, gerade als wenn die Natur fuͤr purem<lb/> Gift uͤber das verhunzte Stuͤk Arbeit meinen Schlin-<lb/> gel da angefaßt, und in irgend eine Eke geworfen<lb/> haͤtte — Nein! Eh ich meine Tochter an ſo einen<lb/> Schuft wegwerfe, lieber ſoll ſie mir — Gott ver-<lb/> zeih mirs —</p><lb/> </sp> <sp who="#FMI"> <speaker> <hi rendition="#fr">Frau.</hi> </speaker> <p><stage>(ſpukt aus, giftig)</stage> Der Hund! — Aber<lb/> man wird dir's Maul ſauber halten.</p><lb/> </sp> <sp who="#MIL"> <speaker> <hi rendition="#fr">Miller.</hi> </speaker> <p>Du aber auch mit deinem peſtilenziali-<lb/> ſchen Junker — Haſt mich vorhin auch ſo in Harniſch<lb/> gebracht — Biſt doch nie dummer, als wenn du um<lb/> Gotteswillen geſcheid ſeyn ſolteſt. Was hat das Ge-<lb/> traͤtſch von einer gnaͤdigen Madam und deiner Toch-<lb/> ter da vorſtellen ſollen? Das iſt mir der Alte. Dem<lb/> muß man ſo was an die Naſe heften, wenns mor-<lb/> gen am Marktbrunnen ausgeſchellt ſeyn ſoll. Das<lb/> iſt juſt ſo ein Musje, wie ſie in der Leute Haͤuſern<lb/> herum riechen, uͤber Keller und Koch raͤſonnieren,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0015]
Wurm. (greift nach Hut und Stok, und zum Zim-
mer hinaus) Obligazion, Herr Miller.
Miller. (geht ihm langſam nach) Fuͤr was?
Fuͤr was? Haben Sie ja doch nichts genoſſen, Herr
Sekretarius. (zuruͤkkommend) Nichts hoͤrt er und
hin zieht er — — Iſt mirs doch wie Gift und Oper-
ment, wenn ich den Federnfuchſer zu Geſichte krieg.
Ein konfiſzierter widriger Kerl, als haͤtt ihn irgend
ein Schleichhaͤndler in die Welt meines Herrgotts
hineingeſchachert — Die kleinen tuͤkiſchen Mausau-
gen — die Haare brandroth — das Kinn heraus-
gequollen, gerade als wenn die Natur fuͤr purem
Gift uͤber das verhunzte Stuͤk Arbeit meinen Schlin-
gel da angefaßt, und in irgend eine Eke geworfen
haͤtte — Nein! Eh ich meine Tochter an ſo einen
Schuft wegwerfe, lieber ſoll ſie mir — Gott ver-
zeih mirs —
Frau. (ſpukt aus, giftig) Der Hund! — Aber
man wird dir's Maul ſauber halten.
Miller. Du aber auch mit deinem peſtilenziali-
ſchen Junker — Haſt mich vorhin auch ſo in Harniſch
gebracht — Biſt doch nie dummer, als wenn du um
Gotteswillen geſcheid ſeyn ſolteſt. Was hat das Ge-
traͤtſch von einer gnaͤdigen Madam und deiner Toch-
ter da vorſtellen ſollen? Das iſt mir der Alte. Dem
muß man ſo was an die Naſe heften, wenns mor-
gen am Marktbrunnen ausgeſchellt ſeyn ſoll. Das
iſt juſt ſo ein Musje, wie ſie in der Leute Haͤuſern
herum riechen, uͤber Keller und Koch raͤſonnieren,
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |